Modular-Kolumne mit Martha

Knirschen und surren

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Panic_Girl Martha Bahr
Martha Bahr aka. Panic Girl

K saß in einem der unzähligen Vorzimmer des LA Police Departments und wartete. Dicke Regentropfen fielen von seinem schwarzen Mantel auf den Boden und hinterließen eine immer größer werdende Lache neben seinen dicken Lederstiefeln. Er hatte eine lange, aufreibende Woche hinter sich und wäre um die späte Uhrzeit normalerweise schon seit Langem wieder zurück in seinem Apartment.

Endlich öffnete sich die Tür gegenüber einen Spalt, während eine weibliche Stimme kaum vernehmbar »Officer K bitte« in den Gang hauchte. Als er das Zimmer betrat, stand eine große, schlanke Silhouette vor der Fensterfront des steril eingerichteten Zimmers und schwenkte ein Whiskeyglas in der rechten Hand. »Möchtest du auch einen?« K schüttelte den Kopf. »Noch im Dienst, das wissen Sie doch.« »Na ja, dann setz dich. Hast du es schon gehört?« Sie blickte über die Schulter zu K herüber. »Die Rebellion, sie weitet sich aus. Laut unseren Untersuchungen umfasst sie bereits 200 Einheiten, allein hier in LA. Wie es in anderen Städten aussieht, kann man nur mutmaßen. Wir müssen dringend eine Lösung finden.«

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Ks Blick wanderte hoch zu Officer Joshi: »Sie sind schwer ausfindig zu machen. Vielleicht haben sie unsere Kommunikationswege gehackt.« »Möglich«, entgegnete sie. »Einer unserer Männer konnte gestern Nacht eine Transmission abfangen, sie planen etwas. Wir haben herausgefunden, dass sie einen akustischen Code nutzen, mit dem sich die Replikanten vor jeder Transmission identifizieren und anschließend Zugang zum Netzwerk erlangen.« Sie seufzte. »Der Code ist ein Ausschnitt einer generativen Melodie, dessen Algorithmus wir bislang nicht rekonstruieren konnten. Genauso wenig wie die Klangquelle, die offensichtlich aus einem Sinus-Oszillator besteht, aber merkwürdige Obertöne sowie ein Knirschen und Surren beinhaltet, dessen Ursprung wir nicht ausmachen können. Wir befinden uns in einer Sackgasse.« Mit einem Schluck leerte sie das Whiskeyglas und stellte es auf einem der vielen kleinen Tische ab. »Vielleicht kann ich helfen. Dazu muss ich den Code aber hören«, meinte Joshi, nahm ihren Mantel in die Hand und ging zur Tür hinaus. »Kommst du?« Wortlos folgte er ihr den Gang entlang.

Als sie die Tür zum Labor öffneten, hörten sie eine leise Melodie, überlagert von einem aufgeregten Stimmengewirr, das abrupt endete, als Officer Joshi den Raum betrat. Zögerlich trat eine Frau in weißem Kittel vor und murmelte mit gesenktem Kopf: »Leider sind wir immer noch keinen Schritt weiter. Wir arbeiten mit Hochdruck an der Dekodie…« »Spielen Sie uns die Melodie vor,« unterbrach Officer Joshi sie. Die Laborantin berührte ein grünes Symbol auf einem großen, flachen Touchscreen. Als die Melodie zu spielen begann, senkte K den Kopf und folgte ihr konzertiert. »Mir kommen sowohl die Melodie als auch der Klang sehr bekannt vor. Die Tonfolge lässt sich vermutlich mit einem modularen Synthesizer umsetzen, genauso wie der Klang selbst. Dazu brauche ich ein sogenanntes Eurorack-Gehäuse und eine Handvoll Module aus der Zeit um 2019 herum.« »Lassen Sie mich nachsehen, was wir in unseren Archiven lagernd haben,« sagte die Frau in dem weißen Kittel, woraufhin ihre Augen plötzlich weiß wurden und ihre Lider zuckten. »Wir haben ein Elite Modular 6U/104HP-Case und eine Ansammlung von 623 funktionsfähigen Modulen in Raum E489, hier eine Liste für Sie.« Die Luft flackerte vor Ks Gesicht, als kurz darauf eine Auflistung aller Module in weißer Schrift sichtbar wurde. »Gut. Das Case sollte ausreichen. Bringen Sie mir außerdem einen René, ein Malgorithm, ein A-110 VCO und einen Mixer von Doepfer, ein Yarns Modul, einen DPLPG, eine Handvoll Knurlies und natürlich Patchkabel. Das sollte fürs Erste ausreichen.«

Einige Augenblicke später betrat ein hagerer, hochgewachsener Mann mit Glatze den Laborraum, vor sich einen schwebenden Behälter. Als K die Module betrachtete, huschte kaum merklich ein Lächeln über sein Gesicht. K genoss es sichtlich, das Case aufzubauen, die Module mit den beiliegenden Knurlies einzuschrauben, den Strom einzuschalten und dem leisen Surren zu lauschen. Direkt über dem Case erschien zeitgleich eine visuelle Repräsentation des akustischen Signals, ein eingebautes Add-On der meisten Modulargehäuse aus den 2030er-Jahren. »Aaaahhh…«, hörte er die Laborantinnen raunen, während Officer Joshi eine Augenbraue nach oben zog. Damit hatten sie nun bereits eine Komponente des Codes abgedeckt, es war das leise Surren der kruden Stromversorgung des frühen Jahrtausends. Anschließend nahm K die Kabel in die Hand, um die Module zu verpatchen. »Das Yarns-Modul hier benutze ich als Clock-Generator, dessen Signal ich in das Rene-Modul patche. Das erzeugt nun die generative Melodie, deren Noten ich auf der Q-Seite im Menü bestimmen kann. Als Soundquelle nehmen wir den Sinus-Oszillator und patchen ihn in das Malgorithm-Modul, mit dem man das Signal bitcrushen kann. Dadurch werden diverse neue Obertöne erzeugt.« Er steckte das letzte Kabel in den Mixer, und sofort fing die Luft im Raum an zu wabern. »Heureka! Bravo!!«, kam es von allen Seiten erleichtert aus dem Raum. »Moment, irgendetwas stimmt noch mit dem Rhythmus der Melodie nicht. Sie ist zu geradlinig, irgendeine Komponente fehlt noch.« Genau in dem Moment erschien Joi, Ks holografische Lebensgefährtin, in der Tür und lächelte. »Du hast das Wogglebug-Modul in deinem Patch vergessen.« »Natürlich«, sagte er mit einem kleinen Funkeln in den Augen, nahm ihr das Modul aus der Hand und vollendete den Patch.

»Ich bin wahrlich beeindruckt«, sagte Joshi und blickte K und Joi anerkennend an. »Den Rest übernehmen Sie?«, fragte K und spazierte Arm in Arm mit Joi langsam aus dem Labor.

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