Vintage-Experten über die Schulter geschaut
Vintage Keyboards sind Kult, und mit den Jahren hat jedes Vintage-Instrument seine speziellen Eigenschaften mit auf den Weg bekommen, die es individuell machen. Rhodes, Wurlitzer, Clavinet − jedes einzelne Instrument ein Unikat. Gut beraten ist allerdings, wer jemanden hat, der sich damit auskennt …
Schon der Kauf von Vintage-Geräten ist Vertrauenssache und kann gehörig ins Geld gehen. Oft jedoch sind die guten alten Stücke dann trotz ihres hohen Preises in einem Zustand, der wenig Freude bereitet: Tasten bleiben hängen, manche Töne spielen gar nicht mehr oder wirken matt, hier und da schnarrt irgendwas, und der Tolex-Bezug löst sich schmierig vom Gehäuse ab, Einzelteile fehlen … Ganz klar: Ein solches Instrument ist meilenweit davon entfernt, dass wir von bestimmten Ausdrucksmöglichkeiten und den persönlichen Präferenzen beim Klang- und Spielverhalten reden könnten. Man hat nun entweder die Fertigkeiten, um sich selber um die Reparatur zu kümmern, oder konsultiert einen Experten.
Hierzulande vertrauen Liebhaber und Musiker ihre Vintage-Schätzchen den Werkstätten von Jens Lüpke (Taste und Technik) oder Tom Wauch (Electric Piano Service) an. Beide sind erfahrene Techniker, die ihre Instrumente bis ins kleinste Detail kennen, gleichzeitig aber auch Musiker, die Pianos mit entsprechend ästhetischer Perspektive intonieren können.
Das Hobby zum Beruf gemacht.
Was als kleine Nebenbeschäftigung begann, ist für beide längst zum Fulltime-Job geworden. Die Initialzündung war bei beiden die Begeisterung für den Electric Jazz der 70er. Es ist aber vor allem auf die damals arg schwankende Fertigungsqualität bei den Rhodes-Pianos zurückzuführen, dass Jens Lüpke wie auch Tom Wauch das Tuning für sich entdeckten. Jens Lüpke: »Als ich mein erstes Rhodes bekam, war ich natürlich stolz, hatte aber recht schnell den Eindruck, dass in dem Instrument mehr stecken muss. Also habe ich angefangen, mit den Tine- und Pickup-Positionen zu experimentieren usw.« Tom Wauch weiß die Geschichte fortzusetzen: »Irgendwann kam dann ein Musikerkollege zu mir, der sein Rhodes auch intoniert haben wollte. Dann kamen auch kleine Reparaturen dazu, und so hat sich das Ganze immer weiter entwickelt.«
Tom Wauch ist gelernter Tischler, hat Musik studiert und lange im Klavierbau gearbeitet − die erlernten Fähigkeiten konnte er natürlich bestens bei der Reparatur und Intonation des geliebten E-Pianos anwenden. »Man lernt dort einfach, sehr exakt zu arbeiten, was der Arbeit am Rhodes und vor allem beim Wurlitzer zugutekommt. Ich repariere beide Instrumente gerne, wobei mich das Wurlitzer aber technisch betrachtet mehr herausfordert, da es mechanisch komplexer ist. Seien wir ehrlich«, fährt er lächelnd fort, »die Taste beim Rhodes ist nicht mehr als eine Wippe, die einen Hammer gegen irgendwas schleudert– primitiver geht’s nicht. Aber es ist halt dieses Spielgefühl und der damit verbundene Sound. Und es sind ja letztendlich die technischen Unzulänglichkeiten, die dieses Piano so spannend machen − es ist das Leben in dem Sound.«
Über Seele und Klangpotenzial des Rhodes.
So wie Tom Wauch es beschreibt, sprechen die meisten Musiker von einem fast innerlichen Bezug zu ihrem Instrument; insbesondere im Vergleich zu digitalen Instrumenten wird oft gesagt, ein echtes Rhodes hätte eine Seele. Eindeutig feststellen kann ich beim Betreten der Werkstätten zumindest schon mal so viel: Es hat einen Geruch! In jeder Werkstatt warteten etliche Instrumente darauf, gewartet zu werden. Kein Wunder, dass die Luft voll ist mit ihrem typischen Holzgeruch.
