Brand Klaviere & Flügel
In ihrer Werkstatt in Wuppertal Elberfeld haucht die die Klavierbauerin Christa Brand mit ihren handwerklichen Fähigkeiten und jeder Menge Passion nicht nur gebrauchten Klavieren und Flügeln neues Leben ein, unter ihrer Regie entstehen auch echte Piano-Unikate jenseits des Mainstream. Liebhaber individueller Instrumente finden in den Räumlichkeiten des gemütlichen Ladenlokals mit angegliederter Werkstatt neben einer fachkundigen Beratung echte besaitete Kunstwerke gekleidet in edelstes Furnier aber natürlich auch unbunte Klassiker. Im Interview mit KEYBOARDS erzählt die Inhaberin von Brand Klaviere & Flügel über ihre Arbeit, echte schöpferische Momente und warum es letztlich nicht immer Schwarz sein muss.
Wie bist du in deinen Job reingeschlittert? War das Piano immer schon dein Instrument?
Letztendlich war ich irgendwie zwiegespalten – ich wollte eigentlich immer Medizin machen, mein Traum war es heilen zu können. Wir hatten damals einen sehr kaputten Flügel – auf ‘ner Fußbodenheizung, auf dem habe ich immer gern gespielt. Natürlich war auch der Techniker alle Nase lang da, weil das Instrument nun wirklich nicht die Stimmung hielt. Ich war natürlich immer dabei und fand das Ganze total spannend und so kam es dass für mich beide Berufsfelder in Frage kamen.
Nach dem Abitur beschoss ich mich zunächst einmal um ein Medizinstudium zu bewerben – wenn da nichts draus würde, wäre für mich das Thema durch. Ich habe dann auch tatsächlich mit meinem Abschnitt von 1,8 nicht direkt einen Studienplatz bekommen, stattdessen aber den Ausbildungsplatz im Klavierbau. Letztendlich bin ich so auch Heiler geworden, allerdings ohne eine dermaßen große Verantwortung zu tragen, ein kaputtes Klavier lässt sich einfach viel besser ersetzen. Ich denke, dass ich persönlich mit dieser Entscheidung viel glücklicher geworden bin, als es für mich in jedem anderen Beruf möglich gewesen wäre.
Letztlich gab dazu also der kaputte Flügel auf der Fußbodenheizung sowie das Heilen-wollen den Ausschlag.
Du hast selber also auch immer schon Klavier gespielt?
Ja, ich spiele auch immer noch sehr gerne, brauche dafür aber keine Bühne oder ein großes Publikum. Wenn ich mich um Mitternacht noch an den Flügel setze, beschwert sich hier außerdem keiner. Das ist mitunter ein großer Vorteil des Viertels, in dem meine Werkstatt liegt.
Dein Geschäft hast du seit 2001, dein Hauptjob ist Klaviere in Stand setzen, stimmen und reparieren – wie gehst du da ran?
Ich gehe an meine Arbeit sehr, sehr intuitiv ran. Es geht dabei nicht so sehr um Parameter – das kommt alles eher aus dem Gefühl heraus.
Wobei dieses Gefühl natürlich aus der Erfahrung entstanden ist und dabei irgendwie natürlich auch Parameter und Messungen den Anfang bilden. Ich find‘s nach wie vor sehr, sehr spannend, was aus so einem Klavier rauszuholen ist. Jeden Arbeitsgang bis zu 88-Mal auszuführen erfordert dabei schon eine ein gepflegtes Maß an Disziplin, um das so durchzuziehen. Wenn dann aber alles fertig ist, und ich mich an das Instrument setze und spiele – ist das alles in allem ein Moment, den kann ich mir in einem anderen Job einfach nicht vorstellen.
Es ist ein echter schöpferischer, kreativer Moment, für den es sich dann wirklich gelohnt hat.
Man stellt es sich immer so technisch einfach vor, aber im Prinzip ist es ja schon eine sehr indivuelle Arbeit.
Ja! Ich habe beispielsweise mal das Glück gehabt, zwei alte Instrumente der Firma Türmer aus den 20er Jahren zu erwerben, die komplett baugleich waren, und die habe ich unterschiedlich restauriert. Den einen Flügel habe ich so restauriert, wie er dem Klangideal der 20er Jahre entsprach, mit Filzen aus der Zeit, die nicht so geblichen und so hart gepresst waren, und den anderen habe ich mit den Materialien restauriert, die man heute gängigerweise verarbeitet.
Der Unterschied war wie Tag und Nacht.
