Au Revoir Simone: Die hippeste Synthie-Band der Welt
Seit über zehn Jahren sind Au Revoir Simone aus New York als All-Female-Synthesizer-Trio auf der ganzen Welt unterwegs. Vor sieben Jahren trafen wir sie zum ersten Mal, damals im „Atomic Café“ in München, zwei Alben waren zu der Zeit auf dem Markt. 2014 ist ihr 4. Album erschienen, ihre Musik ist druckvoller geworden, ihre Performance noch sicherer, aber das Setup besteht immer noch aus klassischer Vintage-Hardware.
Erica Foster (links) und Annie Hart°
Und das Tolle ist: Au Revoir Simone liefern bei ihren Konzerten echte Synthesizer-Performance ab. Der Bezeichnung „Synthesizerband“ werden die drei New-Yorkerinnen mehr als gerecht. Außer ein paar Drumtracks und Basslines keine Sequenzen, keine Playbacks, keine Tricks – alles wird live gespielt auf vorwiegend Vintage-Equipment. Dabei demonstrieren alle Songs ihres Repertoires ausgefeilte Arrangements in gut abgestimmter Choreographie, an deren Ende tatsächlich alle drei beidhändig spielen und gemeinsam dreistimmig singen. Man sollte die Konzerte der Band nicht verpassen.
Ich treffe die drei 2014 vor ihrem Konzert im Gebäude 9 – Kölns Live-Location Nr. 1 für Indie-Bands. Vom Geheimtipp haben sich Au Revoir Simone offensichtlich fortentwickelt, und das Interesse der Medien hat spürbar zugenommen. An der Theke des Gebäude 9 in Köln spricht Heather d’Angelo mit der Redakteurin eines Stadtmagazins, während Erica Forster Backstage – das Notebook auf den Knien – einem japanischen Kollegen ein Video-Interview gibt. Für uns hat Annie Hart Zeit, um über die Tour und ihre Liebe zu ihren Vintage-Synthesizern zu sprechen.
Währenddessen ist die Roadcrew noch mit dem Bühnenaufbau beschäftigt, was bei den vielen Vintage-Geräten und den zahlreichen Effektpedalen deutlich mehr bedeutet als das Abnehmen von Case-Deckeln vorverkabelter Racks.
In den vergangenen Jahren habe ich immer wieder mal eure Website besucht. Ihr müsst ja schon dreimal um die ganze Welt getourt sein …
Ich glaube, noch öfter. Wir haben uns inzwischen auf jedem Kontinent eine Fanbase erspielt, es kommen stetig neue Freunde dazu, und es gibt tatsächlich ein Stamm – publikum, überall.
Ist die Resonanz auf eure Musik in allen Ländern gleich stark ausgeprägt?
Nein, es gibt schon Unterschiede. Besonders populär sind wir in Südamerika, Mexiko, Japan, Portugal, Spanien und Frankreich.
Und Deutschland?
Sorry, klar, schon unsere ersten Tourneen führten uns ja hierher! Was auffällt ist, dass wir in Deutschland altersmäßig das gemischteste Publikum haben, seltsam.
Wenn man es sagen darf: Ihr habt die heute übliche Lebensdauer von Indie- oder Electro-Acts weit überschritten. Der Erfolg gibt euch aber recht, toll! Gibt es manchmal auch den Wunsch nach einem weniger strapaziösen Leben?
Keine Spur! Wir haben unseren festen Bezugspunkt, unsere Heimatstadt New York, dort sind wir regelmäßig. Unsere Musik steht nach wie vor im Mittelpunkt, wir haben im – mer noch Lust, und die Ideen sprudeln weiter. Unsere Familienplanung hat das auch nicht beeinträchtigt. Ich habe inzwischen einen dreijährigen Sohn, mein Mann ist selbst im Business – er ist Tourmanager bei anderen Bands, wir teilen unsere Verpflichtungen. Das funktioniert!
Was hat sich bei eurem Equipment getan?
