Auf Tour mit David Gilmour

Greg Phillinganes & Chuck Leavell im Interview

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Schon einen dieser wunderbaren Menschen treffen zu dürfen, lässt einen einfachen Tag zu einem Erlebnis der besonderen Art werden. Greg Phillinganes und Chuck Leavell im Doppelpack zu erleben und das auch noch im Rahmen von David Gilmours exquisiter Rattle That Lock-Tour lässt selbst einen erfahrenen Journalisten um angemessene sprachliche Superlative ringen.

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Wir trafen uns mit Chuck und Greg auf dem ehrwürdigen Bowling-Green des Kurhauses in Wiesbaden. Bei bestem Sommerwetter genossen wir eine ausführliche Begehung der gigantischen (Pink Floyd) Open-Air-Stage und sprachen über die aktuelle Tour und wie es letztlich zu dieser außergewöhnlichen Besetzung kam. Damit nicht genug, wurde der Abend schließlich noch mit einer fast dreistündigen Show der Extraklasse gekrönt, wie es sie vermutlich in naher und ferner Zukunft nicht mehr so schnell zu sehen geben wird.

Interview mit Greg Phillinganes:

Als ich hörte, dass du mit Chuck zusammen auf Davids Tour spielst, musste ich spontan an Eric Claptons Album 24 Nights denken. Seit wann kennt ihr euch?

Greg: Oh, ich bin absolut schlecht darin, mir solche Sachen zu merken. Ich vermute, dass wir uns tatsächlich beim Projekt mit Eric näher kennengelernt haben. Es kann aber auch sein, dass dir Chuck eine komplett andere Story erzählt. Was immer er sagt, ist vermutlich richtig. (lacht) Auf jeden Fall fühlt es sich für mich so an, als würden wir uns schon unser ganzes Leben kennen.

Das spürt man sofort, wenn man euch beide zusammen erlebt.

Ja, wir haben einen wirklich guten Draht zueinander, sowohl auf der Bühne als auch privat!

Wie teilt ihr euch in Davids Show auf der Bühne auf?

Es war eigentlich von Beginn an schon alles vorgegeben. Mein Part ist halt der des Synth-Players, der natürlich auch Klavier spielt, und Chuck ist in diesem Fall der Orgel-Typ, der nebenher Piano und Wurly beisteuert. Die Piano-Rolle ist eigentlich sehr gleichmäßig verteilt, genau wie unsere Gesangsparts.

Ihr habt einen wirklich guten Flow zusammen …

Auf jeden Fall. Es ist eigentlich alles eine Frage des gegenseitigen Zuhörens. Das trifft in Davids aktueller Band glücklicherweise auf alle Musiker zu, sodass wir uns hier auf einem wirklich hohen Niveau bewegen. Hier ist wirklich jeder am Ganzen interessiert. Niemand muss hier den anderen beweisen, wie gut er ist! Das schafft im Zusammenspiel unglaublich viel Freiraum und gibt jedem einzelnen genug Platz zum Atmen − was letztlich dann auch die Band als Ganzes atmen lässt.

Auf welches Equipment verlässt du dich in puncto Synthesizer und Stagepiano für gewöhnlich, wenn du auf Tour bist?

Da setzte ich eigentlich fast ausschließlich auf Korg-Produkte wie etwa den aktuellen Kronos. Auf der Tour setzten wir via Software (Apple MainStage) eine Menge von Davids-Sounds ein. Das war, als wir ankamen, alles schon fertig vorkonfiguriert. Wir mussten also nur vorbeikommen und spielen. Alex Barclay, unser zuständiger Techniker, ist ein absolutes Genie! Einfach unglaublich − ein echter Magier und dazu noch wirklich jung!

Das klingt fantastisch!

Das ist es! Alex hatte schon lange vor den ersten Proben in England mit mir Kontakt aufgenommen und mir vorgeschlagen, Apple MainStage einzusetzen. In England eingetroffen unterstützte er mich bei der Einarbeitung unter anderem auch durch ein vollständig eingerichtetes Duplikat des Live-Setups, bestehend aus zwei parallel laufenden Mac-Pro-Systemen, in meinem Hotelzimmer.


