Luther Properly Jazzed Up

Dieter Falk im Interview

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(Bild: Markus Thiel)

Power to the people! Weltweit kennt man den 1546 verstorbenen Kirchenreformer und Theologieprofessor Martin Luther vor allem für seine Übersetzung des nach dem Ikea-Katalog weltweit auflagenstärksten Druckwerks aller Zeiten, der Bibel, in die damalige deutsche Umgangssprache. Weniger bekannt hingegen ist, dass der Komponist Martin Luther zudem auch bemüht war, die Musik der einfachen Menschen in die zentralen Treffpunkte des christlichen Lebens zu holen.

Der Komponist und Produzent Dieter Falk hat sich im Rahmen der CD-Produktion A Tribute to Martin Luther nun der Kompositionen des Reformators mit dem Hang zum Plakatieren kreativ angenommen. Angereichert mit Jazz- und Pop-Elementen holt er die klerikalen Werke mit seinen Bearbeitungen ins Hier und Jetzt. Wir sprachen mit Dieter in seinem Studio über das aktuelle Projekt und seine Umsetzung.

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Luther der Komponist?

Zeitlose Musik. Musik war früher eigentlich nur in den Kirchen und Fürstenhäusern zu Hause … und auf der Straße. Von den Volksliedern hat sich Luther quasi seine ersten Hits »geklaut« und sie in die Kirche gebracht. Insofern war Luther für mich der erste Popmusiker in der Kirche. Und das ist für mich natürlich eine Steilvorlage, die ich im Pop- und Jazzkontext arrangieren wollte.


№2/3 2017

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  • Auf Lichtung gesichtet: Bigfoot
  • Gute Vibes im Museum
  • DIE HOHNER-STORY
  • Transkription − Chuck Leavell: Song For Amy
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  • Inserenten, Händler
  • Das Letzte − Kolumne

Luther hat die Musik der Straße quasi adaptiert und in die Kirche geholt …

Sein großes Ding war, dem Volk »auf’s Maul« zu schauen − natürlich auch musikalisch. Alle haben und hatten ihre Songs, und ganz früh ist das in der Kirche mit Volksliedern gestartet, die dann zu Chorälen wurden. Ich finde das bemerkenswert. Kirche ist ein Teil der Gesellschaft, und Kultur ist da eine große Möglichkeit, dies zu transportieren. Kultur kommt von den Menschen, und sie unterliegt immer wieder einer Fusion − Crossover hier, Crossover da, und das ist die große Chance. Und da lasse ich mich auch gern von meinen Söhnen, die eine ganz andere Hörerwartung und -erfahrung mitbringen, inspirieren.

Wie bist du rangegangen?

Gute Lieder sind gute Lieder, und wenn man eine Melodie nimmt, wie z. B. »Vom Himmel hoch, da komm ich her«, und die mal in einen anderen Kontext setzt, verswingt oder eine Big Band drunter legt, dann kommt da völlig neues Leben rein. Luther ist für mich ein großes Thema, weil ja in diesem Oktober das fünfhundertste Reformationsjubiläum startet, wozu ich auch ein großes Bühnenstück geschrieben habe. Mich interessieren immer Sachen, die verschiedene Generationen beschäftigt haben.

Was hat den Ausschlag gegeben, den einen Song so und den anderen so zu arrangieren, damit das Album so facettenreich wurde?

Ich habe aus dem Kirchengesangbuch die Lieder ausgewählt, die bekannt oder zumindest halbwegs bekannt sind, und ich habe auch ein paar neue dazu geschrieben. Für mich war letztendlich die Melodie entscheidend. Ich nehme mir das Gesangbuch und setze mich ans Klavier. Dann mache ich mir davon eine Kopie und schreib andere Harmonien drüber, als man üblicherweise in der Kirche spielt, und fange an, einen Groove drüber zu setzen, und nehme das dann auch direkt auf. Entweder spiele ich es in Logic ein oder gleich am Flügel, denn die Erstversuche sind meist die besten.

»There’s no second chance for the first impression«, das ist auch in der Musik so. Daraus sind ganz viele witzige Ideen auf dem Album entstanden.

(Bild: Markus Thiel)

Für einen Song bin ich nach Potsdam gefahren und hab die Babelsberger drauf spielen lassen. Ein tolles Orchester! Und ich wusste auch, dass alte Wegbegleiter wie Wolfgang Haffner und Bruno Müller mitmachen würden. Auf sie habe ich die Songs ein bisschen zugeschnitten, damit die auch ihren Spaß haben, genauso wie ich! Dann hab’ ich das Ganze auf Logic arrangiert und schließlich einen Rechner weiter auf Pro Tools produziert und das meiste zu Hause aufgenommen. Für das Schlagzeug sind wir ins Hansahaus Studio nach Bonn gegangen und natürlich für die Streicher nach Potsdam. Heutzutage ist es ja auch so, dass man Files von A nach B schickt − so haben wir es für das Solo des Cellisten Stefan Braun gemacht. Die Bläser habe ich in Holland aufgenommen, dort habe ich vor ein paar Jahren eine sensationelle Brass-Section, die Jayhorns, aufgetan.