Die Technik ist vorangeschritten, die Notebooks sind heute leistungsfähiger und sicherer. Habt ihr inzwischen Softwaresynthesizer integriert? Es ist fast alles beim Alten geblieben. Grundsätzlich arbeiten wir weder im Studio noch auf der Bühne mit Software. Zum einen ist dieses Setup ein Markenzeichen von Au Revoir Simone, ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Der Kompositionsprozess wäre ein anderer, aber vor allem ist das Bühnengeschehen mit Notebooks für uns nicht denkbar.
Das Publikum nimmt bei unserer Art der Performance sehr viel besser wahr, wer etwas spielt, welche der Instrumente welche Sounds erzeugen und wo die Töne herkommen.
Allein aus Zeitgründen wäre es doch praktisch, unterwegs auf dem Notebook zu komponieren, zu arrangieren?
Klar, natürlich habe ich Ableton installiert, GarageBand, ein paar Plug-ins. Manchmal halte ich darauf persönliche Ideen fest. Wenn wir aber Songs entwickeln, werfen wir unsere Ideen zusammen und arbeiten das an unserem eigentlichen Setup aus.
Können wir das bitte einmal durchgehen?
Klar, wenn ich mir’s überlege … wir haben schon einiges ergänzt und ausgetauscht. Vor allem sind jede Menge Pedale hinzugekommen. Das Casio-Keyboard habe ich nicht mehr dabei, dafür habe ich mir einen Roland JX-3P zum Juno-60 dazugestellt. Der Juno-60 muss zunehmend öfter zum Keyboard-Doc, aber er ist unverzichtbar. Der JX-3P geht in ein BOSS-EQ-Pedal und von dort in einen – alten – Electro Harmonix Memory Man. Der Juno-60 geht in eine Boss RC-30 Loop Station. Mein Gesangsmikro wird gesplittet und geht in den Boss VE-20 Vocal Performer. Unseren Nord Electro haben wir durch das neueste Model, den 4D, ersetzt, der auch in einen Memory Man geht, den neuen.
Darauf haben wir, neu hinzugekommen, einen uralten Yamaha CS01, ein extrem „gefährliches“ Gerät. Erica steht an diesem Platz die meiste Zeit, wenn sie nicht gerade E-Bass spielt. Ihr Mikro geht auch in einen Voice Prozessor, den TC Helicon. Bei Heather ist am meisten passiert. Den Boss DR-550 hat sie gegen ein Roland SPD-SX getauscht; wir wollten etwas ausdrucksstärkere Drum-Sounds haben und auch eigene Samples aus dem Studio nutzen – der ist nun voll damit. Er liefert alle Drumtracks und das Sequencing für einige BassSounds, deswegen geben wir auch vier Einzelausgänge raus. Nach wie vor programmiert das Heather, und sie startet die Parts auch händisch ein.
Daneben hat sie den Korg Microkorg (I) auf einem Korg Microsampler, der leider nicht mehr erhältlich ist. Hier haben wir alles, was wir im Studio speziell für einzelne Songs entwickelt haben oder die alten Casio-Sounds. Und auch Heathers Vocals werden noch weiterverarbeitet, sie benutzt auch den Boss VE-20.
Mir gefällt eure neue CD sehr gut. Insgesamt seid ihr etwas härter geworden …
Ja, das Album davor hatte zwar tolle Songs, aber insgesamt wurde es uns doch zu soft. Die allgemeine Wahrnehmung verfestigte sich in Richtung „dreamy Synth-Pop“, wir haben das jetzt mal aufgebrochen. Wie schon erwähnt, wir haben jetzt viel mehr Samples integriert und auf einigen Titeln sogar natür – liche Instrumente.
Auf Crazy und Love Don’t Know ist echtes Schlagzeug zu hören!
Das hat James Richardson von MGMT eingespielt! Kooperationen machen uns Spaß, auch das Touren mit anderen Bands und Kollegen.
Ihr seid auch mal mit „We are Scientists“ unterwegs gewesen …
Ja, und in diesem Frühjahr spielen wir ein paar Gigs mit den „Broken Bells“ … sorry, nun muss ich zum Soundcheck!