Entwicklungs-Konzepte

Interview mit Enik und Gerhard Mayrhofer von der Modularschmiede Synth-Werk

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(Bild: Markus Thiel)

Wer träumt nicht davon, ein eigenes Modul oder einen persönlichen Synthesizer mitentwickeln zu dürfen? In enger Zusammenarbeit mit der Modularsynthesizermanufaktur SYNTH-WERK ist der Münchner Künstler Enik diesem Traum nun ein konkretes Stück näher – gekommen.

Der musikalische Universalist Enik alias Dominik Schäfer hat die Grenzenlosigkeit zu seinem Spielfeld erklärt. Wäre das Wort in unserem Kulturkreis nicht durchweg negativ besetzt, so müsste man ihn im bestgemeintesten Sinne als »stillos« bezeichnen. Nur die Wenigsten sind in der Lage, durch die Gunst der eigenen Unangepasstheit immer das Passende, aber nicht das Erwartete zu liefern. Als Solokünstler wie auch als Komponist und Co-Produzent für Musiker wie die Fantastischen Vier hat er aufgrund seiner undogmatischen Arbeitsweise in der Musiklandschaft schon seine individuellen Fußabdrücke hinterlassen.

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Aus der engen Freundschaft mit dem ebenfalls aus München stammenden 5HE-Entwickler Gerhard Mayrhofer von SYNTH-WERK ist mittlerweile eine fruchtbare, hochproduktive Kooperation hervorgegangen, die die Grenzen zwischen Werkzeugmacher und Handwerker verschwimmen lässt.

Kannst du uns etwas über deinen Background erzählen?

Enik: Mein Background ist in erster Linie unakademisch. Ich hab mit 13 von meinem Bruder ’ne Gitarre geschenkt bekommen, und eine Woche später habe ich gewusst, dass ich Musiker bin. Also war ich Gitarrist und habe ab diesem Tag nichts mehr für die Schule getan. Ein halbes Jahr später führte das dann dazu, dass ich von der Realschule auf die Hauptschule runtergestuft wurde. Ins letzte Schuljahr dort bin ich dann auch nur noch ein halbes Jahr hingegangen, ansonsten habe ich blaugemacht, mich mit meinem Schlagzeuger getroffen und Texte geschrieben.

Dann hab ich so alibimäßig − weil sich mein Vater das gewünscht hat − vier Semester Jazz am freien Musikzentrum in München studiert, aber eigentlich ging es mir nur darum, mir mein eigenes Studio-Equipment zu kaufen und Musik zu machen. Erst mal habe ich das still im Kämmerlein gemacht, unter anderem auch auf dem Domagk-Gelände – das war so eine Hippie/Künstler-Kommune in München, in der zeitweise bis zu 500 Künstler gewohnt haben.

In den Jahren 2001/2002 habe ich locker 100 Songs geschrieben, aufgenommen und gemastert. Irgendwann kam dann ein Freund auf mich zu und fragte mich, warum ich das Material nicht veröffentliche, und ich hab gesagt: »Weiß nicht, ist noch nicht so geil.« Und er meinte: »Aber geil genug, um die Leute mal an der Entwicklung teilhaben zu lassen.«

Das war für mich der entscheidende magische Satz, da hat’s bei mir Klick gemacht, und ich habe angefangen, eine EP aufzunehmen. In diesem Zug habe ich dann noch Funkstörung kontaktiert, das war eigentlich nur ein Anruf, und Funkstörung meinte: »Ja, geil, sing doch mal einen Song.« Daraus sind dann fünf auf der Disconnected geworden, und ein halbes Jahr später nach diesem entscheidenden Satz war ich plötzlich auf einer Welttournee mit Funkstörung durch insgesamt acht Länder.

Bei den Konzerten habe ich dann selber noch mit meinem Zeug als Support gespielt und quasi direkt anschließend bei denen gesungen. Schließlich habe ich meine erste EP bei Wonder Records rausgebracht.

Und es ist relativ schnell elektronisch bei dir geworden?

Das war immer so gemischt. Man kann eigentlich gar nicht sagen, dass ich ein rein elektronischer Act bin.

