Mr. Superbooth

Stecken, Schrauben, Spielen in Schneiders Laden

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Der moderne Modular-Synthesizer ist endgültig im Mainstream angekommen − und jetzt? Andreas Schneider − Visionär, Vorreiter und Experte in Sachen Modularsystem − philosophiert über Spielspaß, Nachhaltigkeit und die Zukunft des modularen Synthesizers.

Herr Schneider

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Wände voller Schalter, Regler, Lämpchen und Patchkabel − Schneiders Laden ist zweifellos das Paradies für jeden (Modular-)Synthesizer-Fan. Mitten im traditionsreichsten Berliner Partybezirk Kreuzberg gelegen, ist Schneiders Laden nicht nur die Bezugsquelle für Modulares, er ist eine Institution, ein Mekka für zahllose Eurorack-Weirdos. Auch illustre Persönlichkeiten wie etwa Mute-Chef Daniel Miller oder die Techno-Wizzards Ricardo Villalobos und Ritchie Hawtin kann man hier gelegentlich antreffen. Während unseres Besuchs trafen wir zufällig Cristian Vogel (Super Collider), der − zum ersten Mal in Schneidersladen − “nur kurz ein paar Module” antesten wollte.

Der Shop des Wahlberliners und Ex-Musikmanagers Andreas Schneider besteht seit fast 15 Jahren. Aktuell beherbergt er über 50 Modul-Hersteller aus aller Welt − viele davon sind Klein- und Kleinstbetriebe. Über 500 Module sind im Shop antestbereit, viele weitere liegen im Lager oder sind bestellt. Zudem gibt es die Vertriebsfirma Alex4. Sie versorgt andere europäische Händler mit einer Auswahl des Angebots. Dritter Eckpunkt ist Andreas Schneider in eigner Person. Als “Schneiders Buero” organisiert er Events, wie etwa die legendäre Superbooth auf der Frankfurter Musikmesse. Seine Unternehmen zählen mittlerweile 15 fest angestellte Mitarbeiter. Die ungebrochene Attraktivität des Modularsektors straft nun auch den letzten Skeptiker Lügen − selbst Roland setzt jetzt angeblich auf Eurorack-Module. Wir möchten von Andreas Schneider mehr über den Geist in der modularen Maschine wissen.

Rack Schneidersbüro

Andreas, was macht modulare Synthesizer so interessant?

Ein modularer Synthesizer macht Klangerzeugung im wahrsten Sinne erfassbar. Er ist ein Baukasten, der zum kreativen Spiel mit Strom und Sound einlädt. Die Leute wollen immer mehr eine spannende Alternative zu ihren Computer-Tools. Damit müssen sie sich sowieso den ganzen Tag mehr oder weniger freiwillig beschäftigen. Zudem erfüllt der modulare Synthesizer den weit verbreiteten Wunsch nach Individualität und Exklusivität: Man kann sich sein eigenes Instrument nach Lust, Laune und Geldbeutel zusammenstellen, ohne dazu das Löten erlernen zu müssen.

Schneiders Laden Rack

Der Modular-Markt ist mittlerweile auch für Experten kaum noch zu überblicken. Wie siehst du deine Rolle in diesem Umfeld?

Meine Mitarbeiter und ich sind die Trüffelschweine, die versuchen, wirklich interessante Produkte aufzuspüren. Die meisten Mitarbeiter sind selbst Musiker und so weit in der Materie zu Hause, dass sie kompetent beraten und herausfinden können, mit welchen Modulen ein Kunde glücklich wird.

Wichtig ist zudem nicht nur das Produkt selbst, sondern auch der Hersteller, der Mensch hinter dem Produkt. Wie sieht dessen Konzept aus? Schafft er es überhaupt, ein marktfähiges Produkt zu fertigen und zuverlässig zu liefern? Das sind ja echte Künstler im Umgang mit Schaltplänen und Lötkolben, aber sie sind manchmal einfach nicht in der Lage, ihre großartigen Kreationen professionell zu vermarkten. Ich sehe mich deshalb nach wie vor in der Rolle des Band Managers: Ich bin Herstellern bei ihrer Selbstdarstellung behilflich, bringe sie mit ihren potenziellen Kunden zusammen und versuche, dafür zu sorgen, dass möglichst alle voneinander profitieren. Am besten funktioniert das, wenn alle Beteiligten wirklich physisch aufeinander treffen.

Nicht zuletzt deshalb gibt es Schneiders Laden sowie immer wieder die Superbooth auf der Frankfurter Musikmesse und − in kleinerem Rahmen − auch auf der NAMM-Show. Da können sich Hersteller und Kunden gegenseitig beschnuppern und alle miteinander die Produkte kennenlernen. Den Online-Handel sehe ich dagegen eher als notwendiges Übel.