№2/3 2017

  • Editorial
  • Facts & Storys
  • Modular Kolumne
  • Mit Mark Forster auf Tour
  • MANDO DIAO IM INTERVIEW
  • Amy Lives: Xanthoné Blacq
  • Ströme− Eurorack Clubbing
  • MARIO HAMMER & THE LONELY ROBOT
  • Peter Pichler: Bewahrer des Trautoniums
  • NONLINEAR LABS C15
  • AKAI MPC LIVE
  • GIPFELSTÜRMER: NOVATION PEAK
  • Auf Lichtung gesichtet: Bigfoot
  • Gute Vibes im Museum
  • DIE HOHNER-STORY
  • Transkription − Chuck Leavell: Song For Amy
  • Impressum
  • Inserenten, Händler
  • Das Letzte − Kolumne

Das nenne ich Service!

Ja, es gibt effektives Arbeiten, und es gibt Alex! Er ist wirklich fantastisch! Das einzige, worum ich mich für die Show selber kümmern musste, war, die einzelnen Parts zu lernen. (lacht)

Wie ist die Zusammenarbeit mit David? Soweit ich weiß, habt ihr vorher noch nie wirklich zusammengearbeitet?

Das stimmt, wir haben vorher tatsächlich noch nie miteinander gespielt, kennen uns aber bereits seit Ende der 80er-Jahre aus meiner Zeit mit Michael (Jackson; Anm.d.Red.). Pink Floyd spielten genau wie wir an den unterschiedlichsten Orten der Welt, was dazu führte, dass man sich des Öfteren über den Weg lief. Mal sahen wir ihre Show, mal sahen sie unsere!

Das erste Mal sah ich Pink Floyd in Versailles. Sie hatten das komplette Schloss in pinkes Licht getaucht − und ich dachte nur: »Wer zur Hölle macht denn sowas?!« Pink Floyd sind die wahren Erfinder dieser theatralischen »Over the Top«-Produktionen − und ich stand schon immer total auf so ein Zeug!

Das nächste Konzert, das ich mir anschaute, war in Dallas. Ich hing nach der Show ein wenig mit David ab. Wir saßen zusammen auf der Stadiontribüne und sahen der Crew beim Abbau zu. Das ist eine der Szenen, an die ich mich erinnere. Auch wenn wir so nicht wirklich viel Zeit miteinander verbrachten, verstanden wir uns prächtig! Danach liefen unsere Wege dann aber doch letztlich auseinander.

Du kannst dir also meine Überraschung vorstellen, als ich Anfang des Jahres plötzlich ohne jegliche Vorwarnung eine E-Mail von David mit der Frage erhielt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm auf Tour zu gehen.

Eigentlich hatte ich mich schon dazu entschlossen, langsam ein bisschen zu alt für das Touren zu sein und stattdessen ein wenig mehr Zeit zu Hause mit der Familie zu verbringen. Meine letzte Tour habe ich mit Stevie (Wonder, Anm.d.Red.) gespielt.

Davids Anfrage und der Umstand, dass er scheinbar schon länger mal etwas mit mir zusammen machen wollte, hat mir dann doch sehr geschmeichelt. Dazu kommt, dass David zu den wenigen Menschen gehört, die sich auch mit 70 noch für etwas begeistern können. Den Song Comfortably Numb hat er bis heute doch bestimmt schon 8.000 Mal gespielt, aber er kann sich auch dafür immer wieder neu begeistern. Es ist für mich eine Ehre, zusammen mit Chuck Teil dieser Begeisterung zu sein!

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Interview mit Greg Phillinganes vor der Show im Kurhaus Wiesbaden. Foto: Christian Raupach

Die zusammengestellte Band ist ein exklusives Zeugnis davon …

Oh, ja! Die Band ist wirklich stark, und ich meine: wirklich stark! Als ich in meinen Teenager-Jahren diese großen Titel wie Money, The Wall oder Time gehört habe, hätte ich doch niemals im Leben daran gedacht, dass ich diese Songs einmal mit genau diesem Typen spielen und singen würde. Auf der anderen Seite ging mir das auch schon immer so. Ich glaube, ich konnte mir so etwas noch nie vorstellen, bis es dann plötzlich soweit war! Es ist einfach ein Geschenk − ich liebe es! Und das, obwohl der Preis dafür, meine Frau meine 15 Monate alten Zwillinge und meine 11-jährige Tochter zu Hause lassen zu müssen, extrem hoch ist. Wenn man nach einem Grund sucht, das eigene Haus trotz guter Vorsätze zu verlassen … David ist so ein Grund!

