Test: Clavia Nord Piano 6 – Stagepiano

Clavia Nord Piano 6 Stagepiano

Das Clavia Nord Piano 6 bringt mit einem umgestalteten Bedienfeld und Ausstattungsfeatures à la Nord Grand 2 frischen Wind in die Nord-Piano-Serie. Ansonsten setzt es auf allerlei Bewährtes aus dem Vorgängermodell.

Clavia Nord Piano 6 – zwei Versionen

Das Nord Piano 6 bietet Clavia in zwei Versionen mit 73 oder 88 Tasten an. In beiden Fällen kommt eine gewichtete Drei-Sensoren-Tastatur mit Hammermechanik von Fatar zum Einsatz. Zu Preisen von derzeit knapp 3.700 Euro für die 88er- und 3.300 Euro für die 73er-Version sind die beiden Stagepianos klar in der Oberklasse angesiedelt.

Wie im Nord Piano 5 gibt es im 6er getrennte Klangerzeugungen für Piano (Polyfonie: 120 Stimmen) und Synthesizer (44 Stimmen), die jeweils auf Sample-Basis arbeiten. Pro Sektion arbeiten zwei unabhängige Engines, sodass maximal zwei „Piano“- und zwei „Sample Synth“-Sounds in einem Klangprogramm – „Program“ genannt – erklingen können.

Der wesentliche Unterschied zu Stagepianos anderer Hersteller: Das Nord Piano 6 besitzt für seine beiden Dual-Soundengines zwei getrennte Flash-Speicher, die mit Multisamples aus zwei Klangbibliotheken von Clavia gefüttert werden – ein offenes System also. Wie am Vorgänger stehen für Klänge aus der Nord Piano Library zwei Gigabyte an Speicherplatz zur Verfügung, für Sounds aus der Nord Sample Library ist es bei einem Gigabyte Speicher geblieben.

Dreh- und Angelpunkt bei der Soundbestückung ist die kostenlose Software Nord Sound Manager für Windows und Mac OS. Wichtig für Umsteiger: Für das Nord Piano 6 können damit auch Klangprogramme vom Nord Piano 5 sowie vom Nord Grand 2 konvertiert und dann geladen werden. Über die ebenfalls kostenfreie Software Nord Sample Editor bietet Clavia weiterhin die Aufzeichnung und das Mapping eigener Samples an.

Clavia Nord Piano 6 Stagepiano display
In einem Program lassen sich bis zu vier Layer – zwei aus der Piano- und zwei aus der Synth-Sektion – über die Tastatur verteilen. (Foto: Henrik Bruns)

Wirklich solide Hardware

Clavias Instrumente für die Bühne sind stets sehr solide verarbeitet und von Holz und Metall umhüllt. Das Nord Piano des schwedischen Herstellers macht da auch in seiner sechsten Auflage keine Ausnahme und folgt zudem der markanten rot-schwarzen Optik aller Nord-Bühnenkeyboards.

Eine Beschriftung über dem Bedienfeld gibt Überblick über die Anschlüsse auf der Gehäuserückseite, die so auch von vorne zugeordnet werden können und sogar recht gut erreichbar sind.

Worauf Clavia am Nord Piano weiterhin verzichtet, sind symmetrische und Einzelausgänge. Für Fußpedale und -schalter gibt es mittlerweile vier Buchsen, von denen eine direkt nach dem Entpacken des Instruments belegt werden kann: Im Lieferumfang enthalten ist das sehr gute Nord Triple Pedal 2, das sonst als Zubehör für knapp 350 Euro verkauft wird. Das Dreifach-Pedal kommt mit einer Anti-Rutsch-Gummimatte, die sich daran befestigen lässt. Es unterstützt auch einige Controller-Pedal-Funktionen.

Neben MIDI-Out und -In ist weiterhin nur eine USB-B-Buchse für den Computeranschluss vorhanden. Die Datensicherung oder der Import über USB-to-Device ist also nicht möglich. Der Monitor-in, Stereo-Miniklinke, ist für das Einschleifen von Audio-Songs von mobilen Zuspielern gedacht.

