Der Stoff aus dem Legenden sind

Moog One: Die Entstehungsgeschichte des neuen Moog-Flaggschiffs

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Unsere Interview-Partner mit ihrem Baby: (v.l.n.r.) Geert Bevin (Senior Software Engineer), Cyril Lance (Chief Technical Officer), Eric Curch (Director of Design), Amos Gaynes (Product Design Engineer) (Bild: MOOG MUSIC )

Jahrzehntelang hat die Synthesizer-Welt sehnsüchtig auf einen neuen polyphonen Moog-Synth gewartet. Nun ist er da. Das Design-Team des Moog One berichtet uns über das Mammut-Projekt.

Moogs neuer Polysynth ist ein Monster: In seinem Inneren arbeiten mehrere Software-Systeme, 13 Mikroprozessoren und insgesamt über 18.000 Einzelteile Hand in Hand. Verpackt in eine äußerst aufwändige Gehäusekonstruktion steuern sie über 1000 interne Klangparameter. Die Entwicklung und Fertigung eines solchen Synths zählt zu den ambitioniertesten Vorhaben, denen sich ein Instrumentenhersteller widmen kann. Das gilt auch für ein so erfahrenes und mittlerweile auf mittelständische Größe gewachsenes Unternehmen wie Moog Music. Vieles von dem, was sich unter der Haube des Moog One verbirgt, ist technologisches Neuland – nicht nur für die „People who started it all“. Seit seinem Erscheinen hat der Moog One für reichlich Aufsehen gesorgt und besitzt zweifellos schon jetzt den Status einer lebenden Legende. Das Entwicklerteam des Moog One berichtet uns über die Geschichte dieser Legendenbildung.

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Wie wurde das Moog One Projekt ins Rollen gebracht?

Cyril Lance: „Im Laufe der Jahre hatten wir viele Anfragen hinsichtlich eines „neuen Memorymoogs“ oder eines „polyphonen Voyager“. Letztlich kristalisierte sich der Wunsch nach einem polyphonen Synth heraus, der sowohl über den klassischen Moog-Charakter verfügt, als auch modernen Ansprüchen hinsichtlich Sounddesign-Optionen gerecht wird.“

Warum musste die Synthesizer-Welt so lange auf den neuen polyphonen Moog warten?

CL: „Die meisten Leute denken nicht daran, wie technisch komplex und aufwändig ein solches Instrument ist. Vor 15 Jahren war Moog Music eine innovative und umtriebige, aber vergleichsweise winzige Firma mit gerade einmal einem Ingenieur und einem Techniker. Wir hatten lange Zeit keinerlei Resourcen, um ein solches Projekt erfolgreich zu stemmen. Wir mussten erst eine gewisse Größe erreichen, um ein Instrument wie den Moog One überhaupt möglich zu machen.“

Wann begann die Projektierung des Moog One?

CL: „2010 begannen wir, ernsthaft über einen Polysynth nachzudenken und diskutierten verschiedenste Ideen und Ansätze intern und mit zahlreichen Freunden und befreundeten Künstlern. Im Frühsommer 2013 wurde das Projekt dann offiziell gestartet. In den folgenden Monaten setzten sich die Entwickler und Techniker sowie die Sales- und Marketing-Teams zusammen um die Eckdaten des neuen Instruments abzustecken. Auf zahllosen, riesigen Paperbögen entstanden die ersten grundlegenden Ideen und Konzepte.“

Das Moog One Team mit dem ersten Seriengerät (Bild: MOOG MUSIC )

Welche waren die wichtigsten Entwicklungsphasen des Projekts?

CL: „In den folgenden zwei Jahren wandelten sich die gesammelten Ideen zu konkreteren Spezifikationen. Anhand denen wurde ermittelt, welche Entwicklungsarbeiten notwendig werden würden. Ende 2015 begann schließlich die eigentliche Hardware-Entwicklung. Wir beschäftigten uns intensiv mit neuen Schaltungskonzepten (etwa für die Oszillatoren), komplexen Multi-Layer-Platinen, Mikroprozessortechnik, Software- und DSP-Architekturen sowie mit der Spezifikation und Realisierung des User-Intefaces – alles in allem eine riesige Aufgabe. Mitte 2016 hatten wir die ersten lauffähigen Prototypen, die wir über das nachfolgende Jahr in Richtung Serienreife führten. Der Sommer 2017 stand schließlich ganz im Zeichen der Vorproduktion. Neben dem Beginn der intensiven Testphase mussten dabei sämtliche Zulieferer aller notwendigen Komponenten in das Projekt involviert werden – von den komplizierten Gehäuseteilen über das Netzteil bis hin zur optimalen Verpackung. Auch in dieser Phase mussten buchstäblich tausende von Details überdacht und ggf. perfektioniert werden. Im August 2018 konnten schließlich die ersten Geräte das Moog-Werk verlassen. Von außen betrachtet, mag das als eine lange Entwicklungsphase erscheinen – für alle Beteiligten verging die Zeit unglaublich schnell. An dieser Stelle will ich mich bei unserem gesamten Entwicklungsteam bedanken – alle Beteiligten haben wirklich unglaubliches geleistet!“

Habt ihr mit berühmten Musikern zusammengearbeitet?

