Der Fairlight CMI
Seit den Endsiebzigern war er das Traumgerät für alle Keyboarder und Produzenten, die endlich die Welt beherrschen wollten: der Fairlight CMI. Dieses samplebasierte Produktions-System mit seiner markanten Library hat den Sound der 80er-Jahre mitgeprägt und wirkte damals mit exotischen Bedien-Features (Lichtgriffel!) wie ein Sci-Fi-Item aus einer fernen Zukunft.
1979 brach mit dem Fairlight CMI ein neues Popmusik-Zeitalter an, in dem die produktionstechnischen Möglichkeiten extrem erweitert wurden … sofern man das nötige Kleingeld besaß. Ein Gerät wie der Fairlight CMI, der Sampler, Digital-Synthesizer und Sequenzer in einem Gerät vereinte, nahm schon das »In-The-Box«-Produktionsverfahren des 21. Jahrhunderts vorweg. Die hochpreisige Fairlight Work – station war der erste seriengefertigte Sampler überhaupt und galt als das Nonplusultra im Produktionsbereich. Schon bald folgten aber andere Geräte mit Sampling-Möglichkeiten, wie etwa das ebenfalls extrem teure NED Synclavier (ab 1982 mit Sampling-Option) und der E-mu Emulator (1981). Einige Jahre später gab es auch Sampler, die sich Normalsterbliche leisten konnten, wie z. B. den Ensoniq Mirage (1984).
Fairlight-Geschichte
Entwickelt wurde das FairlightSystem in den 70er-Jahren von den australischen Firmengründern Peter Vogel und Kim Ryrie in Zusammenarbeit mit Motorola-Berater Tony Furse, der schon ein System zur digitalen Wellenform-Synthese auf der Basis zweier Motorola 6800-Prozessoren gebaut hatte. Ein Vorläufer namens Quasar M 8 (um 1976, ein Exemplar wurde verkauft) bot noch keine SamplingMöglichkeiten und war ein Digitalsynth, der mit WaveModulation arbeitete; allerdings waren die klanglichen Ergebnisse unbefriedigend. Vogel und Ryrie statteten das System mit einer neu entwickelten Sampling- Option und einem Mehrspur-Digitalsequenzer aus, der das Gerät zu einem damals konkurrenzlosen Produktionswerkzeug machte, das allerdings nicht ganz billig war. Die Ur-Version des innovativen CMI-Systems von 1979, das zu den ersten Samplern überhaupt gehört, war ab 18.000,− britischen Pfund zu haben, der CMI II ab 27.000,−, die dritte CMI-Version ab 60.000,−, weitere Ausbau-Features kosteten extra. Insgesamt wurden etwas mehr als 300 Fairlight verkauft.
So etwas stellte man sich nicht so ohne Weiteres in den Proberaum, und so war das Edelteil auch nur der High Society der Pop-Szene vorbehalten. Zu den ersten Kunden gehörten Stevie Wonder und (Ex-Genesis-Sänger) Peter Gabriel, der damals New-Wave-beeinflusst auf der Suche nach einem neuen musikalischen Vokabular war. Die Möglichkeiten des Fairlight begeisterten Gabriel, und er unterstützte die Gründung eines Vertriebes für die Geräte.
Die digitale Upperclass
Der Fairlight hat den Sound der 80er-Jahre mitgeprägt. Mithilfe dieser Über-Workstation und (damals) Gott-ähnlichen Produzenten wie Trevor Horn entstanden unzählige Songs, die den Klang dieser Dekade formten und auch noch in der DNA der heutigen synth-lastigen Pop-Kultur zu spüren sind. Auch dank seiner charakteristischen Library hat dieser Sampler Musikgeschichte geschrieben. Die Musikerszene mit dem entsprechenden Budget stürzte sich auf den Fairlight, und mit seiner Hilfe entstanden einflussreiche Alben von Acts wie Duran Duran, Art Of Noise, Devo, Kate Bush, Tears For Fears, Thomas Dolby, Frankie Goes To Hollywood, Herbie Hancock, Human League, Jan Hammer (Miami Vice Theme), Geoff Downes, Prince, Queen, Yello, Keith Emerson, Alan Parsons, Stuart Copeland, Yes und vielen anderen. Auch in der Filmmusikproduktion setzte man das System gerne ein, so ist z. B. die Musik zum Sci-Fi-Kultfilm »Liquid Sky« komplett auf dem Fairlight entstanden.
