»Hmm, das sieht aber ganz schön kompliziert aus.«

Kolumne: Ist das Kunst oder kann das weg?

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Martha Plachetka aka Panic Girl

»Hmm, das sieht aber ganz schön kompliziert aus.«
»Hmm, da müsste ich mich erst mal ordentlich reinfuchsen … und günstig ist das Ganze ja auch nicht gerade.«
»Hmm, ob ich das im Studioalltag auch tatsächlich nutzen würde?«

Solche und ähnliche Aussagen hört man immer wieder von Leuten, die zum ersten Mal vor einem Modular-Synthesizer stehen und wie hypnotisiert den Blick kaum mehr abwenden können. Von denen, die noch skeptisch sind, ob es wirklich das Richtige für sie ist oder ob sie sich nicht doch lieber einen Nord Lead oder einen Prophet holen sollen. Und natürlich von solchen, die sich in ihren Tagträumen schon vor einer großen Modularwand sehen und nur noch einen plausiblen Grund für die (schon wieder) anstehende Neuanschaffung brauchen − insbesondere für die Lebensgefährtin, wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf.

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Darauf kann ich als eingeweihte Modularista nur zweideutig Folgendes antworten: Halb so wild … Jein … Und, na klar! Solch ein modularer Synthesizer, so komplex und teuer er auch wirken mag, kann natürlich auch ’ne Menge kosten − sowohl Geld als auch Zeit. Der große Vorteil von diesen Systemen ist allerdings, dass man nicht gleich eine riesige Schrankwand an Modulen braucht und auch kein Experte sein muss, um loslegen zu können. Für den Anfang reicht auch ein bescheidener und überschaubarer Einreiher, mit dem man schon allerlei Unfug anstellen kann, um sich dann nach und nach immer mehr reinzunerden und sich beizeiten dann das eine oder andere neue oder auch gebrauchte Modul zu holen − oder auf einer der zahlreichen Plattformen mit anderen zu tauschen.

Doch bevor man sich zum nächsten Onlineshop durchklickt oder sich direkt beim nächsten lokalen Modular-Dealer ein schickes Einsteigercase holt, sollte man sich ein paar Gedanken dazu machen, was man mit so einem System denn überhaupt anstellen möchte. Denn auch bei einem Einreiher muss erstmal entschieden werden, was für Module denn überhaupt eingebaut werden sollen, um … ja, wohin soll die Reise eigentlich gehen?

Möchte man ein neues Hobby anfangen und ohne großes Ziel hin und wieder einen Patch rein für das private Vergnügen bauen? Möchte man sich zum Modularnerd hochpatchen und den einen oder anderen Gig wagen? Oder möchte man komplette Tracks recorden, die rein aus modularen Sounds bestehen? Soll es eine Effektkiste sein, mit der man externe Signale wild durch die Mangel drehen kann, oder soll es als vollwertiges, autarkes Instrument funktionieren? Oder besitzt man beileibe schon ein Studio, ist professioneller Produzent und Komponist und möchte die doch gerne mal ungewöhnlichen Klangmöglichkeiten dieses Formates dazu nutzen, um seine Kompositionen aufzufrischen, ihnen das gewisse Etwas zu verleihen und sich durch die vielen unterschiedlichen Module und ihre Eigenheiten inspirieren zu lassen?

Die meisten nutzen solch ein System anfangs wahrscheinlich zunächst für das private Vergnügen, werden schneller, als ihnen lieb ist, süchtig nach dem Zeug und nutzen ihr System dann bald auch für Live-Sets, komponieren ganze Tracks, EPs oder sogar Alben damit, experimentieren mit ihren Kisten und recorden ihre Resultate dann in ihrer DAW, um die schönen Momentaufnahmen später als Samples zu verwenden. So, wie zum Beispiel Thijs von Noisia in einem Interview erzählt, dass er sich zunächst einen relativ komplexen Grundpatch baut, um dann wild herumzuexperimentieren, bis er schließlich den »Sweet Spot« des Sounds gefunden hat und ihn anschließend sampelt.

Und auch wenn man keine Patches abspeichern kann, so lässt sich so ein modularer Synthesizer durchaus in den Studioalltag einflechten. Zumal man sich sein Wunschinstrument mit all den einzelnen Modulen frei konfigurieren, beliebig erweitern und auch wieder umbauen kann, wenn es nach einer Weile ausgereizt sein sollte. Golden!

Natürlich beansprucht es eingangs etwas Zeit − um sich einzuarbeiten, sich mit den Modulen vertraut zu machen und um herauszufinden, was funktioniert und was nicht funktioniert, um zu dem einen oder anderen Resultat zu gelangen. Aber mal ehrlich: Das wäre bei jedem anderen Instrument oder Plug-in nicht anders. Und auch wenn sich komplexe Sounds nicht wiederherstellen oder gar abspeichern lassen, kann das auch seine Vorteile haben. Man ist nicht versucht, das nächstbeste Preset zu benutzen, sondern ist gezwungen, von Grund auf einen neuen Sound zu bauen, der in dem Fall handgemacht und maßgeschneidert ist und definitiv jede Menge Laune in die Arbeit bringt.

Der Zeitdruck mag es im Alltag nicht immer erlauben, für jede Auftragskomposition einen neuen Patch zu bauen, aber gerade bei Musik und Sounddesign sollten Effektivität und Zeitmangel nicht immer an oberster Stelle stehen, ganz im Gegenteil.

Was auch immer man mit einem Modular-Synthesizer anstellen möchte, der Aufwand lohnt sich allemal. So long, ich bin dann mal patchen.

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