Außergewöhnliche Klanggestaltungskonzepte: Cinematique Instruments
Mit Joachim Dürbeck sprachen wir über die grundlegende Philosophie hinter Cinematique Instruments und über den spannenden Entwicklungsprozess hin zu außergewöhnlichen Klanggestaltungskonzepten.
Wie hat es mit Cinematique Instruments angefangen?
Den Shop gibt es jetzt schon seit 2009. Die Wurzeln des Ganzen liegen wahrscheinlich schon mehr als 20 Jahre zurück. Ich war der Keyboarder in der Band und habe mir mit etwa 19 meinen ersten Sampler von Ensoniq bei Music City hier in Köln gekauft. Ich mochte den Laden, da die Jungs dort es echt drauf hatten, einen sehr inspirierend zu beraten. Man bekam dort nicht unbedingt das, was man ursprünglich wollte, aber was zu einem passt.
Ich habe dann in der Band infolgedessen relativ schnell angefangen, mit Loop-Samples zu arbeiten. Wir waren musikalisch schon immer sehr speziell, und so kam es oft vor, dass auch mal irgendwas fehlte. Es gab ja noch kaum Libraries oder Ähnliches zu kaufen. Ich bin auf der Suche nach Sounds sogar in die Zentralbibliothek gegangen und habe mir folkloristische CDs ausgeliehen, um irgendwelche griechischen Tänze zu sampeln. Eigentlich habe ich alles, was ich soundmäßig bekommen konnte, direkt gesammelt, um das Ganze dann zu bearbeiten oder zu loopen. Ich habe recht früh gemerkt, dass ich eine große Liebe zu Sounds und dem Modulieren von Klängen habe.
Musikalisch ist mir auch bis heute weniger die Melodie eines Parts wichtig als der eigentliche Klang. Von Haus aus bin ich eigentlich Schlagzeuger, auch da beschäftigt mich der Klang. Ich könnte mich jetzt mit dir stundenlang über Snare-Sounds unterhalten …
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Du bist also wirklich einer von den Schlagzeugern, die den Stimmschlüssel immer dabei haben?
Ach da bin ich doch eher Rock’n’Roller; will heißen, vielleicht lass ich den dann auch in der Tasche. (lacht) Aber wenn ich an einem Arrangement arbeite, verwende ich bei Aufnahmen schon viel Zeit auf die richtige Snare mit der richtigen Stimmung, die dann exakt mit diesem Song funktioniert.
Mit dem Einstieg ins Fach Filmvertonung ist das dann leider ein wenig in den Hintergrund getreten, da man aufgrund der Produktionsweise plötzlich mit diesem ganzen Wust an erhältlichen Libraries konfrontiert war. Da musste man halt die allerneusten Streicher haben, die gerade erst rausgekommen waren. Das war dann also insgesamt eher so ein Aufsaugen anstatt Dinge selber zu kreieren.
Wann seid ihr dann auf die Idee gekommen, selbst Instrumente auf Sampling-Basis zu entwickeln?
Irgendwann bewegte sich die Arbeitsweise dann insgesamt wieder in eine eher retrospektiv denkende Richtung. Im Zuge dessen haben wir dann auch angefangen, wieder mehr mit akustischen Instrumenten zu arbeiten, wie Gitarren oder auch mal einer Autoharp. Im Rahmen der Klangfindung ging es uns dann mehr und mehr darum, Sounds zu entdecken, die irgendwie anders sind − eben etwas, was uns die ganze Flut von Libraries eben nicht bieten konnte. Abgesehen von Percussion war es besonders bei Saiteninstrumenten spannend, einen Sound zu schaffen, bei dem man gar nicht so genau sagen konnte, was es jetzt eigentlich ist.
Bei der Autoharp, die ja wie die meisten Seiteninstrumente nicht vollkommen chromatisch ist, habe ich beispielsweise schon zwei bis drei Jahre, bevor wir den Shop hatten, angefangen, mir meine eigene Sample-Library in NI Kontakt zusammenzubauen, einfach damit ich mit diesem Instrument noch flexibler komponieren konnte.
Inspiriert durch die Möglichkeiten, die Kontakt 3 von Native Instruments bereits bot, habe ich dann sehr schnell angefangen, zusätzlich mit Filtern zu experimentieren, um die Sounds insgesamt noch individueller zu gestalten. Auf einmal machte es mir wieder richtig Spaß, etwas Eigenes zu kreieren.