Schneiders Laden Kabelsalat

Wohin entwickelt sich der Modular-Synthesizer?

In technischer Hinsicht sind Effekt-Module gerade sehr gefragt. Mit einem Modularsystem zunächst externe Klänge zu bearbeiten ist ein interessantes und wachsendes Betätigungsfeld, vor allem auch für Einsteiger. Zudem springen etablierte Hersteller auf den Zug auf und pflanzen so ziemlich alles, was schon in anderer Verpackung existiert oder existiert hat, in ein Eurorack-Modul.

Das ist nicht unbedingt immer aufregend. Hat sich das Potenzial schon erschöpft?

Der großen Nachfrage in den vergangenen Jahren verdanken wir jetzt eine gewisse Stabilität des Marktes. Deshalb wollen natürlich alle aufspringen und mitmachen. Anstatt aber billigen Kram zu verkaufen, der nur ein paar Monate lang interessant ist und dann weggeworfen wird, weil es das gleiche Teil jetzt auch mit blauen Knöppen gibt, möchte ich gerne ein Bewusstsein für mehr Wertigkeit und Kompetenz in der Instrumentenwelt schaffen. Langlebige und nachhaltig hergestellte Produkte lassen sich leider nicht für ein paar Euro haben. Wer aber für sein Instrument richtig ackern muss, wird es nicht nach ein paar Monaten wieder wegschmeißen. Er wird es stattdessen − hoffentlich − wertschätzen und diese Wertschätzung an den Hersteller zurückgeben.

Somit sehe ich nach wie vor das Potenzial in den kleinen und innovativen Herstellern, die hochwertige und besondere Produkte generieren. Sie können damit den zunehmend langweilig werdenden Mainstream Markt mit seinem ewigen Schneller, Höher, Weiter und Billiger unterlaufen. Ein gutes Beispiel ist die allseits bekannte Sherman Filterbank: Die gibt es unverändert seit über 15 Jahren − und sie findet immer noch Kunden! Wertige Produkte, langfristige Produktzyklen und schließlich ein geregeltes Recycling sind Dinge, die auch in unserer Branche wichtig und vor allem machbar sind.

Gleichzeitig möchte ich einer wachsenden Monopolisierung entgegentreten. Was wäre, wenn jeder Hersteller nur noch den Direktverkauf an wenige Großfilialisten pflegen würde? Kleinsthersteller würden dabei vollkommen untergehen und wenige Händler das Angebot bestimmen. Mit meinem Vertrieb Alex4 biete ich vor allem kleinen Herstellern eine Alternative zum Direktverkauf und ermögliche dadurch den Endkunden langfristig eine breite Auswahlmöglichkeit − inklusive vieler spannender, eher schwer vermittelbarer “Freak-Produkte”. Und genau die machen ja den Reiz eines Modularsystems aus.

078003

Was sind momentan deine persönlichen Modular Favoriten?

Ich freue mich über den 4Vox von Flame, ein vierfacher Wavetable-Oszillator mit “analoger” Bedienung und viel Charme. Er kann auch über MIDI oder CV einen polyfonen Klang generieren. Toll, aber bisher nicht fürs Eurorack gemacht, sind Tools, mit denen man kreativ den Groove von Rhythmusmaschinen verändern kann, indem man MIDIoder Analog-Clocks teilt und verzögert bzw. gegeneinander verschiebt. Da steht vor allem die “Four to the floor”-Fraktion sehr drauf. Besonders interessant sind hier für mich persönlich der ACME-4 von SND und Koma Electronics’ RH301.

Schneiders Laden

MIDI scheint im auch im Modularsystem noch immer eine Rolle zu spielen?

Unbedingt! Da mittlerweile viele Einspiel-Keyboards nur noch eine USB-Buchse besitzen, sind zudem USBto-MIDI-Konverter sehr gefragt. Kenton ist bezüglich MIDI-Produkten um das Modularsystem noch immer die Nummer 1.

 

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Danke Dir Andreas Schneider, dass du den “Bandmanager” machst für ein etwas “nischigeres” Gefilde! Der Gegenpol zu den etablierten Grossherstellern ist unbedingt erforderlich!. Ich würde Deinen Kommentar “Langlebige und nachhaltig hergestellte Produkte……Wertschätzung an den Hersteller zurückgeben.” ergänzen mit: wenn’s was kostet und dazu “Charme” hat, man es sicherlich weniger schnell “wegschmeissen” sondern vielmehr bis zum Maximum ausreizen und nicht wie ein manchmal schon fast Seelenloses- dazu teilw. noch geckracktes (k) plugin nicht mehr mal ind der DAW öffnen… nochmals Danke! J.

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