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Enik und Gerhard (Bild: Markus Thiel)

Wie hat sich das weiterentwickelt? Du hast die Musik dann relativ schnell zu deinem Hauptberuf gemacht?

Ja, relativ schnell. Wobei man sagen muss, dass es natürlich erst mal hart ist, weil sich die ganzen Connections auch erst mal bilden müssen − von Plattenverkäufen lebt man ja immer noch nicht. Man muss sich halt wirklich gut überlegen, wie man da durchkommt. Von 2003 bis 2006 habe ich beispielsweise in der Fußgängerzone und in Bars gespielt. Das lief zumindest so gut, dass ich über die Runden gekommen bin.

Dann folgte der erste Major-Deal bei der EMI … der aber finanziell erst mal nicht wirklich groß was änderte − vielleicht so für zwei bis drei Monate. In genau dieser Zeit kam die erste Anfrage von Thomas D., der auf 1LIVE ein Interview von mir gehört hatte und das total geil fand. Er hatte sich über den Moderator die CD besorgt und hat mich dann kontaktiert, um mich zu fragen, ob ich nicht was für sein Soloalbum schreiben möchte. Das habe ich dann gemacht, wonach es dann eigentlich auf der Hand lag, auch mal was für die Fantas zu machen.

Wer und was hat dich musikalisch beeinflusst?

Naja, das ist eigentlich relativ langweilig, weil ich alles was ich toll finde, einfach aufsauge − teilweise bewusst, aber auch viel unbewusst. Das, was gut ist, finde ich auch gut, ganz egal welche Musikrichtung.

Du bist also musikalisch immer schon in alle Richtungen sehr offen gewesen?

Immer, ja. Ich habe sogar mal in ’ner Metal-Band Gitarre gespielt. (lacht)

Gerhard: Das ist ja bei deinen eigenen Sachen so interessant, man kann dich nur sehr schwer einordnen und in eine Schublade packen.

Enik: Ja, das macht’s nach außen natürlich auch immer ein bisschen schwierig, wenn man sich innerlich konzeptionell nicht auf einen Stil einigt. Ich habe mich dazu einfach nie richtig bereit erklären können, nur einen einzigen Style zu fahren. Ich mach mir da auch keine Illusionen, denn natürlich weiß ich, dass ich es da draußen so ungleich schwerer habe. Langfristig gesehen ist mir das aber ziemlich egal.

Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch ein deutliches Mehr an Flexibilität.

Lustig, als ich in meinen 20ern war − jetzt bin ich 37 −, wurde mir viel vorgehalten, dass ich mich nicht für einen Style entscheiden kann. Letztlich hat mir aber genau das in den vergangenen zehn Jahren das Meiste gebracht. Ich konnte einfach so viele verschiedene Dinge machen, weil ich mir die verschiedenen Styles, die ich dazu benötigte, einfach angeeignet habe.

Bei ACT habe ich sogar zwei Jazz-CDs veröffentlich und mit dem Material in Montreux gespielt. Ich habe aber darüber hinaus auch Film- und Theatermusik machen dürfen.

Auch live?

Ganz unterschiedlich. Beim Staatstheater Mainz hatte ich die musikalische Leitung bei der Tom-Waits-Version von Woyzeck. Ich habe aber auch in Berlin beim Gorki Theater oder in München beim Volkstheater gearbeitet. Wenn es darum geht, Regisseure zu bedienen, ist es auf jeden Fall hilfreich, sich in möglichst vielen Stilrichtungen auszukennen.

„… als würde man allein auf ‚ner Insel mit Robotern aufwachsen, und irgendwann kommt ein Mensch und schmeißt dir ‚ne Katze ins Gesicht.“

Was hat dich schließlich an Analog-Synthis so begeistert?

