Erste strombetriebene Rhythmusmaschine der Welt

Rhythmen von Theremins Lochscheibe

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(Bild: Matthias Fuchs, Andrey Smirnov, Katy Otto/HKW)

Das Rhythmicon von Lew Termen, der seinen Namen nach seiner Einwanderung in die U.S.A. in Leon Theremin änderte, zählt zu den (fast) verschwundenen Schätzen der Instrumentengeschichte. Immerhin gilt das Rhythmicon als erste strombetriebene Rhythmusmaschine der Welt.

Der geniale russische Physiker und Erfinder Leon Theremin (1896 − 1993) ist hauptsächlich als Entwickler des Theremins bekannt − des ersten elektronischen Musikinstruments überhaupt. Seine zahlreichen weiteren Erfindungen sind der Nachwelt dagegen mehr oder weniger verborgen geblieben. Dazu zählt auch das Rhythmicon oder Polyrhythmophon. Es gilt − zumindest im weiteren Sinne − als erste strombetriebene Rhythmusmaschine.

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Das Rhythmicon wurde 1930 vom US-amerikanischen Komponisten Henry Cowell bei dem seinerzeit in den USA lebenden Leon Theremin in Auftrag gegeben. Cowell suchte nach Möglichkeiten, in seinen Kompositionen einen direkten Bezug zwischen Harmonik (Obertonreihe) und Rhythmik herzustellen. Entsprechende Überlegungen setzte er in seinem 1929 komponierten Konzert für Piano und Orchester um. Die daraus resultierenden polyrhythmischen Phrasen waren jedoch für ein Orchester nicht spielbar. So konzipierte Cowell eine entsprechende Maschine − das Rhythmicon. Die musiktheoretischen Grundlagen zu dessen Bau steuerte der ebenfalls in den USA lebende, russische Komponist und Musikwissenschaftler Joseph Schillinger bei, die technische Umsetzung oblag Leon Theremin. Cowell komponierte zwar noch ein weiteres Werk für Rhythmicon und Orchester (Rhythmicana, 1931), aber laut Aussage des Moskauer Multimediakünstlers, Musikwissenschaftlers und Theremin-Experten Andrey Smirnov kam das Instrument ebenso wie ein weiteres, für den russischen Dirigenten Nicolas Slominsky gebautes Exemplar nie wirklich zum Einsatz und geriet bald in Vergessenheit. Immerhin überlebte Letzteres die Jahrzehnte und fand seinen Platz im US-amerikanischen Smithsonian Museum.

Im Jahre 1965 baute Andrey Smirnov nach intensiver und bisweilen schwieriger Recherche ein weiteres Rhythmicon. Er nutzt es aktuell u. a. für Performances, Studienzwecke und Vorträge.

Zentrale Bestandteile des Rhythmicons sind zwei rotierende Metallscheiben mit konzentrisch angeordneten Bohrungen, die mehrere Lichtstrahlen zwischen Glühlampen und Fotowiderständen unterbrechen. Eine der Scheiben dient der Klangerzeugung. Sie rotiert mit hoher Geschwindigkeit und erzeugt durch die stetige Unterbrechung der Lichtstrahlen Pulswellen für einen Grundton und 14 Obertöne. Die zweite Scheibe rotiert langsamer (33 U/Min; Grammophon-Motor) und »triggert« bestimmte Obertöne: Drückt man die tiefste Taste, wird mit jeder Umdrehung der »Trigger«-Scheibe ein kurz andauernder Grundton erzeugt. Mit den aufsteigenden Tasten erklingt der jeweils folgende Oberton − pro Scheibendrehung jeweils einmal mehr. Spielt man also das »Cis«, erklingt der erste Oberton zweimal in der gegebenen Zeitspanne (entsprechend einer Halben Note), beim »D« der zweite Oberton dreimal (Triole) usw.

Das Innenleben des Rhythmicon: Man erkennt die zwei Lochscheiben und die davor angebrachten Lichtquellen/Fotowiderstände sowie die Antriebsmotoren.
Die beiden Lochscheiben für Rhythmus- ...
... und Klangerzeugung .
Die Lampen/Fotowiderstände für die Erzeugung der 16 Obertöne
Andrey Smirnovs Rhythmicon-Software auf MaxMSP-Basis
Komponist Joseph Schillinger am Rhythmicon in den 1930er-Jahren
Andrey Smirnov

Beim Spiel der höheren Tasten entstehen somit zunehmend dichtere Tonfolgen, die alle im festen rhythmischen und tonalen Bezug zueinander stehen. Durch beliebige Kombination der Tasten lassen sich sehr vielschichtige und überraschend »groovige« Klanggebilde erzeugen. Auch der Sound ist nicht minder überraschend: Ordentlich verstärkt, liefert das Rhythmicon vor allem in tiefen Lagen einen sehr kraftvollen, Bläser-ähnlichen Klang mit sehr angenehmen Charakter.

Andrey Smirnovs Instrument verfügt zudem über eine zweikanalige Tonabnahme und einen Regler, der die Drehgeschwindigkeit und damit Tempo und Tonhöhe variiert. Mit seinem Virtual Rhythmicon hat Andrey Smirnov mithilfe einer selbstentwickelten, auf MaxMSP basierenden Software die Möglichkeiten des elektromechanischen Pattern-Instruments zudem noch einmal deutlich erweitert. So wurde die Anzahl der Obertöne und rhythmischen Patterns nicht nur deutlich erhöht, es stehen auch Obertonfolgen zur Verfügung, die eher unharmonischen und chaotischen Klängen entliehen sind. Ein solches System kommt auch bei Andrey Smirnovs aktuellen Konzertdarbietungen zum Einsatz. Der Computer dient dabei ausschließlich der Erweiterung des Rhythmicon − die Klänge belässt Andrey Smirnov authentisch.

 

Internet: asmir.info

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