„Musikvertrieb sollte transparent und flexibel sein“

Plattenfirma To Go – Digitalvertrieb und Zugang zum Tonträgermarkt

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Plattenfirma To Go Website
Die „Plattenfirma To Go“ bietet digitalen und physischen Musikvertrieb sowie Beratung an (Bild: Plattenfirma To Go)

Die „Plattenfirma To Go“ bietet Vertriebsdienstleistungen für Bands ohne Plattenvertrag. Dazu zählt die Bestückung von Streaming- und Download-Portalen sowie der physische Vertrieb von Tonträgern. Zusätzlich ist Beratung für passende Veröffentlichungsstrategien möglich. Im Gegensatz zu dem Vorurteil, mit Streaming lasse sich kein Geld verdienen, sehen sie in der Technologie durchaus Chancen für Musiker.

„Wir kennen alle unsere Künstlerinnen und Künstler recht gut. Beratung spielt für uns eine große Rolle: Sich nicht nur einloggen und seine Sachen releasen – zumindest am Anfang steht ein Austausch“, erzählt Thomas Mühlhoff, der gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Jonas Holland-Moritz die „Plattenfirma To Go“ betreibt. Sie bieten einen Digitalvertrieb für Künstler, sowie physischen Vertrieb von CD und Vinyl.

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Plattenfirma To Go – vom Label zum Vertrieb

2009 gründeten sie das herkömmliche Label “Hey!blau Records” und boten schließlich auch den reinen Vertriebsservice mit an, der seit 2012 separat als „Plattenfirma To Go“ existiert. Im Elektro-Bereich nutzt beispielsweise der Künstler Martin Hübner die Dienstleistung. Wie kam der Bedarf für einen reinen Dienstleister auf?

„Sobald die Pläne zwischen Label und Künstler größer werden und mehr Risikokapital und Verbindlichkeit im Spiel sind, müssen meist alle ein bisschen Mitspracherecht abgeben. Diese Philosophie haben wir nicht wirklich vertreten, wir wollten, dass Künstlerinnen und Künstler selbst entscheiden können, wie die Musik klingt, wo sie gemischt und gemastert wird und wie das Cover aussieht. Gleichzeitig sollten sie kein eigenes Label gründen müssen, sondern uns als Partner hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit hinzuziehen können.“

Plattenfirma To Go Mühlhoff
Thomas Mühlhoff, einer der beiden Geschäftsführer (Bild: Plattenfirma To Go )

Label-Code als Vorteil für die eigene Produktion

Ein Gedanke bestand darin, unkompliziert einen Label-Code nutzen zu können, mit klar geregelten Bedingungen. „Der Label-Code signalisiert einem Radioredakteur, dass er die Musik aufführen kann, ohne mit den Musikern über die Vergütung für die Nutzung des Leistungsschutzrechts verhandeln zu müssen, denn das regelt die GVL [„Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten“, d. Autor], auch über den Label-Code. Für viele Redakteure ist das, als gäbe es erst damit eine Sendegenehmigung, was Nonsens ist, aber auch Künstler glauben das. Manche Presswerke und Services werben damit, dass deren Label-Code genutzt werden darf. Es kann dabei um viel Geld gehen, daher sollte der Schritt gut überlegt sein. Unser Ansatz: Wenn wir als Vertriebsdienstleister schon nicht in die Produktion investieren, sollte wenigstens das Geld des Label-Codes an die Künstler gehen.“ Die Label-Code-Einnahmen würden bei ihnen komplett an die Künstler ausgeschüttet, so Mühlhoff.

Merchbox-Modell für physischen Vertrieb, um Retoure-Kosten zu vermeiden

Wie sieht der physische Vertrieb aus? Über das sogenanntes „Merchbox“-Modell können CDs und Schallplatten etwa bei Amazon oder JPC angeboten werden, für 79 Euro pro Jahr und Produkt. Zukünftig ist auch eine Platzierung auf dem Künstlerprofil auf Spotify vorgesehen. „Wir hatten in der Vergangenheit Verträge mit klassischen Vertrieben. Dort liegt ein Tonträger mitunter hundertfach im Lager. Man schaut sich an: Gibt es eine Tour, wird Promo gemacht? Im Zweifel werden die Tonträger per Außendienst in Stores platziert. Nicht verkaufte Tonträger werden allerdings retourniert.“ Das bezahlten die Künstler, und sei selten im Vorfeld zu kalkulieren.