Das ist ein bisschen so, als würde man allein auf ’ner Insel mit Robotern aufwachsen, und irgendwann kommt ein Mensch und schmeißt dir ’ne Katze ins Gesicht. »Wer bist du denn? Du kannst ja atmen, du bist ja lebendig, du kannst mich ja angucken, du hast einen Geruch, du hast einen Klang! Was bist du denn? Das ist aber sehr interessant! Kann ich deine Kollegen mal kennenlernen?«

Und auf einmal war plötzlich Gerhards Kiste da, und seit diesem Moment gab es für mich keinen Weg mehr zurück. Kurz darauf ist bei mir auch noch ein Prophet eingezogen, der mich ebenfalls vollkommen umgehauen hat. Das ist einfach ein unfassbar tolles Gerät − der Zeitgeist-Synthi schlechthin. Jeder, den ich im Indie-Bereich interessant finde, sei es Radiohead oder James Black … den verwenden sie mittlerweile fast alle. Schon die Presets sind unfassbar geil, und es lässt sich noch so viel mehr rausholen, wenn man sich da ein wenig dransetzt. Zudem ist es so spannend, wenn man diesen Sound zum Beispiel mit Plugins oder einem Bodenpedal zerstört. Da können ganz komische Sachen passieren.

Siehst du im Prophet so etwas wie das Gegengewicht zum Moog-Sound des SYNTH-WERK M1?

Ja, das eine gleicht das andere total aus, und es ergänzt sich perfekt. Das ist für mich jetzt so das Setup, das bestimmt die nächsten fünf bis sechs Jahre dort stehen wird. Es kommt vielleicht bald noch etwas sehr Spannendes hinzu. Da müsste ich mal kurz an Gerhard weitergeben …

Gerhard: SYNTH-WERK hat sich bisher ja eigentlich nur mit Moog-Clones und deren bestmöglicher Reproduktion in Übereinstimmung mit den Originalschaltplänen beschäftigt. Natürlich stellte sich auch für mich irgendwann die Frage, wie es denn mit SYNTH-WERK weitergehen soll. Als Entwickler reizt es mich natürlich auch, meine eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Dadurch, dass ich Enik nun schon so lange kenne und ich mittlerweile auch ein gewisses Gespür für seine klanglichen Vorlieben habe, kam ich auf die Idee, mit ihm zusammen einen Oszillator zu entwickeln, der genau genommen auch etwas mehr als ein simpler Oszillator ist, sondern mehr eine Sound-Engine. Es sollte eben etwas sein, womit Enik sich klangtechnisch komplett identifizieren kann.

Mittlerweile ist dieses Projekt in der Konzeption auch schon ziemlich weit fortgeschritten. Es existiert zwar aktuell noch keine Platine, aber die Pläne stehen im Prinzip schon. Aktuell freuen wir uns beide wirklich sehr auf dieses Projekt.

Also eine waschechte Kooperation zwischen Künstler und Entwickler!

Gerhard: Ja, genau. Das Modul hat auch schon einen Namen, es wird der ETHW-Oszillator − Enik The Hard Way. Ich finde das wirklich total spannend, und genau wie Bob Moog über sich selber sagte: »I’m a toolmaker«, möchte ich auch einer dieser Handwerker sein, der Werkzeuge baut, damit Musiker etwas Großartiges damit machen können. So ist die Fertigstellung dieses Instruments sowie der Weg dorthin letztlich auch ein wunderbarer und intensiver Dialog zwischen Hersteller und Künstler. Ich hoffe natürlich, dass ich am Ende auch seinen Sound treffe − mit einem Moog-Oszillator wird das zumindest nicht mehr viel gemeinsam haben.

Enik, welche Anforderungen hast du an deinen Sound?

Ich hab überhaupt keine Anforderungen! Ich denke, dass sich durch unseren direkten Austausch etwas Passendes bilden wird. Wenn ich etwas Klangliches beschreiben soll, ist das ohnehin meiner Meinung nach immer etwas rumgeschwurbelt.

Gerhard: Wenn Enik zu mir sagt: »Hey Gerhard, hör dir das mal an, das klingt richtig gut«, dann setzt sich das bei mir eigentlich immer direkt in eine mögliche Schaltung um, mit der sich so etwas realisieren ließe.

Enik: Oder, wenn ich zu Gerhard etwas sage wie: »Hör mal, dieser Sound ist wirklich super, aber wie kann ich den denn jetzt direkt am Gerät kaputt machen?« (lacht) Ich glaube, deshalb hat er den Oszillator auch ETHW genannt, weil er weiß, wie gerne ich es mag, wenn man einen Klang intuitiv so bearbeiten kann, dass er am Ende wirklich abtrasht! Ich möchte bei der Klangformung auch mal an Grenzen kommen dürfen, die Seriengeräte normalerweise so nicht bieten würden. Gerhard: Das ist aber auch was, was Enik im Besonderen ausmacht, dass man für ihn herkömmliche Bremsen immer wieder lockern und Spielräume erweitern muss. Es ist manchmal ein wenig, als würde man versuchen, mit 300 km/h über einen Waldweg zu brettern. Aber genau das gefällt mir eben auch.