Die Weltbeherrschungskanzel
Was bekam man, wenn man auf den Kauf des Eigenheims verzichtete und einen Fairlight CMI IIx (das gängigste System) erstand? Das System besteht aus einem (noch heute genial retrofuturistisch wirkenden) monochromen Bildschirm mit Lichtgriffel, mit dem man Daten eingeben und Wellenformen zeichnen kann, einem Rechner mit Voicecards und zwei aus heutiger Sicht bizarr großen 8″-Disk-Laufwerken (bitte die Disketten nicht knicken) sowie einer sechsoktavigen, anschlagsdynamischen Tastatur mit seitlichem alphanumerischem Eingabefeld.
Die teuersten vier Sekunden der Welt
Das innovativste Feature des Gerätes war die Möglichkeit, Natursounds zu sampeln und sie mit der achtstimmigen Klangerzeugung wiederzugeben. Der erste Klang, der jemals mit einem Fairlight gesampelt wurde, war das Bellen des Hundes von Michael Carlos (der den Echtzeit-Sequenzer des Gerätes programmierte). Die ersten CMI-Geräte (1979 bis 1982) boten eine Samplerate von 8 Bit bei einem Frequenzgang von 24 kHz. Die Speicherkapazität betrug 128 Kilobyte (!), sodass die gesamte Samplingzeit auf vier Sekunden begrenzt war. Modell II verfügte dann über einen besseren Frequenzgang von 30,2 kHz, trotzdem blieben (wie beim Fairlight IIX) die 4-Sekunden-Grenze und die Bitrate unverändert. Die IIX-Version arbeitete mit einem schnelleren Prozessor und konnte in einem späteren Update auch mit MIDI und SMPTE ausgestattet werden. Die Modell-Version Series III von 1985 war dann in der Lage, mit 16 Bit zu sampeln, und bot 16-fache Polyfonie. Allerdings konnte sie gegenüber der viel preisgünstigeren Sampler-Konkurrenz etwa von Akais S-Serie nicht viel ausrichten. In der Folge geriet die Firma immer mehr unter Druck und ging schließlich bankrott.
Mehr Synthese-Features
Neben dem Sampling lassen sich mit dem Fairlight CMI IIX auch Sounds mit der additiven Fast Fourier Transform-Resynthese erstellen. Gesampelte Klänge werden analysiert und lassen sich resynthetisiert wiedergegeben. Dabei kann man die Sounds stark modifizieren und die Pegel und Hüllkurven von 32 Harmonischen bearbeiten. Die Resynthese-Sounds haben zwar mit ihrem Ursprung meist wenig zu tun, klingen aber eigen und interessant.
Die allmächtige Page R
Auf der legendären Page R findet man einen achtspurigen Sequenzer, der seiner Zeit weit voraus war: Er bietet Real-Time-Fähigkeiten, grafische Notendarstellung, viele Editier-Möglichkeiten und arbeitet Pattern-orientiert, wobei sich die Patterns zu Songs verketten lassen. Anfang der 80er-Jahre gab es kaum ein System, das bedienungsfreundlicher und leistungsfähiger war.
Sound
Gerade seine klanglichen Limitationen machen den Fairlight attraktiv. Trotz seiner nur 8-Bit-Samplingrate klingt der klassische Fairlight CMI II keineswegs nach Chiptune-Sounds, sondern entfaltet eine massive Körperlichkeit und erstaunliche Durchsetzungskraft. Natürlich gibt es insbesondere in extrem tiefen oder hohen Lagen beträchtliche Aliasing-Geräusche, und die Sounds tendieren dazu, etwas rau zu wirken, aber auch das macht den Charme des Gerätes aus. Spätere Fairlight-Generationen wie Series III klingen dagegen unauffälliger, sauberer und … langweiliger.