Optional wird das Lautsprechersystem Nord Piano Monitor angeboten. Anders, als es der Name suggeriert, belegt es die Stereo-Ausgänge. Die aktiven Nahfeld-Monitorboxen, die im Handel derzeit um die 600 Euro kosten, lassen sich direkt über Halterungen am Nord Piano befestigen.

Das neue Bedienfeld des Clavia Nord Piano 6

Clavia hat die Benutzeroberfläche des Nord Piano umkonzipiert, um eine bessere Übersicht und ein schnelleres Handling für Spielerinnen und Spieler hinzubekommen. Größtenteils entspricht sie jetzt der des Nord Grand 2.

Markant sind neue Level-Slider mit Status-LED-Ketten für die vier Tastatursounds: je zwei für Piano-Layer A und B sowie Sample-Synth-Layer A und B. Pro Layer gibt’s zusätzlich einen eigenen On/off-Button mit eigener Keyboard-Zone-Anzeige – eine deutliche Aufwertung gegenüber dem Vorgänger.

Auch die neue Anordnung der Hüllkurvenregler für den Synth und der Bedienelemente für die Effekte ist gelungen. Und insgesamt gibt es mehr Platz zwischen Tastern und Reglern, denn die Bedienfläche wurde um gut neun Zentimeter verlängert. Auch Nord-Piano-erfahrene Spielerinnen und Spieler dürften da schon nach kurzer Eingewöhnung fragen: „Warum nicht gleich so?“

Darüber hinaus empfinde ich das neue Bedienfeld am Piano 6 sogar als übersichtlicher und komfortabler als das des Grand 2, das auf seiner angeschrägten Benutzeroberfläche mit kürzeren Regelwegen der Slider und beengteren Platzverhältnissen auskommen muss.

Clavia Nord Piano 6 Stagepiano sample synth
Das Nord Piano 6 bietet pro Tastatursound einen Level-Fader sowie einen Button für On/Off beziehungsweise die Keyboard-Zoneneinstellung. (Foto: Henrik Bruns)

Stagepiano-Qualitäten

Das Nord Piano 6 spielt sich wie der Vorgänger über eine gewichtete Tastatur mit Virtual Hammer Action Technology, wie Clavia die Hammersimulation nennt. Sie arbeitet mit drei Sensoren und lässt sich sehr präzise spielen, die Repetition ist ebenfalls gelungen.

Was die Tastatur nicht bietet, sind unterschiedlich gewichtete Zonen (graded Hammer), synthetische „Ebony/Ivory“-Decklagen (Oberflächentextur für mehr Griffigkeit) sowie ein Druckpunkt. Auch spielt sie sich vergleichsweise leichtgängig. Das hängt zusammen mit den lediglich drei angebotenen Anschlagdynamikkurven, die für mein Gefühl wenig dynmaischen Spielraum zwischen hartem und softem Anschlag liefern.

Was das Manual also an echtem Piano-Feeling vermissen lässt, kommt wiederum den synthetischen Klängen zugute: Spielt man ein Solo mit einem Lead-Sound, flutscht der geradezu über die Tasten. Auch mit dem aktuellen Nord Piano tun sich die Schweden also weiter schwer damit, über die Tastatur noch stärker in Richtung Klavier zu gehen.

Was wiederum das Sample-Library-gestützte Konzept angeht, kann das Nord Piano 6 aus dem Vollen schöpfen. Die Nord Piano Library umfasst Klänge von Instrumenten zahlreicher wichtiger Klavierbauer. Schon ab Werk werden ganz unterschiedliche Flügelklangfarben von Steinway („White Grand“), Yamaha („Royal-“, „Soft-“ und „Studio Grand“), Bösendorfer („Grand Imperial“) und Blüthner („Velvet Grand“) angeboten. Bei den Klavieren verbirgt sich hinter dem „Amber Upright“ ein Grotrian Steinweg, während für das „Felt Upright“ ein filzgedämpftes Yamaha SU-Modell Pate stand.