„Am Ende schickt der Handel Bestände zurück, sie müssen auszellophaniert und neu zellophaniert werden, dazu ein neuer EAN-Sticker. Am Ende hast du 3, 4 Euro pro ausgesendete Einheit bezahlt. Wir haben beobachtet, dass für Künstlerinnen und Künstler eine eigentlich erfolgreiche Gesamtstrategie ins Minus gehen kann. Die meisten Einheiten werden bei Amazon und über JPC verkauft – also über Online-Händler. Wenn du 300 Einheiten über Online-Händler verkaufst, und 20 Einheiten bundesweit über Saturn – steht das in einem gesunden Verhältnis?“ Als wirtschaftliche Alternative ohne Retoure-Kosten bieten sie die Bestückung der beiden Online-Händler an, über den Anbieter Phononet. „Dort kann jeder teilnehmende Händler gezielt bestellen, auch kleine Plattenläden.“

Plattenfirma To Go Blog
Zusätzliche Informationen gibt es im eigenen Blog (Bild: Plattenfirma To Go)

79 Euro, um ein Produkt ein Jahr lang dem Markt zugänglich zu machen

Was beinhaltet die Dienstleistung konkret? „Wir lagern die Einheiten ein und verwalten den Bestand und machen das Inkasso. Du wirst informiert, wenn wir Nachschub brauchen, oder wir schicken die Tonträger zurück, wenn du den Vertrag nicht mehr möchtest. Pro versendete Einheit bekommen wir 3,95 Euro. Den Verkaufspreis kannst du festlegen, beispielsweise 17,99 Euro. Künstler wissen im Vorfeld, wie viel Geld sie pro verkaufte Einheit bekommen, abhängig vom Verkaufskanal. Bei jedem Verkauf wird der Erlös automatisch im Kundenbereich aufgebucht. Wir könnten die Tonträger mit diesem Modell auch noch ein zweites Jahr einlagern. Das ist ein Problem im klassischen Vertrieb: Verkaufst du nur vier Einheiten im Jahr, sagt der unter Umständen, ‚ne, mache ich nicht mehr‘ und kündigt dir. Für viele ist das auch psychologisch schwierig. Auch für Booking kann es sinnvoll sein, dass ein Tonträger verfügbar ist. Ein Print- oder Radio-Promoter kann unserer Erfahrung nach auch effektiver arbeiten – oder beginnt überhaupt erst – wenn Tonträger verfügbar sind.“

Digitalvertrieb als weiterer Schwerpunkt

Beim Digitalvertrieb bietet die „Plattenfirma To Go“ eine Release-Flatrate für 119 Euro im Jahr an, auf allen gängigen Streaming- und Download-Plattformen, darunter Spotify, Apple Music oder YouTube Music. Es eignet sich besonders für aktive Bands, betont er. „Du kannst so viel Musik veröffentlichen, wie du möchtest. Nicht dein Back-Katalog, sondern künftige Releases. Hat jemand die letzten Jahre 40 Alben herausgebracht, können wir die nicht für 119,- Euro mal eben überall veröffentlichen. Dafür erstellen wir ein individuelles Angebot. Generell bekommst du Zugang zu allen uns verfügbaren Plattformen, und 100 Prozent der Erlöse. Abhängig von deiner Rechtsform müssen wir höchstens die Künstlersozialabgaben an die Künstlersozialkasse abführen.“ Zusätzlich begleiten sie Veröffentlichungen bei Bedarf mit Beratung, etwa zu passenden Promotion-Strategien. Die Einschätzung sei komplex, daher sei der Service kostenpflichtig, der Preis variiere nach Aufwand.

Streaming als mögliche Liberalisierung: „5.000 Fans sollten reichen“

Wie sieht Mühlhoff das Thema Streaming generell? Das Abrechnungsmodell habe seine Eigenarten und manche Kritik, beispielsweise am Abrechnungsmodell von Spotify, sei nachvollziehbar, erklärt Mühlhoff. Spotify habe dennoch auch positive Seiten: „Du hast bei Spotify beispielsweise monatliche Hörer. Wenn die Zahl organisch gewachsen ist, kannst du im Folgemonat von einer ähnlichen Anzahl ausgehen. Du kannst also mit Einnahmen planen. Mit 500.000 monatlichen Hörern bei Spotify , ob realistisch oder nicht, könntest du mit den anderen Plattformen zusammen geschätzt 3.000 oder 3.500 Euro Streaming-Erlöse im Monat umsetzen, wenn nicht mehr.“ Monatliche Hörer streamen unter Umständen deutlich mehr als einen Song, gibt er bei der Kalkulation zu bedenken. „Auf ein passendes Ziel könntest du dann dein Promo-Budget abstimmen.“ Das könne nachhaltig sein, falls die Plattform zur Musik passt und man es schaffe, die Hörer zu erreichen.

Am Ende zieht Thomas Mühlhoff ein hoffnungsvolles Fazit: „Bands haben heute viel mehr Freiheiten und brauchen weniger Gesamtumsatz, um in die Gewinnzone zu kommen. Meiner Einschätzung nach sollten 5.000 echte Fans weltweit reichen, um nachhaltig eigene Musik machen zu können. Neben Streams musst du überlegen, was du deinen Fans verkaufst, ob Konzerte, digitale Veröffentlichungen, Gadgets, Tonträger oder einmalige Aktionen. Viele bieten Login-Bereiche mit zusätzlichem Content, sie machen spezielle Events mit ihren Fans. “Das ist abgefahren, dass du auf einmal die Möglichkeit hast, vielleicht nur von 5.000 echten Fans zu leben. Und für die wiederum brauchst du nicht auf Playlisten optimiert veröffentlichen, sie hören sich auch deine 8-Minuten-Tracks an. Du kannst mit Nischenmusik auf einmal Geld verdienen. Das ist auch auf seine Art auch nachhaltig.“

Website der “Plattenfirma To Go”

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