Interview mit Chuck Leavell:

Chuck, erinnerst du dich an den ursprünglichen Impuls, der dich zur Musik und zum Piano geführt hat?

Chuck: Ja, dieser kam von meiner Mutter. Ich war das jüngste von drei Kindern. Meine Mutter spielte Klavier, nicht professionell, eher zur Familienunterhaltung. Aufgrund meines Alters war ich mit meiner Mutter oft alleine zu Hause. So mit ungefähr 5 habe ich sie dann laufend gebeten, für mich zu spielen. Ich liebte es. Völlig fasziniert beobachtete ich, wie sie mit ihren Fingern die Tasten rauf und runter glitt, und dann waren da diese ganzen Melodien und Harmonien. Irgendwann begann sie, mir dann zwischendurch ein paar Sachen zu zeigen. Nach und nach machte ich Fortschritte. Mit etwa 8 Jahren brachte mir mein Cousin dann das Gitarrespielen bei, und schließlich sammelte ich in der Junior High Erfahrungen mit einer Tuba und dem ersten Ensemblespiel. Mit 13 gründete ich meine erste Band, die Misfitz. Wir spielten jeden Freitag YMCA, und als die erste Fernsehstation nach Tuscaloosa, Alabama, wo ich aufwuchs, kam, hatten wir eine Morgenshow namens Tuscaloosa Bandstand. Das war ein super Start.

Wer hat dich auf deinem musikalischen Weg beeinflusst?

Neben meiner Mom und meinem Cousin auf jeden Fall auch die British Invasion mit Künstlern wie den Beatles, den Stones, Dave Clark und den Kinks. Ich habe mich aber auch sehr vom R&B, Soul, Country und Gospel beeinflussen lassen. Klaviertechnisch waren das dann eher Künstler wie Ray Charles, Nicky Hopkins, Leon Russel, Elton John, Billy Preston und viele mehr. Nach und nach entdeckte ich aber auch deren Vorbilder, wie etwa Little Richard, Jerry Lee Louis oder Fats Domino. Wie du siehst, sind meine Einflüsse breit gefächert.

Was sind deine Lieblingsinstrumente auf der Bühne?

Wenn ich solo spiele, favorisiere ich eigentlich ein gutes Grand Piano! Ein guter Flügel von Yamaha, Steinway oder Bösendorfer wäre da schon die erste Wahl. Wenn ich mit anderen Künstlern wie den Stones oder aktuell mit David auf Tour bin, reise ich gerne mit der Yamaha CP-Serie (CP4/CP300/CP1), einem Wurly und einer midifizierten Hammond B3.

Wann haben du und Greg euch das erste Mal getroffen?

Kennengelernt habe ich Greg in Long Island, NY, als er mit Clapton auf Tour war. Das muss Anfang der 90er gewesen sein. Ich arbeitete damals an einer Platte meines Kumpels Dave Edmunds, und an einem freien Abend gingen wir zum Konzert. Wir trafen uns nach der Show mit Eric Backstage, und da waren auch Nathan East, Steve Ferrone und natürlich Greg. Ein paar Monate nach diesem wunderschönen Abend hatte ich plötzlich eine Anfrage von Eric auf dem Anrufbeantworter, ob ich nicht ein paar Shows mit ihm und der Band in der Royal Albert Hall spielen möchte. Natürlich sagte ich sofort zu! So begann ich, mit Greg zusammen an diesem wunderbaren Projekt zu arbeiten. Und ich freue mich riesig, dass wir nun die Gelegenheit haben, mit Davids Tour unser Tag-Team wieder aufleben zu lassen. Greg ist ein unfassbarer Keyboarder und ein echter Gentleman.

Was magst du am meisten an Greg?