Speichergröße bleibt das Nadelöhr

Die Sounds der Nord Piano Library sind sehr gelungen, wenngleich nicht ganz ohne technische Schwächen. Die Dynamik stimmt zumeist, und sie lassen sich ausdrucksstark spielen. Den ein oder anderen Sprung zwischen den Samples gibt es aber durchaus. Die Samples klingen recht lange aus, enden aber hörbar in einer Loop-Phase.

Abgesehen von diesen Feinheiten überzeugt die Qualität fast durchgängig, und die große Stärke der Bibliothek liegt in ihrer Klangvielfalt. Dabei sind Eigenheiten der Originalflügel teils sehr charmant und mit Atmosphäre eingefangen worden.

Bei den akustischen Pianos ergänzt das mitgelieferte Triple-Pedal im Sustain ein dynamisch reagierendes Pedalgeräusch, dessen Intensität sich einstellen lässt. Außerdem werden Halbpedal-Spieltechniken unterstützt.

Aber, Nord-User kennen das Spiel: Alle Multisamples sind in den Speichergrößen S, M, L und XL verfügbar. Doch nur die XL-Versionen der Flügel bieten das aufwendigste Mapping sowie eine Saitenresonanz-Simulation über die gesamte Tastatur.

Top-Sounds für Keyboarder

Die XL-Flügel besitzen Speichergrößen um die 200 MB. Den Sample-Speicher im Instrument bekommt man mit zehn XL-Grands und -Uprights aber schon fast voll. Ab Werk liefert daher auch das Nord Piano 6 wieder einen ökonomischen Mix aus Multisamples verschiedener Qualitäten. Somit bleibt dann noch Platz in der Piano-Sektion für E-Pianos, Clavinets und Mallets.

Letztere Sounds aus der Library sind bekanntermaßen vom Feinsten. Die Rhodes-Klänge sind Multisamples verschiedener Mark-I-, -II- und -V-Varianten aus den 70ern sowie eines 1967er Sparkletop-Modells. Highlight-Sound ist das glockige, volle und ausgewogene „EP9 Stockholm“ mit 100 MB Samplegröße. Das Wurlitzer 200A ist mit zwei Grundsounds bedacht, ebenso gibt es tolle FM-E-Pianos, den Yamaha-CP80-E-Flügel und natürlich das Hohner Clavinet D6, alles durchweg sehr gelungen.

In den Speicher der „Sample Synth“-Engines des Nord Pianos lädt man wie gehabt die überzeugenden Klänge aus der Nord Sample Library. Sie umfasst sowohl Specials, darunter Sounds von allerlei analogen wie digitalen Synth-Klassikern und eine umfangreiche Sammlung von Mellotron- und Chamberlin-Klängen, als auch eine breite Auswahl an realistischen Streichern, Chören und Bläsern oder Gitarren und Bässen.

Auffällig und wohl einzigartig im Stagepiano-Segment: Der Hersteller vermeidet es weiterhin tunlichst, in den Bibliotheken für das Nord Piano auch nur ein einziges Multisample eines Hammond-B3-Sounds anzubieten. Eine strikte Grenzziehung also zum Nord Electro und Stage mit ihren virtuellen Tonewheels, auch wenn denen ein paar B3/C3-Samples im Piano 6 gar nicht gefährlich werden könnten.

Clavia Nord Piano 6 Stagepiano fx
Das Bedienfeld für die Effekte des Stagepianos folgt einer neuen, übersichtlicheren Anordnung. Bis auf den Global Reverb steht jeder Effekt individuell pro Layer zur Verfügung. (Foto: Henrik Bruns)

Program-Ebene

Aufgestockt von 400 auf noch üppigere 576 Speicherplätze wurden die Programs. Ein jedes organisiert die vier Tastatursounds inklusive aller User-Einstellungen und Effekte. Geblieben ist es bei nur einem Splitpunkt, der weiterhin nicht frei gewählt werden darf, sondern für den jetzt neun feste Positionen (Nord Piano 5: sieben Splitpunkte) zur Verfügung stehen. Die jeweils aktive Splitpunkt-Position wird mittels einer grünen Status-LED im Gehäuse über der Tastatur angezeigt. Im Split lässt sich noch eine Crossfade-Funktion einstellen, die die Klänge bei gleichzeitigem Fade-out sanft ineinander übergehen lässt.