Über WordPress gab es dann irgendwann auch die Möglichkeit, in Kombination mit einem entsprechenden PayPal-Account auf sehr einfache Weise einen international erreichbaren Online-Shop einzurichten. Zwei, drei andere Hersteller von Libraries hatten das bereits erfolgreich gemacht, und da dachten wir, vielleicht wäre das auch was für uns.
Natürlich war uns klar, dass wir schon ein bisschen mehr anbieten mussten als lediglich eine Autoharp. Wir haben dann zusammen mit einem Praktikanten über zwei Monate alles gesampelt, was bei uns herumstand und nicht niet- und nagelfest war. Mit dieser Basis an Sounds sind wir dann also zum September 2009 an den Start gegangen. Und am 01.09. um 13:30 Uhr hatten wir bereits unseren ersten Käufer aus London. Leider funktionierte zu diesem Zeitpunkt der automatische Download noch nicht, sodass ich den Link schließlich per Mail verschicken musste. Nach ein paar Wochen lief dann technisch alles reibungslos.
Parallel dazu habe ich aber auch, wie wir es bereits aus Bandzeiten kannten, angefangen, aktive Akquise zu betreiben. In mühevoller Kleinstarbeit habe ich mir nahezu alle Komponistenverbände in Europa zusammengegoogelt und in Folge einfach ganz frech angeschrieben. Auch aus dieser Aktion heraus habe ich einiges an Neukunden für den Start generieren können.
Mit dem Thema Filmkomposition habt ihr aber natürlich auch eine sehr spezielle Nische geschaffen.
Ach, ich würde mich selber eigentlich gar nicht als Filmkomponist bezeichnen, ich sehe mich eher einfach als jemanden, der Musik macht. Ich hab schon Popmusik, Werbemusik, Dokumentar- und Filmmusik gemacht sowie vier Alben als Solist unter meinem eigenen Namen veröffentlicht. Ich glaube, ich könnte dir heute noch überhaupt gar nicht sagen, was ich in zehn Jahren machen werde. Vielleicht arbeite ich dann immer noch in der Filmmusikbranche, vielleicht ist das Ganze jetzt aber auch nur ein Übergangsmedium hin zu etwas ganz anderem.
Früher habe ich mal so romantisch darüber nachgedacht, dass es bestimmt total cool ist, so mit 80 wie John Williams noch so einen Score pro Jahr zu schreiben. Die Bedingungen können sich aber mittlerweile so schnell ändern, dass so etwas überhaupt nicht mehr planbar ist. Zurzeit akquirieren wir zum Beispiel auch verstärkt in der Games-Szene, das ist für uns ein komplett neuer Markt, bei welchem die Filmmusikkarriere auch nur bedingt weiterhilft.
Trotzdem sind eure Libraries in diesem Metier doch sehr gut aufgehoben.
Auf jeden Fall. Ich sehe es mittlerweile aber auch gar nicht mehr so, dass unsere Libraries so sehr auf den Filmbereich fokussiert sind. Als wir den Markennamen kreiert haben, war das natürlich so, und ich finde Cinematique Instruments als Brand auch immer noch sehr cool. Allerdings weiß ich nicht, ob ich die Firma aus heutiger Sicht noch einmal so nennen würde. Denn neben Filmmusikkomponisten arbeiten mittlerweile auch viele Pop- und Rock-Produzenten genauso selbstverständlich und produktiv mit unseren Instrumenten. Ich denke, jeder, der Musik macht, kann letztlich von diesen spezielleren Sounds profitieren.
Dabei geht es uns eigentlich gar nicht darum, auf Biegen und Brechen irgendwelche ausgefallenen Klänge zu kreieren, das kommt letztlich alles aus unserer Liebe zum Klang an sich. Im Prinzip machen wir unsere Libraries und Kontakt-Instrumente in erster Linie auch für uns selbst. Es sind Sounds und Werkzeuge, die wir selber nutzen und einsetzen möchten. Das Kontakt-Instrument Fabrique sowie der aktuelle Nachfolger Marble entstammen zum Beispiel unmittelbar aus dem individuellen Anspruch an meine Tatort-Vertonungen. Viele Ideen kommen bei uns schlicht und ergreifend direkt aus der Praxis.
Hast du bei der Arbeit von Beginn an schon immer eine ungefähre Vorstellung, wo es klanglich hin soll?