Es gibt einige chillige Nummern, ein paar groovige und immer meinen Gospel-Piano-Einfluss, der ist natürlich nicht zu überhören. Und Piano-Solo-Titel sind natürlich immer Pflicht. Klavier ist einer der prägendsten Sounds in der Jazz- und Popmusik überhaupt. Und deswegen ist mir ein guter Flügel-Sound auch extrem wichtig − in dem Fall mein Shigeru Kawai.

Ich bastele ansonsten viel mit dem Mikrofon herum. Ich habe viel ausprobiert und überlegt, wo ich die Mikros hinstelle. Ich habe dann so meine idealen Positionen gefunden, denn der Klaviersound soll bei so einem Album immer das zentrale Thema sein.

Bei einem Titel wurden auch mal mein Wurlizer oder Rhodes traktiert, aber im Prinzip ist der Flügel das Hauptinstrument.

Was macht für dich einen perfekten Piano-Sound aus?

Es gibt ja so unterschiedliche Klavier-Sounds, wie es sie nicht unterschiedlicher geben könnte. Wenn du mal bei Adele hörst, da ist der Klaviersound eher mellow, weich, hat einen großen Tiefenanteil und ist nicht so crispy, wie er in den 80/90er-Jahren z. B. beim Gospel-Piano war. Beim Crispy-Flügel sieht die EQ-Kurve wie ’ne Badewanne aus, sie hat unten viel Bässe, dann sind die Mitten ausgedünnt und oben richtig viel Attack.

Den Badewannen-EQ habe ich bei einigen groovy Titeln auch verwendet, aber diese eher Adele-mäßige, dunkle Anmutung bei Balladen mag ich auch sehr. Ich habe versucht, bei Titeln, wo es passt, eher einen ruhigeren, weicheren Sound à la Adele hinzukriegen und bei den Up-Tempo-Nummern ein bisschen mehr crispy und ein Mehr an Attack, damit sich der Flügel auch durchsetzt.

Du mikrofonierst also recht deutlich Richtung Bass-Saiten?

Ja, ich brauch natürlich die Bass-Saiten, mein Flügel ist 2,20 m groß, also nicht die ganz lange Variante, hat super Bässe, und das war mir immer wichtig.

Es gibt ja verschiedenste Philosophien zu mikrofonieren. Ich benutze zwei AKG C414er, die ich in den Flügel reinstecke, eher über die hohen Saiten und über die Basssaiten, und in die Mitte kommt ein Pärchen Neumann-Stäbchen, die mir dann auch das Räumliche gerade für die dunkleren Sounds geben. Und das in der Mischung macht einen tollen Sound, den ich danach noch extrem komprimiere. Dynamik hat es ja immer, aber ich brauch in der Kompression die Intensität eines Ausdrucks. Auf der Platte gibt’s den Titel Aus tiefer Not schrei ich zu dir, da schreit das Klavier gegen Ende auch, und das bringt die Kompression dann auch noch mehr raus. Dafür benutze ich einen ganz alten Neve und natürlich ein unterschiedliches EQ-ing. Ich habe auch noch das Lexicon 480L, das benutze ich eigentlich immer noch zur Veredelung solch guter Räumlichkeiten.

(Bild: Markus Thiel)

Du komprimierst das Piano also standardmäßig?

Ja, mal mehr, mal weniger. Wenn ich bei den Balladen alleine spiele, komprimiere ich weniger, aber mit Band muss ich mehr komprimieren, damit ich mehr Crispyness rausbekomme. Ich liebe außerdem mein AMS-Hallgerät, das benutze ich auf jedem Schlagzeug-Sound, weil es so schöne Ambient-Räume macht, die ich mit Plug-ins so nicht hinkriege. Ich setzte natürlich auch auf Plug-ins, ich praktiziere da immer gern eine »Best of both worlds«-Strategie. Ich lad immer zwei, drei meiner Lieblings-Klavier-Sounds ein, vergleiche A/B, wo steh ich, dann mach ich zwei, drei Stunden ein EQ-ing oder ein Kompressing, und dann lass ich’s erstmal liegen. Und am nächsten Morgen höre ich mir alles mit Abstand an.

Es ist nicht gut, zu lange an einer Sache herum zu basteln − Titel wechseln, Fokus wechseln, nächstes Instrument … Das ist natürlich ein Vorteil, wenn man sein Studio zu Hause hat.

Es ist immer auch wichtig, den richtigen Schlusspunkt zu finden.

Ja, die Bastelei ist toll, aber auch ein Fluch! Die eigene Bremse zu finden, darum geht es ebenfalls. Ich habe natürlich jetzt den Luxus, dass ich irgendwann beschlossen habe, keine Auftragsproduktionen für die großen Plattenfirmen mehr zu machen, sondern einfach nur noch meine eigenen Projekte anzuschieben. Und dabei kann ich mir mehr Zeit gönnen. Und ich bin froh, dass mir Universal diesen Handlungsfreiraum auch lässt. In der Pop-Branche gibt’s ja dann für gewöhnlich ein Meeting, in dem jeder Titel seziert wird, und aus dieser Mühle wollte ich raus. Und ich bin glücklich damit.

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Interessantes Interview über eine Thematik, der ich nicht so nahe stehe.

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