Max Loderbauer im Interview: Modulare Synthesizer im Live-Einsatz
Modulare Synthesizer im Live-Einsatz − ein Widerspruch in sich? Nicht für Max Loderbauer. Der Berliner »Ambient Guy« hat sein modulares Setup zum zentralen Element von Studio und Bühne gemacht. In der aktuellen Keyboards-Ausgabe findet ihr den kompletten Artikel.
Max Loderbauer liebt besondere Instrumente − ob es sich dabei um einen Kyma Computer, selbst erstellte Max/MSP-Patches oder um modulare Hardware- Synthesizer handelt, spielt im Grunde keine Rolle. Entscheidend sind die klanglichen Ausdrucksmöglichkeiten, die ihm ein Instrument bieten kann. Hier steht für den Berliner das Modularsystem an erster Stelle − das gilt für seine Studioarbeit ebenso wie für den Live-Act. Egal, ob er mit seiner dreiköpfigen Elektro-Akustik-Band Ambiq, Klangkunst-Kollege Moritz von Oswald oder mit Star-DJ Ricardo Villalobos performt, sein Buchla 200e steht mit auf der Bühne. Das Modularsystem ist zum Zentrum seines aktuellen Instrumentariums geworden. Wir sprechen mit Max Loderbauer über die Faszination eines solchen Instruments und über das »Abenteuer live und modular«.
Seit wann beschäftigst du dich mit modularen Synthesizern?
In den 80ern habe ich in München für die Firma Elmulab gearbeitet (Importeur u. a. für Fairlight; Anm.d.Red.). Die hatten in ihrem Studio ein komplettes Roland System-700. Das war Liebe auf den ersten Blick. Sie blieb allerdings zunächst unerfüllt. Erst mit dem Doepfer-System konnte ich mir Mitte der 90er meinen eigenen Modular-Synthesizer verwirklichen. Als ich vor etwa zehn Jahren angefangen habe, mit Ricardo Villalobos zu arbeiten, haben wir beide unsere Setups weiter ausgebaut. Den Buchla nutze ich seit 2011.
№2/3 2017
- Editorial
- Facts & Storys
- Modular Kolumne
- Mit Mark Forster auf Tour
- MANDO DIAO IM INTERVIEW
- Amy Lives: Xanthoné Blacq
- Ströme− Eurorack Clubbing
- MARIO HAMMER & THE LONELY ROBOT
- Peter Pichler: Bewahrer des Trautoniums
- NONLINEAR LABS C15
- AKAI MPC LIVE
- GIPFELSTÜRMER: NOVATION PEAK
- Auf Lichtung gesichtet: Bigfoot
- Gute Vibes im Museum
- DIE HOHNER-STORY
- Transkription − Chuck Leavell: Song For Amy
- Impressum
- Inserenten, Händler
- Das Letzte − Kolumne
Was fasziniert dich an modularen Synthesizern?
Man kann »verbotene« Sachen machen. (lacht) Aber das ist nur eines … Im Gegensatz zu vielen anderen elektronischen Instrumenten ist das Modularsystem frei von Vorgaben bezüglich seiner Nutzung. Es ist konzeptionell in alle Richtungen »offen« und lässt sich in jeden musikalischen Kontext einbauen. Es funktioniert in meinem jazzigen Bandprojekt Ambiq genauso gut wie in einem Techno- oder Ambient-Set mit Ricardo. Entscheidend ist nur, wie du damit umgehst. Zudem liefert das Modularsystem maximale und vor allem spontane Eingriffsmöglichkeiten in den Sound. Ich kann einen Klang mit ein paar Handgriffen komplett umkippen. Bei einem Kompakt-Synthesizer ist das kaum möglich. Mit einer Controller-gesteuerten Software lässt sich das zwar machen, ich muss solche Eingriffe jedoch im Vorfeld planen. Der Sound ist natürlich auch ein entscheidender Grund.
Welche Vorteile ergeben sich im Band-Kontext?
Toll ist hier die technische Offenheit des Systems − ein Beispiel: Ambiq-Drummer Samuel Rohrer ist ein sehr »erzählerischer« und emotionaler Drummer. Er würde nie zu einer Sequenzer-Clock oder einem Click-Track spielen. Der Buchla ermöglicht es, die internen Sequenzer-Module direkt durch Samuels Drum-Trigger weiterzuschalten. Baue ich noch Delays in die Trigger-Signale, entstehen ganz unglaubliche rhythmische Figuren, die exakt von Samuels Spiel gesteuert werden − und das alles ohne MIDI-Umwege, komplizierte Interfaces usw.
Was schätzt du am Buchla-System?
Ich mag seine Präzision. Tracking, Tuning, Scaling − das ist alles sehr exakt. Dennoch wirkt der Sound nie leblos. Die Trennung zwischen Audiosignalen und Steuerspannungen empfinde ich als Vorteil. Man kann sinnvoll mit Signalpegeln bzw. Headroom arbeiten. Der Sound ist natürlich eine Geschmacksfrage. Ich mag ihn sehr. Die Oszillatoren und Waveshaper haben einen tollen und sehr ausdrucksvollen Klang. Vor allem für den Live-Einsatz ist die Programmierbarkeit ein tolles Feature. Sehr praktisch sind zudem die »stapelbaren« Bananenstecker der Patchkabel.«
Hast du Favoriten aus dem Eurorack-Angebot?