Man entdeckt quasi in jeder Ecke Instrumente oder Einzelteile davon, die Jens und Tom sammeln und horten wie Gold. Wie wichtig die alten Einzelteile sind, verdeutlicht Tom Wauch am Beispiel eines alten Wurlitzer A-140B. »Es hat einen sehr eigenen Sound, den du aus den üblichen A-200-Modellen nicht bekommen kannst. Das 140er klingt viel weicher und etwas hohler und holziger auf eine Art − sehr gut für Jazz! Es ist unmöglich, ein 200er so zu modifizieren, dass es den Klang dieses 140ers bekommt, was an der Verstärkerschaltung liegt. Und die verbauten Kondensatoren und Widerstände sind heute nicht mehr zu bekommen.«
Jens sagt zur Frage nach der Seele des Rhodes: »Es ist zum einen der Materialmix, der das ausmacht, aber das ganz große Thema ist das taktile Feedback, das du beim Spielen hast. Wie bei einem Flügel hast du es mit einem richtigen Instrument zu tun, wo du die ganzen mechanischen Vorgänge und die Vibration in den Fingerspitzen zu spüren bekommst. Das stellt eine emotionale Bindung zu dem Ding her.«
Für viele ihrer Kunden liegt der Soul des Rhodes natürlich auch im Sound − ein weites Feld. Jens bestätigt, dass es den Rhodes-Sound nicht gibt, zu groß sind die Unterschiede, bedingt durch das Tuning oder die technischen Voraussetzungen des jeweiligen Instruments. Mit entsprechend unterschiedlichen Klangvorstellungen treten die Kunden auch an Jens heran, wenn es um das Intonieren des Instruments geht. »Da hat jeder seine Vorstellungen«, erklärt Jens. »Aus dem Grund ist es mir auch am liebsten, wenn die Leute herkommen. Ich muss herausfinden, was sie wollen, und vor allem, ob das Instrument das überhaupt hergibt.«
Damit spricht Jens den o. g. Materialmix an, denn letztendlich entscheidet dieser darüber, in welchem Rahmen man sich klanglich bewegen kann. »Gerade beim Mark I variiert das unter Umständen sehr stark. Es gibt fünf verschiedene Tastaturen und sechs Sorten Schwingstäbe, die zum Teil auch nicht mechanisch untereinander kompatibel sind. Die verschiedenen Kombinationen der Komponenten führen dann schließlich dazu, dass ein Instrument entweder ziemlich geil klingt oder eben nicht.«
Ganz wie Jens klärt auch Tom darüber auf, dass sie bei ihren Aufträgen immer erörtern, welches klangliche Potenzial die Instrumente durch die mechanischen Gegebenheiten vorgeben, um dann dieses durch entsprechende Intonation herauszuarbeiten.
Eine Frage des Amps.
Eine nicht unwesentliche Komponente des Sounds ist die Art der Verstärkung. Hier sind besonders zwei Amps beliebt: der Röhrenverstärker Fender Twin Reverb und der Transistorverstärker JC-120 Jazz Chorus, den Roland gerade anlässlich des 40-jährigen Jubiläums wieder aufgelegt hat. Kein Wunder, dass die beiden Verstärker auf Tom Wauchs Arbeitstisch thronen. Jens Lüpke schildert auch, wie sehr Kunden immer wieder überrascht sind, sobald sie ihr Rhodes in seiner Werkstatt zum ersten Mal über einen Twin hören. Dies inspirierte ihn, einen eigenen Rhodes-Preamp zu entwickeln. »Einen Twin will man ja nicht immer zu seinen Gigs mitschleppen … das Rhodes ist ja schon schwer genug. Der ›TR-amp‹ ist entstanden, weil ich eine handlichere Möglichkeit gesucht habe.«
Vintage Keyboard Studio.
Neben Restauration, Reparaturen und Intonation der alten Keyboards will Tom Wauch Musikern bald auch die Möglichkeit bieten, bei ihm Aufnahmen mit seinen Instrumenten zu machen. Der Raum, in dem sich seine persönliche Sammlung befindet, soll schon bald die technischen Voraussetzungen erfüllen. Auch für Musiker, die originale Vintage-Instrumente bereits besitzen, dürfte dies eine äußerst interessante Gelegenheit sein, denn Toms Instrumente sind absolute Raritäten. Sein Sparkling-Top Suitcase Mark One sieht schon klasse aus, und wenn man erst einmal darauf gespielt hat, springt sofort der Funke über. Es gibt auch andere Rhodes-Modelle sowie Hohner Clavinet D6, verschiedene Wurlitzer und auch eine Hammond nebst Leslie, alte und seltene Röhrenverstärker, Röhren-Preamps von Reußenzehn, Vintage-Effekte, Synthis und sogar seltene Philicorda-Modelle − das reinste Vintage-Eldorado. Dabei sorgt Tom Wauch nicht nur für den guten technischen Zustand der Instrumente, er kann sie darüber hinaus sehr geschmackvoll spielen.
Guter Service braucht seine Zeit.
Egal ob Intonation oder Restauration − es ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich, in welchem Umfang Arbeiten durchgeführt werden müssen. Man darf davon ausgehen, dass Jens Lüpke und Tom Wauch ihre Arbeit mit viel Liebe zum Detail angehen und dass das Instrument ihre Werkstätten in Top-Zustand wieder verlassen wird. Angesichts der aktuellen Auftragslage muss man einiges an Vorlaufzeit einplanen, »allerdings springen wir auch schon mal ein, wenn’s brenzlig wird«, versichert uns Tom Wauch.
ONLINE
Weitere Informationen findest du auf unserer Website sowie den Homepages von Jens Lüpke und Tom Wauch.