Ich finde es wichtig, dass man, bevor man an etwas rangeht, schon eine gewisse Vision davon hat, wie es letztlich werden soll. Natürlich wird mitten im Prozess dann auch wieder viel von Bruder Zufall bestimmt, aber der kommt auch immer nur richtig ins Spiel, wenn du eben eine Vorgabe hast. Durch das Erreichen eines neuen Levels eröffnen sich immer neue Optionen, die du aber auch nur wahrnimmst, weil du eben an diesen Punkt gekommen bist.
Neben dem Sampling investiert ihr auch viel Zeit in die Programmierung eurer Tools. Was ist das Besondere an euren Software-Instrumenten?
Wenn man sich unsere letzten drei großen Software-Titel Ensemblia, Marble und Interval anschaut, dann sind das eigentlich schon sehr komplexe Engines. Bei Ensemblia beispielsweise wollten wir ein Tool kreieren, mit welchem sich auf einfache Weise postmoderne Orchesterminiaturen à la Steve Reich oder Michael Nyman realisieren lassen. Es ist so gesehen ein Generator für mehrstimmige Patternsequenzen, nur eben nicht mit Drums und Percussion, sondern explizit auf der Grundlage von Orchestersounds. Dazu sollte man das Ganze auch noch im Stile der alten Roland-Step-Sequenzer auf einfachste Art editieren können.
Während man dann so etwas programmiert, kommt man irgendwann an den spannenden Punkt, wo man zum allerersten Mal das Ergebnis der ganzen Arbeit hört und dann merkt, dass alles noch viel, viel besser geworden ist als ursprünglich gedacht. Es ergeben sich im Prozess einfach so viele neue Möglichkeiten, an die man vorher im Traum nicht gedacht hätte.
Marble beispielsweise war eigentlich nur als Weiterentwicklung von Fabrique, also einem virtuellen Gerät zum Abfeuern von Samples, gedacht. Während der Entwicklung stellte ich mir dann die Frage, was wohl passieren würde, wenn man jeden einzelnen Step in exakt jedem einzelnen Parameter ändern kann. Das stellte ich mir ziemlich genial vor. Als das Teil schließlich fertig war, war das Ergebnis plötzlich noch viel besser, als ich gedacht hätte, da ich die Möglichkeiten, die Marble plötzlich besaß, so gar nicht vorausahnen konnte. Was man plötzlich alles aus einem einzigen Track beispielsweise mit Filter, Distortion, Delay, Hall und natürlich Dynamik herausholen konnte, war einfach total irre!
Wir haben dann auch schnell gemerkt, dass die ursprünglich geplanten drei Spuren vollkommen übertrieben gewesen wären und das Funktionsspektrum mit maximal zwei möglichen Tracks bereits mehr als abgedeckt wird. Mit 16 Steps ist man ebenfalls gut bedient, wenn man bedenkt, dass die Parameter auf bis zu 64 Steps laufen und man somit vier Durchläufe Zeit hat, bis sich die Effekt-Patterns wiederholen. Das i-Tüpfelchen bei Marble ist schließlich noch die grafische Morph-Funktion, welche die Klanggestaltung und Vielseitigkeit des Tools noch mal auf ein anderes Level hebt.
Auch bei Ensemblia ging es uns in erster Linie wieder darum, ein Werkzeug zu kreieren, welches in der Lage war, unsere Arbeit mit etwas zu bereichern, was so vorher halt nicht möglich gewesen ist. Ich hatte lediglich die theoretische Idee von einem Instrument, in welchem ich einfach mal gleiche Intervalle übereinanderschichten kann. Als ich mir das nach dem Programmieren das erste Mal angehört habe, war ich völlig begeistert, was sich da plötzlich wieder für klangliche Möglichkeiten eröffnen.
Das Schönste an unserer Arbeit ist eigentlich, dass wir uns aufgrund der durch die Programmierung gesammelten Erfahrung mittlerweile einfach unsere eigenen Klangwünsche erfüllen können.
Wann ist ein Sample oder Sound für dich perfekt? Ganz einfach: Wenn er mich berührt! Ich hoffe, dass dies auch mit ein Grund ist, weswegen Cinematique Instruments als Unternehmen anders ist als andere. Bevor es ein Produkt bei uns über unseren Tisch in den Shop schafft, muss es zunächst erst mal unseren eigenen Ansprüchen in Bezug auf unsere eigene Arbeit genügen. Wir sind, wenn man es genau nimmt, Anbieter und unser anspruchsvollester Kunde in Personalunion.
www.cinematique-intruments.com