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Eniks frisch modifizierter SYNTH-WERK M1 (Bild: Markus Thiel)

Wird es ein Destruktions-Poti geben?

Enik: Au ja, das wäre klasse!

Gerhard: Der Schaltplan hängt daheim schon an der Wand. Davon ab kann man aber auch mit einem M1- System, wie es dahinten steht, einen Sound schon wunderbar kaputtmachen. Das hat vor über 30 Jahren mit diesem analogen Equipment schon funktioniert und hat auch heute immer noch seine Berechtigung. Ich sehe das Ganze aber auch nicht ganz so religiös.

Ob Analog oder Digital ist letztlich gar nicht so entscheidend − viel wichtiger ist die Essenz.

Enik: Also ich bin da mittlerweile, was analoge Klangerzeugung angeht, schon sehr esoterisch geworden. (lacht) Ich habe nämlich das Gefühl, dass schon alleine durch die Verkabelung dieses Modularsystems noch irgendetwas Organisches oder irgendeine spannende Interferenz hinzukommt, was letztlich wirklich schwer zu beschreiben oder eben nur fühlbar ist.

„… als würde man allein auf ‚ner Insel mit Robotern aufwachsen, und irgendwann kommt ein Mensch und schmeißt dir ‚ne Katze ins Gesicht.“

Instrumente, wie Gerhard sie baut, haben durch ihre naturgemäßen minimalen Ungenauigkeiten in der Stimmung eben auch etwas ungemein Charmantes. Vielleicht ist das auch das Tolle daran, dass sich mit analogem Equipment diese hundertprozentige Perfektion, die man vom Rechner gewöhnt ist, überhaupt gar nicht erzeugen lässt.

Gerhard: Die Schaltung, die meinen 901-Oszillatoren zugrunde liegt, ist aber auch einfach ein Design zum Niederknien. Ich habe wirklich den höchsten Respekt vor Bob Moog, wie er das zusammengetüftelt hat. Und der 901er war ja lange in Vergessenheit geraten, weil immer behauptet wurde, er sei nicht stimmstabil. Das ist aber so nicht ganz richtig, wenn man bei Bob Moogs Design zwischen den Zeilen liest und versucht, mit der Temperatur umzugehen und sie nicht zu kompensieren, dann ist der 901 stimmstabil und klingt organisch wie kein anderer Oszillator.

Enik: Das ist aber auch das Spannende, dass die Schaltung eben auch temperatursensibel ist. So wie Gerhard mir das erklärt hat, heißt das natürlich auch, dass sich dieser Oszillator im Winter anders verhalten wird als im Sommer. Das ist schon irgendwie ein echt lebendiges Ding.

Gerhard: Und da die Oszillatoren auch nicht synchronisiert und phasenstarr sind, schweben die natürlich auch ineinander. Bei einer Oszillatorbank ist dann halt immer auch so ein Phasing-Effekt dabei, der das Ganze lebendig hält.

Was darf man von SYNTH-WERK für 2018 erwarten?

Überraschungen …

Für dich, Enik, wird es ja dann ebenfalls spannend werden, die Entwicklung deines eigenen Moduls weiter mit zu begleiten.

Enik: Ja, das ist wirklich purer Luxus und natürlich eine große Ehre, ein eigenes Signature-Modul mit aus der Taufe heben zu können. Das ist schon wie ein kleiner Ritterschlag.

Gerhard: Auf der anderen Seite geht das Ganze auch gar nicht anders. Was würde ich denn ohne Musiker machen? Ich kann mich ja nicht al leine in die Kammer hocken und mir für mich selbst die tollsten Sachen ausdenken. Ich brauche da wirklich den Dialog − und mit Enik, der noch dazu einer der genialsten Klangbastler ist, die ich kenne, ist dieser wirklich ausgezeichnet.

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