Eine wesentliche Neuerung sind die unabhängigen Effektketten pro Layer, mit denen auch schon das Nord Grand 2 aufwartet: Die beiden DSPs „Mod 1 und 2“ mit Typen wie Wah, Spin und Ring Modulator sowie Phaser, Flanger und Chorus, außerdem der Delay-Prozessor können individuell für jeden Tastatursound eingestellt werden, sich alternativ aber auch für mehrere Layer gruppieren lassen. Gleiches gilt beim Equalizer, dem Compressor und dem Amp-Effektblock. Der Reverb-Block bleibt ein globaler Effekt, der anteilig pro Layer zu regeln ist. Und EQ, Compressor sowie Delay kann man auf Wunsch ebenfalls wie eine globale Effekt-Unit nutzen.

Umfassende Echtzeit-Kontrolle

Eine Stärke des Nord Piano bleibt die Echtzeitregelung von Sound- und Effektparametern. Die Volume-Slider für die Parts sind dabei eine tolle Bereicherung. Pianos lassen sich auch schnell mittenbetonter machen, das Rhodes rasch in ein Dyno-Modell verwandeln. Die Velocity-Kurve ist ebenso flink zu wechseln wie die Oktavlage und vieles mehr. In der Synth-Sektion gibt es raschen Zugriff auf die wichtigsten Hüllkurvenparameter oder eine „Unison“-Funktion bringt ein Anfetten durch Doppler-Effekte. Was mir fehlt, ist ein Regler für die Filtermodulation. Außerdem hätte ich lieber ein Modulationwheel anstelle des vorhandenen Vibrato-Buttons.

Eine komfortable Einbindung extern über MIDI angesteuerter Sounds in die Programs (inklusive Tastaturzonenzuweisung, wie es sie am großen Bruder Nord Stage 4 gibt), ist am Nord Piano 6 leider nicht vorgesehen. Das Piano ist also nicht gerade ein ausgewiesenes Masterkeyboard. Das übliche MIDI-Systemmenü für Kanäle und Program Changes gibt es aber natürlich weiterhin.

Clavia Nord Piano 6 Stagepiano rear
Mit den Nord-Libraries lässt sich das Piano 6 via USB-to-Host und dem Sample Manager bestücken. Auf USB-to-Device wurde weiterhin verzichtet. (Foto: Henrik Bruns)

Fazit:

Das Nord Piano 6 glänzt gegenüber dem Vorgänger mit einer intuitiveren Benutzeroberfläche und mehr Effektwegen. Seine 576 Program-Speicherplätze sind schon fast zu viel des Guten. Ansonsten liegen die Verbesserungen wie etwa neun statt sieben Splitzonen und die Nord-Triple-Pedal-2-Unterstützung im Detail. Im Grunde ist das Piano 6 ein kompakteres Nord Grand 2 und dabei etwas preiswerter als der größere Bruder. Darüber hinaus bleibt das Nord Piano in der jüngsten Version ein ausgeklügeltes Spitzeninstrument für die Bühne. Aber das hat auch seinen Preis.

Pro

  • live-orientiertes Bedienkonzept
  • hohe Klangqualität
  • flexible Klangauswahl via Sample-Library
  • hochwertige Effekte pro Tastaturpart
  • üppige User-Speicher-Ausstattung
  • absolut robuste Verarbeitung
  • Nord Triple Pedal 2 im Lieferumfang

Contra

  • Velocity-Kurven reizen Tastaturdynamik nicht ganz aus
  • keine graduierte Gewichtung, keine „Ebony/Ivory“-Tasten
  • Modulation-Taster statt Wheel, kein Filter-Modulationsregler

Link zur Herstellerseite: Clavia Nord Piano 6

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