Wobei sich der original 20er Jahre Flügel schließlich zum echten Ladenhüter entwickelte. Das Klangideal war sehr grundtönig, sehr weich – einfach nicht das, was man heute mit schneller, höher weiter, brillanter, härter verbindet – dieses Fach konnte der nicht bedienen. In meiner Wahrnehmung besaß er jedoch wesentlich mehr Seele als der “Moderne”. Es entsprach einfach mehr dem Instrument. Das ist, als wenn du einen Oldtimer aus den 60er Jahren hast und ihn dann komplett anders lackierst und breite Reifen drauf packst – das macht das ganze normalerweise nicht schöner.
Das alte Klangideal ist nicht Mainstream. Es lässt Brüche zu, die man ja häufig beim Übergang vom Bass, wo die Seiten umsponnen sind und der Mitte hört, wo man den blanken Stahldraht hat. Bei neueren Instrumenten ist das sehr homogen wohingegen die alten Instrumente – bei denen beispielsweise auch der Resonanzboden mal nachgesackt ist – viel mehr wahrnehmbaren Charme mitbringen. Ich persönlich mag die alten wirklich lieber.
Die Seele von so einem Klavier muss für dich erfassbar, wahrnehmbar sein bevor du loslegst?
Man merkt auch in völlig desolatem Zustand, – sprich Resonanzboden gerissen, Stimmung hält nicht, Stimmstock gerissen, Seiten rostig, – ob da Potential dahinter steckt. Aus dem Grund nehme ich auch nicht alles an, was mir angeboten wird. Erfahrungsgemäß ist eben nicht aus jedem Instrument etwas rauszuholen. Von daher nehme ich solche Instrumente nicht einmal geschenkt, auch wenn das für den jeweiligen Besitzer dann schon fast ein Affront ist.
Du setzt wahnsinnig schöne Furniere ein bei deiner Arbeit.
Das sind eigentlich alles neue Klaviere, und ich habe einen Hersteller gefunden, der sich meinen kreativen Ideen stellt und das dann auch so umsetzt. Ich finde nämlich, dass die heutzutage verwandte Schwarzhochglanzoberfläche aus hochpoliertem Kunststoff so ungemein kalt ist. Aber es ist eben auch das, was man gemeinhin mit einem Klavier verbindet. Heutzutage benutzt man Polyester, früher war es Schelllack, der hatte noch eine ganz andere Tiefe und einen anderen Glanz, für meine Begriffe viel, viel schöner.
Heute sind wirklich fast alle Klaviere mit Kunststoff zugespachtelt, drunter ist dann wenn man Pech hat oft nur noch Pressspan. Dabei gibt es so viele schöne Hölzer und auch mit Furnier lassen sich so schöne Bilder kreieren. Ich würde da gerne viel mehr in dieser Richtung sehen, aber die Hersteller neuer Instrumente sind da sehr verhalten, da sie natürlich auch sehr genau drauf achten, was mit ihrem Namen verbunden wird. So was Exotisches möchte jemand, der sich Traditionsmarke nennt, vielleicht dann doch nicht am Markt wissen.
Ich arbeite da mit einem Thüringer Hersteller zusammen, der was das angeht wirklich sehr offen ist. Das ist total klasse! Für das erste Klavier hat er sich das Holz hier selber abgeholt und auch meine Werkstatt und den Laden angeguckt. Und dann haben wir gemeinsam mehrere Instrumente mit wirklich schönen Hölzern belegt. Bei einem Furnier beispielsweise ist der besondere Charme des Holzes der, dass es sehr narbig ist. Da sind sowohl Wurmfraß als auch ein spezieller Pilz drin. Eigentlich ist die Basis ein helles, recht homogenes Ahornholz und von der Optik her eher langweilig. Mit dem Pilz und dem Wurm, bekommt es aber einen bestechenden und ganz einzigartigen Charme.
Die Furniere werden ja auf das Plattenmaterial aufgeleimt. Es ist also kein Massivholz, sondern ganz dünn geschnitten. Beim Verleimen füllen sich diese Wurmöcher natürlich dann auch mit Leim. Der Thüringer ist dann wirklich hergangen und hat die einzelnen Wurmlöcher mit einem Dremel wieder von Leim befreit, so dass es jetzt wieder echte Wurmlöcher sind.
Wow!
Es ist einfach kein Mainstream, sondern etwas ganz Besonderes. Allerdings scheint die Zeit manchmal noch nicht reif für diese Besonderheit, denn 95% aller Klavierkunden hätten ihr Instrument gerne schwarz poliert. Ich hatte auch schon mal einen Kunden, der vor einem umfurnierten Klavier stand und sagte: „Frau Brand, ein superschönes Klavier – was würde es kosten, wenn sie mir das schwarz lackieren?“
Meine Ambition ist nicht primär Masse zu verkaufen oder schnell viel zu verkaufen, sondern ich mache hier schon das, wofür mein Herz schlägt, und das ist eben nicht immer unbedingt das, was am Besten verkäuflich ist.
Aber mir geht‘s ziemlich gut damit und das find ich wichtig.
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