Spiel ohne Grenzen

Yello – Boris Blank & Dieter Meier im Interview

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Energie, Dramatik und große Gefühle, oftmals bis ins Absurde überzeichnet und gleichzeitig ultracool inszeniert – das ist Yello. Die selbsternannten, genialen Dilletanten präsentieren ihren dreizehnten Longplayer mit dem passenden Titel Toy.

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Was macht das Phänomen Yello aus? Ist es der eigenwillige Mix aus karikaturesk überzeichneter Dramatik und cooler Lässigkeit? Ist es der technisch perfekte Umgang mit dadaistisch geprägten Elementen? Wir treffen die beiden Schweizer in bester Gesprächslaune, diese Frage wollen oder können Boris Blank und Dieter Meier jedoch nicht beantworten. Die beiden sehen sich auch im vierten Jahrzehnt ihrer beeindruckenden Karriere noch immer als neugierige Spielkinder, die ganz einfach bunte Bauklötze zu immer neuen Gebilden zusammensetzen. Die Beschaffenheit der Spielzeuge hat sich freilich verändert – anstelle von Fairlight und EMU-Sampler-Stapeln ist das Laptop mit seiner grenzenlosen App- und Plug-in-Welt getreten. Das Ergebnis ist nach wie vor einhundert Prozent Yello: perfekt produziert, eklektisch, verrückt, verspielt – der Albumtitel Toy ist Programm.

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Boris, Dieter, was macht den Yello-Sound aus? Boris Blank:

Wirklich schwer zu sagen. Es gibt kein Konzept, über das ich mir Gedanken mache. Ich kann nach wie vor keine Noten lesen, beherrsche kein Instrument. Ich spiele einfach leidenschaftlich gerne mit Sounds und bin immer wieder neugierig wie ein Kind, was wohl als nächstes passieren könnte.

Wie hat sich dein Studio entwickelt?

Die frühere Hardware ist mittlerweile fast komplett verschwunden. Nur meinen ARP Odyssey und den Roland Vocoder behalte ich aus Nostalgie. Die defekten Fairlight-Festplatten sind momentan in Australien und werden dort ausgelesen. Da sind noch viele tolle Sounds drauf, die ich auch in Zukunft verwenden möchte. Seit einiger Zeit arbeite ich vollständig mit Software. Hauptsächlich mit N.I. Kontakt und Logic EXS, mit ein paar Synthie-Plugins sowie mit Logic Pro und Ableton Live.

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Im Gegensatz zur Fairlight-Ära sind heute nahezu alle Tools und Libraries für jedermann verfügbar und damit auch austauschbar. Wird Sounddesign dadurch langweilig?

Nicht für mich. Ich mache noch immer ausnahmslos alle Sounds und Loops selbst. Ob ich dabei mit einem Fairlight oder mit Plugins arbeite, ist für die Songs letztlich nicht entscheidend.

Wie sieht dein aktueller Workflow aus?

Grundlage ist seit jeher mein riesiger Sample-Pool. Ich nehme immer und überall alles auf, was irgendwie interessant klingen könnte und archiviere es zunächst sorgfältig. Für einen neuen Song greife ich auf diese Library zu und bediene mich dort je nach aktueller Stimmungslage. Ich nutze zunächst wenige Samples, bearbeite sie und bastele daraus ein Song-Grundgerüst. Alle weiteren Elemente werden später nach und nach ergänzt.

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Du arbeitest gleichzeitig an bis zu sechzig Songs?

Das ist richtig. Die Songs entstehen manchmal über Jahre hinweg parallel. Ich vergleiche diese Arbeitsweise mit einem Maler, der mehrere Staffeleien in seinem Atelier stehen hat und je nach Stimmung mal an einem, mal an einem anderen Bild weiterarbeitet.

Birgt das nicht die Gefahr der Austauschbarkeit?

Die Austauschbarkeit von Sounds und Song-Elementen ist durchaus gewollt. Es gibt nicht den Yello-Song, an dem zu einer bestimmten Zeit von A bis Z gewerkelt wird – keine Idee, die stringent durchgezogen wird. Ich spiele stattdessen mit vielen Bausteinen, die ich nach Belieben verändere, austausche und umarrangiere. So forme ich parallel vollkommen unterschiedliche Tracks oder Songs. Toy Square habe ich nach fünfundzwanzig Jahren zufällig wiederentdeckt und für das neue Album reanimiert und fertig gestellt.

