Wellenvorm: Uwe Rottluff im Interview
Wellenvorm ist ein Elektro-Projekt des Chemnitzer Künstlers Uwe Rottluff, das er 2012 gründete. Inspiriert und beeindruckt von der Musik der Berliner Schule, machte er sich mit Stepsequenzern sowie analogen und digitalen Synthesizer auf den Weg zu seiner eigenen Klanglandschaft.
Hinter jedem seiner Alben steckt ein Konzept, eine Idee und als Kreativzentrale das Fingerboard Continuum von Haken Audio. Live tritt Uwe immer an außergewöhnlichen Orten auf, wie beispielsweise der Zeche Westfalen, mit einer entsprechenden Lichtinstallation, die kompatibel zu seiner Musik ist.
Uwe, dein Live-Programm ist für mich eine Symbiose aus elektronischer Musik, Licht und der Location. Inwieweit haben Licht und Location einen Einfluss auf deine Musik?
Die Komponenten Licht und Location haben keinen Einfluss auf meine Musik, sondern eher auf das Publikum. Die Musik entsteht in meinem Studio, wo ich mir überlege, was ich vertonen und damit erreichen möchte. Meine Musik ist live fast dreidimensional, und die Leute entdecken auch beim Hören der CD immer wieder neue Soundelemente. Man hört auch beim zweiten oder dritten Mal neue Dinge, und das ist auch genau das, was ich will.
Beim Konzert fragen sich die Leute dann oft: Was war das denn jetzt für ein Klang, wo kam der her? Bei einem meiner Konzerte hatten wir auch eine Lasershow dabei, und diese Kombination aus Musik, Licht und Location war schon fast ein eigenes Kunstwerk.
Lässt du dich live von der Atmosphäre inspirieren?
Klar! Die Instrumente, die auf der Bühne stehen, spiele ich auch, und da lass ich mich gerne inspirieren. Gerade bei den GRP-Synthesizern, die keinen Speicher haben, da wird live dran rumgeschraubt und gedreht. Auf dem Continuum spiele ich oft auch Solo-Passagen, die variieren sowohl tonal als auch in den Sounds.
Dadurch, dass Wellenvorm ein Ein-Mann-Projekt ist, laufen verschiedene Dinge trotzdem als Backup über Ableton mit.
Wird das Licht live an die Musik angepasst?
Ich habe einen Licht-Designer, der sich von der Musik und dem Ort inspirieren lässt. Ich lasse ihm da Freiraum, den Raum so zu beleuchten und zu gestalten, wie er es für richtig empfindet. Für das Konzert im Versteinerten Wald in Chemnitz wurde für die Lasershow sogar gemeinsam mit den Technikern vor Ort ein Konzept erstellt.
Welche Geräte sind prägend für deinen Sound?
Da steht an erster Stelle das Continuum Fingerboard von Haken Audio, ein digitaler Synthesizer den man über einen Rechner steuern kann. Das Fingerboard des Synths hat keine Tasten, sondern eine Neopren-Oberfläche, über die man mit den Fingern gleitet. Außerdem arbeitet es dreidimensional. Man kann also nicht nur nach links, rechts oben und unten gleiten, sondern auch nach unten drücken und dadurch mit dem Finger den Klang formen. Das ist so ähnlich wie bei einem Cello, man kann also beispielsweise auch ein Vibrato erzeugen. Es ist also eher einem klassischen Instrument nachempfunden. Das Instrument erfordert wirklich sehr viel Übung, jede kleine Bewegung mit dem Finger erzeugt eine Verstimmung des Tons. Das ist ähnlich wie bei einer Geige. In meiner Musik ist sehr viel Fingerboard drin, was ich aber stark mit anderen Sounds verwebe, sodass man es schwer raushören oder orten kann.
Ich nutze auch ein Modularsystem von Synthwerk, das immer weiterwächst. Im Modular-Bereich entdeckt man immer wieder neue Dinge.
Die beiden monofonen GRP-Synthesizer nutze ich auch häufig. Ich wurde mal gefragt, ob ich meine Sounds live nicht auch mit kleineren Synths machen könnte. Da muss ich sagen: Ja, aber die haben durch ihre Größe eine schöne Haptik und sehen live einfach cool und sehr elektronisch aus. (lacht) Den einen triggere ich live über einen meiner beiden Accelerator von Radikal Technologies per MIDI an, den anderen nutze ich, um Effekte reinzudrehen.
Wir haben jetzt über die Live-Umsetzung deiner Stücke gesprochen. Wie sieht denn ihre Entstehungsgeschichte aus?
Ich beschreibe es ganz gerne wie beim Malen eines Bildes. Ich nehme einen Pinselstrich, habe also eine musikalische Idee, weiß aber noch nicht, wie es weitergeht oder aufhört. Ich fange an, ein Bild zu malen, und entwickle es Stück für Stück weiter. Ich halte mich an keine Songstrukturen mehr, es gibt also keine Strophen und auch keinen Refrain. Natürlich habe ich auch Themen, die sich wiederholen, um einen dramaturgischen Bogen zu spannen. Um die Songs zu einer Einheit werden zu lassen, greife ich auch oft die Themen aus dem vorangegangenen Song auf. Dann klingt es für mich wie aus einem Guss.
Die Entwicklung der Songs kann recht lange dauern. Manchmal habe ich eine Idee für einen richtig guten Anfang, komme dann aber nicht weiter. Irgendwann kommt dann eine Eingebung, wie es weitergeht, und so entwickle ich die Songs immer weiter, bis für mich das Bild komplett geworden ist. Ich habe auch keine Songs, es sind eher Musikstücke, die oft als Soundtrack bezeichnet werden. Das kommt wahrscheinlich daher, da ich mich viel an der Klassik orientiere.
In meinen Sessions arbeite ich auch wenig in MIDI, da ich die meisten Parts selbst spiele und direkt aufnehme. Wenn man mit vielen MIDI-Spuren arbeitet, ist eine gewisse Statik in der Musik, eine Korrektheit. Durch die menschliche, etwas ungenauere Spielweise entsteht im Kontext ein gewisser Fluss, der einfach besser klingt.
Wie sieht es mit Mixing und Mastering deiner Songs aus?
Ich mische selbst in Ableton und hauptsächlich meinen UAD-Plug-ins. Mastering ist für mich ein wichtiger Punkt. Mein zweites Album habe ich nochmal über Bandmaschinen von Sven Geiger in den Neckarklangwerken mastern lassen. Dadurch ist eine gewisse Rauheit entstanden, was mir wichtig war. Ich habe allerdings keine Vinyl-Platten pressen lassen. Viele gehen hin und pressen ihren Mix, so wie er ist, auf Vinl. Das ist für mich totaler Quatsch, weil Vinyl eine ganz andere Dynamik als eine CD besitzt, und die Anforderungen an einen Mix auch ganze andere sind.
Pianodraht: Zum Ende des Gesprächs erzählt mir Uwe begeistert: „Eines ist noch wichtig: Ich habe seit dem Wochenende ein neues Instrument, was ich auch live verwenden werde!“ Dabei handelt es sich um ein Trautonium, das in den 30ern entwickelt wurde und welches er jetzt auch in sein Set als „Klangquelle“ und „Hingucker“ integrieren möchte.
An seinem Enthusiasmus und der Begeisterung zum Sound-Tüfteln merkt man, welche Leidenschaft hinter seinen Wellenvormen steht.
Uwe ist nicht nur ein großartiger Musiker, er ist auch ein sehr inspirierender Mensch für uns SYNTH-WERKer…