Interview mit Andreas Schneider und seinem Team
Andreas Schneider: schwerhörig, Dauerredner, Patch-Visionär und modularer Geschäftsmann. Aktuell fühlt es sich so an, als sei er der Kern der Modular-Szene. In Schneiders Laden in Berlin zählen Producer und Modular-Nerds aus aller Welt mit mal mehr und mal weniger renommiertem Namen zu den Kunden. Durch den Vertrieb Alex4 ist Schneider auch mit Modul-Händlern über den ganzen Globus vernetzt. Seit 2016 bringt er alles auf dem Szene-Event Superbooth zusammen, womit ihm ein enormer Patch gelungen ist. Jetzt entwickeln sich am ehemaligen Standort von Alex4 in der Ritterstraße neue Synergien. Wir haben uns vor Ort mit Andreas und seinem Team getroffen.
Es ist kalt in der Hauptstadt! Trotzdem ist Berlin immer eine Reise wert, vor allem, wenn ein Besuch bei Andreas Schneider auf dem Programm steht − denn die erweisen sich immer als sehr unterhaltsam. Wir treffen ihn, René Margraff von Alex4 und Timm Stobbe, der die PR-Arbeit zur Superbooth übernimmt, am Standort Ritterstraße. Andreas fordert uns zu einem Tischtennis-Match im Gesellschaftsraum auf, und erst danach kann es losgehen.
Andreas, hier in Berlin in diesem Gebäudekomplex sitzen ein Teil der Mitarbeiter von Alex4, die Organisatoren der Superbooth, Verbos Electronics und das E-RM Erfindungsbüro sehr eng beieinander, entwickeln und produzieren hier – Schneiders Laden sowie weitere Hersteller und Manufakturen sind gleich um die Ecke. Es scheint so, als würdet ihr hier einen modularen Campus aufbauen. Welche Philosophie steckt für dich dahinter?
Die Kernidee ist es, dass man sich, obwohl vielleicht jeder gerade was anderes macht, im Gesellschaftsraum an der Kaffeemaschine, vor dem Klo oder im sonst wo im Gang begegnet, sich dadurch Ideen und gemeinsame Projekte ergeben und sich das Ganze gegenseitig befruchtet. Der eine kann eine technische Zeichnung machen, der andere kann löten, der dritte schreibt einen Text, und der vierte macht das Foto. Und so kann man die Synergien hier nutzen, um gemeinsam kreativ zu sein und voranzukommen.
Für uns gibt es ganz deutliche Unterschiede bei Herstellern, der für sich erst ein Instrument, dann zehn, dann 50 gebaut hat und irgendwann merkt, dass er gar nicht so viele Freunde hat, die das alle haben wollen. Dann geht er zu einem vom Fach und erzählt, welche Künstler sein Gerät toll fanden, und fragt, ob er sie verkaufen möchte, um dahin zu kommen, dass man eine Produktion fährt. Diese baut man aber immer noch selbst, oder man sucht sich lokale Partner und stellt die Instrumente auf dieser Ebene her. So produziert man auch keinen Überschuss-Müll, den keiner mehr haben möchte, sondern eben nur die Sachen, die jemand auch am Ende nutzen wird.
Das ist ein krasser Gegensatz zu einigen Lieferanten − nicht unsere Lieferanten −, die sagen: »Boah, Modular boomt. Ich bau jetzt auch Module, und am günstigsten ist es, wenn ich super günstig produziere, dann habe ich die tollste Marge.« Denen geht es nur um den Profit, der am Ende die Spanne zwischen dem Endprodukt und Produktionsaufwand ausmacht, wo es absolut egal ist, ob man 200 oder 1.000 oder 100.000 Teile baut. Das kostet wegen der Vorkosten das Gleiche, und es ist nachher egal, wieviel du wegwirfst. Sowas gibt es leider mittlerweile auch in der Modular-Welt. Wir haben uns bereits von Herstellern getrennt, die in China produzieren lassen. Das ist aber nur ganz schwer einsehbar, es sei denn, sie machen das transparent.
Deshalb finde ich es hier einfach interessant zu sehen, dass da tatsächlich jemand sitzt und schraubt und lötet. Natürlich kaufen die auch ihre ICs in China, und natürlich kommen da die Schrauben irgendwo aus dem Osten. Das ist ja selbstverständlich, das gibt es ja hier auch nicht mehr. Aber die Produktion, die Fertigung und die Entwicklung − also die gesamte Gestaltung eines Produktes − ist eine ganz relevante Sache, und das findet alles hier vor Ort statt.
Eure Branche boomt ja gerade. Hält der Trend Modular-Synthesizer an?
Wir müssen stark darauf achten, dass sie an den richtigen Stellen boomt. Wenn jetzt Roland einsteigt, Moog bringt das nächste Modul auf den Markt, dann kommt IKEA; da weiß ich nicht, wo das hinführt. Da muss man sich fragen, ob das noch die kreative Qualität für den Musikanten hat, um den es eigentlich geht. Oder ist das am Ende alles nur noch Schischi zur Hintergrundgestaltung?
Früher hatte jeder eine Heimorgel zu Hause, und es gehörte zum familiären Alltag, gemeinsam Musik zu machen. Das hat sich in der aktuellen Generation komplett auf das Telefon reduziert, was einen Klinkenstecker hat und du nicht mal ne Box dran hast, sondern einfach über WLAN an dein Autoradio gehst. Das ist für mich alles reduzierte »Banalo-Scheiße!«.
Die Leute sehnen sich wieder danach, etwas zu haben, wo sie sich verwirklichen können. Da hinkt der Vergleich auch nicht: Entweder die Modelleisenbahn, die Briefmarkensammlung oder eben das Modular-System, womit man auch nach draußen gehen kann, wenn man es richtig verstanden hat, und sagt: »Geil, wir machen ’ne Party im Park! Hat mal einer ’ne Steckdose dabei?« Dann läuft der Hase!
Du hast eben von Verwirklichung gesprochen. Du und dein Team haben Alex4, Schneiders Laden und das Modular-Synth-Event Superbooth aufgebaut. Für mich sieht es so aus, als sei das Ganze hier deine Selbstverwirklichung.
Ich bin ja obendrein noch schwerhörig und eigentlich total untauglich als Musiker. Deshalb rede ich auch so viel, weil ich mir nicht irgendwann die Blöße geben muss und zugeben muss, dass ich etwas nicht verstanden habe.
Mein kreatives Moment ist die Gruppendynamik. Ich bin der, der früher mal der Manager der Band war, also der, der als Erster rausgeflogen ist, weil er die ganze Zeit nur am Telefon hing. Jetzt fühle ich mich eher als Manager der Typen, die für die Band das Zeug bauen. Die Anfänge der Superbooth war die Gruppendynamik während der Musikmesse in Frankfurt, wo ich zu den Ausstellern gesagt habe: »Ey, du hast einen Sequenzer, ein anderer bringt seinen Synthesizer mit, und der andere seine Boxen. Hier habt ihr ein Kabel und einen Quadratmeter, und ihr macht jetzt zusammen Musik und habt euren Messestand.« Diesen Gedanken habe ich immer größer gestrickt, und es geht eigentlich darum, dass die sich als so etwas wie eine Band verstehen und sagen: »Ach, interessant, wir sind Kollegen und keine Konkurrenten.«
Doepfer hat es mit dem Eurorack ja einfach auch vorgemacht und gesagt: »Hier habt ihr den Systemstecker, baut Module und macht, was ihr wollt, aber macht nix kaputt!«.