Funktioniert Klassik mit Synthesizern?
Klassik mit Synthesizern – das gibt es schon, solange es Instrumente mit elektrischer Klangerzeugung gibt. Bereits die Entwickler der Vorläufer heutiger Synthesizer griffen seinerzeit natürlich auf das vorhandene und allgemein bekannte Material zurück, um ihre neuartigen Instrumente zu präsentieren. Doch lassen sich die vielfältigen Artikulationen, die ein akustisches Instrument bietet, adäquat umsetzen, um anspruchsvolle Kompositionen ansprechend spielen zu können? Oder wird das eher eine (unfreiwillige) Lachnummer?
Funktioniert Klassik mit Synthesizern?
Denkt man an Synth-Adaptionen klassischer Stücke, kommen natürlich schnell “Switched on Bach” von W. Carlos oder “Pictures at an Exhibition” von Tomita in den Sinn, Werke, die inzwischen selbst zu Klassikern geworden sind. Auch Clara Rockmore, die große Virtuosin am Theremin, bediente vorrangig den klassischen Bereich. Dabei zeigte sie mit ihrer Interpretation von Saint-Saëns “The Swan” (aus Karneval der Tiere), wie feinsinnig das Theremin das ursprünglich für ein Cello geschriebene Stück umsetzen kann.
Aber wie sieht es bei modernen Synthesizern aus? Können MPE, polyphoner Aftertouch, Physical Modeling und Ribbon-Controller einer synthetischen Interpretation genug Leben einhauchen, um vom Publikum akzeptiert zu werden? Wir haben ein paar Beispiele aktuellerem Datums herausgesucht, die den Spagat gewagt haben.
J.S. Bach – 2. Brandenburgisches Konzert
BARxMusic versucht sich an der Königsklasse. Im Mehrspurverfahren wurde mit dem MPE-Synthesizer Osmose und seiner internen Eaganmatrix sowie einem Nord Electro 4 als Cembalo-Ersatz diese komplexe Komposition aufgenommen. Achtet man auf die Handbewegungen, sieht man, dass die Möglichkeiten der MPE-Tastatur des Osmose nur bei einigen Instrumenten und in Maßen genutzt wurde.
A. Vivaldi – Sommer, 2. Satz
Vivaldis “Sommer” auf sechs Korg/ARP Odyssey. Allerdings nimmt sich der Musiker Richard Payne nicht das berühmte Presto des 3. Satzes vor (weil es zu schnell ist?), sondern die getragene Passage des 2. Satzes. Bei den gehaltenen Noten klingt es doch sehr nach synthetischer Statik, etwas mehr Modulation wäre vorteilhaft.
E. Grieg – Solveigs Lied
Mit einem recht ungewöhnlichen Instrumentarium nimmt sich Benjamin Dehli dem bekannten und oft in Filmen verwendeten Stück aus der Peer-Gynt-Suite an: das moderne Mellotron M4000D (mit mehreren “Tapes”) und das vom Ondes Martenot inspirierte Therevox ET-4.3. Eine nachfolgende Signalkette mit Verstärkern und Effekten lässt das Stück modern klingen.
F. Chopin – Prelude in E-Moll (Op. 28)
Diese Interpretation des Musikers Roman zeigt die Schwierigkeiten der Thematik deutlich. Das zarte Musikstück wird mit einem Sequential Prophet Rev2 gespielt – mit variabler Sample-Rate! Besonders am Anfang klingt es gewöhnungsbedürftig, hat aber zwischendurch durchaus seine Momente. Macht euch selbst ein Bild.
F.J. Haydn – Serenade Op.3
Zum Abschluss noch ein Beitrag von Franz Kreimer. Er erklärt eingangs, wie er das Stück für vier Streichinstrumente auf einem Vintage Roland System 100 Modell 101 umsetzt. Die Solostimmen klingen einzeln recht bescheiden. Erst im Quartett (ab Minute 1:37) wird es etwas stimmungsvoller.
Habt ihr euch schon einmal mit euren Synthesizern an klassischen Stücken versucht? Ist es in euren Augen überhaupt sinnvoll oder nur eine Spielerei? Welche Synthesizer eigenen sich besonders dafür?
Sofern ihr nicht über ein geeignetes Instrument bereits verfügt, könnt ihr einige der in den Videos verwendeten Synthesizer beim MUSIC STORE professional bekommen.
Expressive E Osmose | Clavia Nord Electro 6D | Behringer Odyssey | Mellotron M4000D | Sequential Prophet Rev2 | Roland System 100 (Plug-in) | Moog Theremini