CL: „Ich denke, der Nutzen von „Berühmtheit“ ist vor allem in diesem Zusammenhang stark überbewertet. Selbstverständlich haben wir mit vielen Musikern zusammengearbeitet, allerdings nicht, weil sie vielleicht „berühmt“ sind, sondern weil wir ihre Kompetenz schätzen, mit der sie uns freundlicherweise und großzügig unterstützt haben. Stellvertretend für viele weitere, möchte ich an dieser Stelle namentlich nur den leider im vergangenen Jahr verstorbenen Kevin Lamb nennen, der wichtigen Input in viele Moog-Instrumente hatte.“

Welche technischen Herausforderungen waren besonders interessant?

Amos Gaynes: „Die Oszillatoren des Moog One sind vollständig neu konstruiert und teilweise von uns patentiert. Nimm einen völlig neuartigen Oszillator, packe 48 Stück davon in einen Synth und sorge dafür, dass alle zusammen toll klingen – das ist ein immenser technischer Aufwand. Eine weitere Herausforderung war der schnelle Transfer von riesigen Datenmengen zwischen der Main-CPU und den einzelnen Voice-Cards sowie die Koordination der MIDI-Steuerung zwischen den Stimmen und der CPU.“

Geert Bevin: „Der neue Triangle-Core-Oszillator ist die Grundlage des Moog One-Sounds. Da alle Stimmen und Oszillatoren jederzeit einander neu zugeordnet werden können, ist ein extrem präzises Tuning gefordert. Andererseits darf dabei aber kein steriler Sound entstehen. Wir arbeiten noch immer an der Perfektionierung unseres Tuning-Algorithmus. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das User-Interface. Einerseits sollte es, für einen Analog-Synthesizer, beispiellose Sounddesign-Features bieten. Gleichzeitig sollte es aber auch intuitiv zugänglich sein. Irgendwann haben wir den „More-Button“ entdeckt. Damit werden alle Sound-Parameter ohne eigenes Bedienelement mit nur einem Button-Druck zugänglich gemacht.“

Im One arbeitet mehr Software, als in jedem anderen Moog-Instrument zuvor. Welche Herausforderungen gingen damit einher?

AG: „Im Moog One arbeitet ein Prozessor-Netzwerk aus einer leistungsfähigen CPU im Main-System sowie mehreren kleineren Prozessoren für die Steuerung der Voiceboards, des Bedienfeldes sowie der Routing- und Mixing-Systeme, die alle Signale zusammenführen. Das Programmieren und Testen eines solchen Systems ist echte Team-Arbeit. Als klassische Analog-Synth-Spezialisten, stand das Moog-Team nun vor der Herausforderung, auch im Bereich Software und Embedded-Systeme Höchstleistungen zu vollbringen.“

Moog One besitzt mehrere hochwertige Digitaleffekte. Damit verwendet Moog erstmals digitale Komponenten im Signalweg – ein gewagtes Unterfangen?

CL: „Als wir 2013 die Eckdaten unseres neuen Synths absteckten, war dem Feedback ganz klar der Wunsch nach erstklassigen, digitalen On-Board-Effekten zu entnehmen. Um diesem Wunsch zu entsprechen, mussten wir – quasi „nebenbei“ – auch noch zahlreiche DSP-Algorithmen entwickeln. Ein internes DSP-Team wurde mit dieser Aufgabe betraut. Darüber hinaus luden wir immer wieder externe Testhörer ein, die über die Effektqualität urteilen sollten.“

GB: „Das ist in der Tat das erste Moog-Instrument mit digitalen Effekten. Eventide stellte uns die 5 Master-Effekte zur Verfügung. Die 18 Synth-Effekte haben wir über mehrere Jahre hinweg selbst programmiert. Nun verfügen wir über eine Auswahl an hochwertigen Algorithmen, die mit der Zeit weiter wachsen kann.“

Bei der Montage eines Moog One

Wie ist die Zusammenarbeit mit Eventide zustande gekommen?

AG: „Ein echter Spezialist wie Eventide hat hinsichtlich Effekt-Algorithmen natürlich einen großen Vorsprung. Da wir dem Moog One wirklich hochklassige Effekte mit auf den Weg geben wollten, bot sich also eine solche Zusammenarbeit an. Zudem besteht eine lange Freundschaft zwischen den Entwicklerteams von Moog und Eventide. Eventide hat nicht nur die Effekt-Algorithmen gestellt, sondern auch deren Einbettung in das Moog One-System unterstützt. Natürlich ist Analog-Sound nach wie vor unsere Kernkompetenz. Wir sehen aber durchaus die Vorteile bei der Verbindung beider Welten. Die Zusammenarbeit mit Eventide war sehr fruchtbar und wird sicher kein Einzelfall bleiben.“

Viele Fans sehen im Moog One eine Art modernen Memorymoog. Wie stark sind die tatsächlichen Parallelen?

Eric Church: „Technisch ist der Moog One natürlich etwas vollkommen anderes. Der Look wurde anfänglich mit dem Memorymoog im Hinterkopf entwickelt, ohne jedoch jemals einen Clone liefern zu wollen. Der One sollte ein eigenes Gesicht mit klassischem Look erhalten. Als das Design im Laufe der Zeit Gestalt annahm, blieben ein paar unverkennbare Parallelen bestehen, die dem Charakter des neuen Instruments sehr gut entsprachen.“

Cyrill – ein paar abschließende Worte?

CL: „Der Moog One war ein wirklich anspruchsvolles Projekt. Es hat viel von uns gefordert und jeder Beteiligte hat viel von sich investiert. Somit vereint der Moog One in gewisser Weise die Schnittmenge aller unserer Persönlichkeiten. Wir hoffen, dass viele Musiker den Moog One – wie auch alle anderen Moog-Instrumente – als zuverlässige Inspirationsquelle und kreatives Werkzeug schätzen werden.“

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