Beats und rhythmische Elemente klingen immer ebenso tight wie organisch. Wie erreichst du das?

Meist spiele ich Samples live am Keyboard ein. Ich bin da allerdings noch immer ein Dilettant und verwende deshalb oftmals Quantisierungen. Dann bearbeite ich die Einspielungen im Editor sorgfältig nach. Bis ich damit zufrieden bin und das Gefühl habe, es klingt sowohl tight als auch lebendig, kann etwas Zeit vergehen.

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Wie gestaltest du den Sound der Songs?

Programmierung, Arrangement, Mix und Mastering sind gar nicht klar voneinander zu trennen. Wenn ich Samples bearbeite und forme, optimiere ich meist auch gleichzeitig deren Sound. Später passiert ähnliches mit Loops, und Tracks. Arrangement und Mix sind mehr oder weniger ein und dasselbe.

Wie wichtig ist das Mastering?

Ein Mastering im klassischen Sinne erübrigt sich meistens. In seiner fortgeschrittenen Produktionsphase klingt ein Song vielfach schon so wie er klingen soll. Ich habe zu Hause sehr gute Lautsprecher und mittlerweile genügend Erfahrung, um das Klangbild zu beurteilen und die kritischen Frequenzen hören zu können. Zudem mag ich Dynamik im Sound und komprimiere deshalb nur sehr leicht und vorsichtig. Erst am Schluss hole ich mir gerne noch etwas externe Hilfe von Ursli Weber (Betreiber der Powerplay Studios in der Nähe von Zürich, Anm.d.Red.). Er kann den Sound mit frischen Ohren beurteilen.

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Welche Mastering-Tools verwendest du?

Ich verwende dazu Plugins von HOFA.

Interessiert dich der aktuelle Modular-Synthesizer-Boom?

Ich finde es toll, dass sich wieder so viele Leute mit dieser Art von Instrument beschäftigen. Mir selbst ist das jedoch zu kompliziert und nicht spontan genug. Ein ARP 2600 war für mich bezüglich Modular Synthesizer schon das höchste der Gefühle.

Wie bearbeitest du Dieters Vocals?

Mit langen, langen Effektketten (lacht). Nein, das würde Dieter gar nicht mögen. Es gibt da kaum Nachbearbeitung – keine krassen Effekte oder extremes Pitch-Shifting. Ein wenig Kompression reicht meist aus. Deessing mache ich von Hand via Automation.

Dieter, deine Vocals werden erst zu einem sehr späten Zeitpunkt Bestandteile von weitgehend fertig gestellten Tracks. Wie fühlt sich das an? Mit welchen Erwartungen gehst du zu Boris ins Studio? Dieter Meier:

Oh, Boris’ neue Songs zum ersten Mal zu hören, ist wunderbar! Das ist wie ein Weihnachtspaket aufzumachen – totale, kindliche Überraschung.

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Es könnte doch passieren, dass „es“ einfach mal nicht passt?

Möglicherweise stellen wir fest, dass meine Stimme für einen bestimmten Song nicht perfekt geeignet ist. Dann überlegen wir uns zusammen einen Gastsänger. Tatsächlich ist es aber noch nie vorgekommen, dass ich mit einem Songs nichts hätte anfangen können. Ich kann mich immer in ein, von Boris entworfenes „Bühnenbild“ hineinfinden und dort agieren. Gegebenenfalls macht Boris ein wenig Platz für mich, indem er das Arrangement leicht verändert. Boris ist der Regisseur – er erschafft Räume, in denen ich mich als Figur erfinden und entsprechend agieren kann. Im Idealfall entstehen dabei magische Momente.

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Toy ist Yellos dreizehnter Longplayer. Auf vierzehn Songs (bzw. siebzehn auf der Deluxe-CD) beeindruckt das Züricher Duo ein weiteres mal mit seinem ebenso perfekt wie lässig dargereichten Patchwork aus dramatischen Sound-Landschaften, südamerikanischem Drive und kühler Electro-Präzision.

www.yello.com

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