Einen nicht unbeträchtlichen Anteil am Fairlight-Kult hat auch die fantasievoll zusammengestellte Werks-Library, die unzähligen Produktionen der 80er-Jahre ihren Stempel aufgedrückt hat und deren Sounds bis heute verwendet werden. Beispiele sind etwa der SARARR-Chorsound (zu hören etwa auf Tears For Fears Shout), der klassische »ORCH 5«- Orchesterhit von Yes (im von Trevor Horn produzierten Hit Owner Of A Lonely Heart) Kate Bushs GLASMASH in Babooshka oder die LOWSTR 2-Strings, die auf U2s The Unforgettable Fire zum Einsatz kamen.
Die Legende kehrt zurück
Auch heute kann man sich einen Fairlight kaufen. Peter Vogel gründete 2009 eine neue Firma (Peter Vogel Instruments, petervogelinstruments.com.au) und bot eine auf 100 Stück limitierte Auflage eines modernisierten Fairlight an (CMI-30A), die über das Look & Feel des Originals verfügt. Wer es etwas platzsparender will, kann sich auch Vogels App fürs iPhone oder iPad besorgen.
Die Testgeräte wurden uns freundlicherweise von Ingo Rippstein (www.synthmaster.de) und Alexander Guelfenburg zur Verfügung gestellt.
Alexander Guelfenburg ist international anerkannter und gefragter Synthesizer-Experte und Musikproduzent. Seine Firma »Virtual Music’s Synthesizer Service« ist spezialisiert auf die Reparatur und den Support von Vintage-Klangerzeugern, insbesondere auf exklusive Systeme wie Fairlight CMI IIX, der PPG Wave-Serie, Rhodes Chroma, Elka Synthex oder OSC OSCar. Musikalisch ist er an Produktionen von Hybrid Machine, Danger in Dream, Homme Beige, Wolfgang Flür u.v.m. beteiligt. Guelfenburg lebt und arbeitet derzeit in Wien. www.virtual-music.at
Wie bist du mit dem Fairlight CMI IIX in Kontakt gekommen?
Ich war schon in meiner Jugend vom Fairlight fasziniert. Aus heiterem Himmel hat mir dann Mitte der 90er ein Musikerkollege seinen Fairlight CMI IIX angeboten − halb defekt, aber komplett und in gutem Zustand. Nach erfolgreicher Restauration und Reparatur lernte ich dieses sensationelle Instrument sowohl technisch als auch musikalisch lieben. Seit 2005 steht bei Virtual Music’s zusätzlich ein umgebautes CMI-Testsystem, womit ich Reparaturaufträge auch von Einzelkomponenten annehmen kann. Das wird von Musikern auf der ganzen Welt gerne genutzt, die nur noch das defekte Modul nach Wien zu schicken brauchen.
Welche Gründe kann es heute für einen Produzenten geben, mit einem Fairlight-CMI-System zu arbeiten?
Das Wichtigste ist der Klang. Es ist schon erstaunlich, wie kraftvoll und interessant dieses 8-Bit-System klingt. Die Technik ist limitiert und die Sounds sind dadurch voller Artefakte − und gleichzeitig geben sie dem CMI erst diesen unvergleichlichen Charme. Die Samples werden auf eine höchst ansprechende Art verfremdet und gehoben. Auch die Synthesizer-Funktionen sind großartig und liefern im Handumdrehen spannende Resultate.
Weiter ist der CMI sehr einfach und intuitiv zu bedienen, die Soft- und Hardware sind High-End und dementsprechend ausgereift und stabil. Im ServiceFall lässt sich das System schnell und gut reparieren. Fairlights sind auch heute noch preisliche Oberliga. Einwandfreie und gut gewartete Systeme werden sehr selten angeboten, denn die Eigentümer lieben ihre CMIs und trennen sich in der Regel nicht davon.
Wie setzt du deinen Fairlight musikalisch ein?
Ich nutze den Fairlight vorwiegend als Synthesizer. Das Ausgangsmaterial ist oft ein Vocal-Sample, das ich dann gezielt verbiege − das verleiht dem Song sofort eine geheimnisvolle Stimmung. Ich triggere die Sounds via MIDI oder spiele direkt vom Keyboard in die DAW. Ab meinem zweiten Studioalbum Eloquence ist der Fairlight in fast jeder Nummer zu hören, wenn auch dezent. Immer wenn im Studio das gewisse Extra gefordert ist, dann greife ich zum Fairlight.