Abgesehen davon, dass wir wirklich gute Freunde sind und uns so auch privat super gut verstehen, liebe ich es, wie wir uns auf der Bühne ergänzen. Greg ist großartig, wenn es um Technik und fette Sounds geht. Er ist einfach ein Meister- und Monster-Musiker. Am liebsten ergänze ich sein Spiel mit meiner B3. Bei Davids Show habe ich aber auch ein paar schöne Piano-Parts wie etwa beim Song The Girl With The Yello Dress. Zusammen versuchen wir eigentlich immer, das Beste für die Musik rauszuholen.

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Foto: Markus Thiel

Hast du vor der aktuellen Tour schon einmal mit David zusammengearbeitet?

1984 war ich als Musikalischer Leiter für die MTV-Produktion »Guitar Greats« engagiert, da standen ungefähr acht Gitarristen zusammen auf der Bühne! Das waren ein paar echt wilde Tage! David war ebenfalls mit dabei, und wir verbrachten neben den Proben ein wenig Zeit miteinander. Anfang der 90er, als ich gerade mit Clapton unterwegs war, kam er dann zu einem unserer Gigs und lud mich und ein paar andere Jungs aus der Band zu sich nach Hause ein. Wir verbrachten einen wunderschönen Abend mit tollen Gesprächen über Musik und das Leben allgemein. Dazu leerten wir einige Flaschen wirklich guten Wein. Einige Zeit später trafen wir uns dann noch auf einem Paul-Young-Konzert. Danach trennten sich unsere Wege.

Vor knapp 4 oder 5 Monaten hatte ich dann plötzlich eine seltsame Nachricht im Gästebuch auf meiner Website: »Hi, David Gilmour hier … im Ernst!« Zuerst dachte ich, dass sich da jemand einen Scherz erlaubt hat, doch er übermittelte mir dann seinen Kontakt, und ich schickte ihm eine Mail. Zu meiner Überraschung antwortete er prompt und lud mich zu seiner Tour ein! Man ist im Leben vor nichts sicher …

Neben deiner äußerst erfolgreichen Musikkarriere unter anderem bei den Stones bist du in den USA aber auch als Waldbauer und Naturschützer bekannt …

Meine Frau Rose Lane und ich kümmern uns jetzt schon seit 35 Jahren um unsren eigenen Baumbestand. Ihre Familie betreibt schon seit Generationen eine umsichtige Land- und Forstwirtschaft. Als 1981 ihre Großmutter verstarb und ihr etwas Land hinterließ, fühlten wir uns sofort in der Verantwortung, diese Tradition weiterzuführen. Nachdem wir lange überlegt hatten, was wir letztlich mit den Flächen anstellen sollten, schien für uns die Forstwirtschaft den meisten Sinn zu ergeben. Darüber hinaus spürte ich auch diese direkte Verbindung zu dem Instrument, das mir so viel bedeutete und seinen Ursprung eben genau da hat: im Rohmaterial Holz. Holz besitzt eine Seele und gibt uns so viel mehr. Instrumente, Bauma terial für unsere Häuser und viele andere Dinge. Auf der anderen Seite reinigt der Wald sowohl unsere Luft als auch unser Wasser und bietet so vielen unterschiedlichen Wildtieren eine Heimat. Er ist eine der wertvollsten und wichtigsten Ressourcen unseres Planeten. So begann ich, in den 80s parallel zur Tour mit The Fabulous Thunderbirds Forstwirtschaft zu studieren, was schließlich dazu führte, dass wir anfingen, unsere mittlerweile 3.000 Acre (ca. 12 km2) große Waldfläche nachhaltig zu bewirtschaften. In dieses Projekt fließt von meiner Seite aus genau so viel Passion wie in meine Musik.

Wie würdest du ein für dich perfektes Piano charakterisieren?

Das Instrument sollte »singen«, wenn ich es spiele. Darüber hinaus favorisiere ich einen klaren und reinen Ton mit variierenden Farben in der Dynamik. Einen warmen Charakter im Pianissimo wie auch einen starken und fokussierten Ton bei vermehrt aggressiverem Anschlag. Jedes Piano hat letztlich seinen individuellen Charakter. Wenn du das richtige gefunden hast, hörst und spürst du es.

 

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