Ich mag alles, was Clocks und Trigger erzeugen und verbiegen kann. Grundsätzlich finde ich viele digitale Module sehr spannend − Effekte, granulare Klangerzeuger, Sequencer und eben Clock-Modifizierer.
Wie sieht dein Live-Setup aus?
Neben dem Buchla-System kommt ein Sequentix Cirklon Sequencer zum Einsatz. Dazu ein Nord Lead für polyfone Sachen oder − mit Moritz (von Oswald; Anm.d.Red.) − ein Teenage Engineering OP-1. Deren Sounds kann ich allerdings auch wieder in das Lowpass-Gate oder das Filter des Buchla schicken. Am Buchla-Ausgang hängen noch zwei Eventide- Effektboxen [Space und Time Factor]. Wenn ich mit Ambiq spiele, habe ich den großen Rahmen mit Sequencer-Modulen dabei. Für Gigs mit Moritz oder Ricardo verwende ich einen kleineren Rahmen ohne die Sequencer.
Wie ist dein Buchla bestückt, um ihn möglichst live-tauglich zu machen?
Es gibt im Prinzip drei Signalstränge plus ein paar Extras. Jeder Strang ist mit einem Oszillator und Lowpass-Gate bestückt − die zentralen Klangformungselemente des Buchla. So kann ich bei Bedarf gleichzeitig drei unterschiedliche Sounds erzeugen oder relativ einfach zwischen verschiedenen Sounds wechseln. Sie werden auf drei MIDI-Kanälen vom Sequentix-Sequencer getriggert. Über den Output-Mixer kann ich die Sounds mischen und bei Bedarf ein quadrofones Signal ausgeben.
Wie bereitest du das Set vor − was passiert live?
Ich gestalte die Sounds so, dass ich beim Preset-Wechsel möglichst wenig Patchkabel umstecken muss. Das gilt vor allem für Gigs mit Moritz, denn da spielen wir eher »richtige« Stücke, die ich entsprechend im Buchla und Sequentix vorbereite. Mit Ricardo und mit Ambiq gestaltet sich das Set freier. Da steckt viel Improvisation drin, und ich programmiere dort auch Sequenzen live. Mit dem Buchla spiele ich richtig: Ich drehe Knöpfe, nutze die Patchkabel, um irgendwelche Ereignisse zu triggern − alles ist »erlaubt«. Obwohl das Bedienfeld so dicht bestückt ist, lässt es sich auch live sehr gut handhaben.
Wie arbeitest du im Studio?
Das unterscheidet sich bei sämtlichen Projekten gar nicht so sehr von der Bühnensituation. Wir setzen uns hin und spielen − oftmals stundenlang. Dabei läuft die Aufnahme. Später schneiden wir dann größere Passagen heraus und feilen sie zu fertigen Tracks. Bei Ricardo läuft sowieso immer der Rechner mit. Overdubs machen wir fast nie.
Neben dem Buchla besitzt du ein riesiges Eurorack-System. Beschreibe doch bitte dessen wesentlichen Aufbau.
Dabei handelt es sich gar nicht um ein rundum durchorganisiertes System, es ist mehr oder weniger eine Ansammlung von Modulen. Da finden sich zahlreiche Doepfer-Module aus der Anfangszeit des Systems und natürlich viele neuere Sachen. Die Module in meinem aktuellen Fokus sind eher unten untergebracht − ergonomisch vorteilhaft …
Verwendest du Buchla- und Eurorack-System auch kombiniert?
Es gibt Interface-Module mit Miniklinken- und Bananenbuchsen. So lassen sich alle Signale problemlos von einem System in das andere befördern. Beide können sich funktional und klanglich sehr gut ergänzen.
Wie verhinderst du, dich in den zahllosen Möglichkeiten deines Setups zu verlieren?
Bei aller Spontanität sollte man wissen, was man musikalisch erzielen möchte, und darauf hinarbeiten − also die gegebenen Möglichkeiten zielorientiert nutzen. Aber das ist sicher bei jedem Instrument so.
Seit den frühen 90ern ist Max Loderbauer eine feste Größe im weiten Feld der Dancefloor-orientierten Musik. Niemals dem starren »4 to the Floor«-Korsett verpflichtet, hat sich der Wahlberliner stets alle musikalischen Optionen offen gelassen: Mit Sun Electric und The Orb liefert er in den 90ern wundervolle IDM-Epen, als Teil des Moritz von Oswald Trios werden die Blaupausen des Minimaltechno entworfen. Mit Star-DJ Ricardo Villalobos bearbeitet er kongenial das Œuvre des Jazz-Kultlabels ECM. Ebenso vielfältig und außergewöhnlich wie die Auswahl der musikalischen Spielfelder sind die Mittel der Umsetzung: Ob Max/MSP-Software, Kyma-Computer oder analoges Modularsystem − Max Loderbauer experimentiert und lotet Grenzen aus.
www.facebook.com/max.loderbauer