Desktop Deluxe

Waldorf Iridium – Desktop-Synthesizer im Test

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Der Quantum ist sicher der feuchte Traum vieler Synthesizerliebhaber, für viele Musiker aber nicht erschwinglich. Mit dem Iridium konvertiert Waldorf das Konzept nun in ein Desktopformat, das zwar auf analoge Filter verzichtet, an anderen Stellen jedoch mit interessanten Neuerungen aufwartet.

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Mit dem Quantum hat Waldorf 2018 einen hybriden Synthesizer der Superlative vorgestellt. Er vereint klassische Wavetable-Synthese, Sampling, Granularsynthese und mehr mit analoger Nachbearbeitung. Weil das Instrument mit einem Preis jenseits der 4.000 Euro nicht für jedermann zu haben ist, hat Waldorf das Konzept sinnvoll variiert. Der duotimbrale Iridium kommt im Rack-fähigen Pultgehäuse ohne Klaviatur und wartet stattdessen mit 16 beleuchteten (nicht dynamischen) RGB-Pads auf, über die sich Noten (chromatisch, skalengebunden) oder programmierbare Akkorde sowie Arpeggios und Sequenzen triggern lassen. Die Klangerzeugung verzichtet auf die analogen Filter, ist ansonsten identisch und in beide Richtungen klangkompatibel (dank kompatibler Emulation der Analogfilter). Dabei kann Iridium sogar 16 Stimmen errechnen, doppelt so viele wie der große Bruder, und arbeitet durchgängig in Stereo. Gleichzeitig hat Alex Hartmann beim Neudesign die Chance genutzt, eine Masterpage für den Ausgang, einen Temporegler und einen Start/Stopp-Taster zu integrieren.

Die Klangerzeugung bietet pro Stimme drei Stereo-Oszillatoren, eine doppelte digitale Filterabteilung, die um eine weitere Filter-/Bearbeitungsstufe namens »Digital Former« erweitert wird. Hinzu kommen üppige Möglichkeiten der Modulation sowie ein umfassender Effektbereich. Die 16 Stimmen teilen sich in zwei Layer auf, die sich hier einen Stereoausgang teilen. Weiterhin finden sich ein Stereo-Audioeingang, Kopfhöreranschluss, MIDI-Trio, USB-MIDI, USB-Host, microSD-Slot, aber keine Pedaleingänge. Dafür gibt es nunmehr acht 3,5-mm-Klinkenbuchsen, über die sich bestens mit modularen Systemen kommunizieren lässt: Gate, Clock-In/Out, Start und vier CV-Eingänge. Anders als beim Quantum gibt es hier ein externes Netzteil.

Jeder Oszillator ist stimmbar, lässt sich im Pegel und Stereopanorama justieren und kann auf eine von fünf Synthese-Betriebsarten zurückgreifen: Virtuellanaloge Wellenformen mit variabler Symmetrie, bis zu achtfachem Stacking und Sync erhält man im Bereich Waveform. Der Bereich Wavetable bietet jede Menge Wellensätze mit teils über 300 Einträgen, die das Erbe von PPG und Waldorf hochhalten, und mit ungemeiner Klangvielfalt glänzen, vor allem durch Klangverläufe, bei denen ein modulierbarer Zeiger zwischen den Wellen hin und her springt. Die Wavetable-Synthese fällt deutlich leistungsstärker aus als in früheren Modellen und gestattet eine Manipulation der Wellensätze, manipulierbar in Spektrum und Auflösung. Dazu können Presets aus dem Waldorf Nave-Plug-in und Audiodateien importiert werden.

Die Particle-Sektion bietet eine lupenreine Sample-Playback-Engine für Multisamples. Diese schöpft aus einem Flashspeicher mit 2,6 GB für vorab auf dem Gerät befindliche, bei Bedarf löschbare sowie eigene Samples im Wav-/Aif-Format. Sogar Audioaufnahmen und Resampling sind möglich. Besonders interessant ist jedoch die Fähigkeit zur Granularsynthese, mit denen sich Samples beliebig stauchen, strecken, transponieren, zerbröseln und als Cluster wieder zusammensetzen kann.

Es folgt der Resonator, der das Thema Physical-Modeling aufgreift und mit spezifischen oder samplebasierten Erregern und einer schwingenden Filterbank Klänge nach anderen Formeln generiert. Zwar konkurriert Iridium dabei nicht mit Spezialisten wie Modartt oder AAS, liefert aber dennoch spannende perkussive Sounds, metallisch, hölzern oder mit Saitenklang, die sich in hyperreale Richtungen bewegen lassen.

Auch die Neuerung des Quantum OS 2.0., die Kernel-Synthese, ist an Bord: Hier lassen sich sechs Klangerzeuger über verschiedenen Methoden der Frequenz-, Amplituden- und Ringmodulation miteinander verknüpfen. Neben unterschiedlichen Wellenformen und Rauschen kann jedes Kernel auch auf die Wavetables zurückgreifen und sogar deren Position durch ein anderes Kernel modulieren lassen. Hier eröffnet sich für Klangbastler eine unerhörte Baustelle. Naheliegend ist natürlich die Nachbildung der FM-Synthese aus dem DX7. Und tatsächlich kann man bereits entsprechende Sounds im SYX-Format über USB oder SD-Karte importieren (ohne Pitch Envelope), die sich dann mit den weiteren Syntheseformen kombinieren und durch Filter weiter verfremden lassen.

Schon allein die drei Oszillatoren des Iridium eröffnen dank der vielen, vielen Wellenformen unzählige Basis-Sounds.

Filter und Effekte

Iridium bietet zwei digitale Filtersektionen, die sogar stereofon arbeiten. Sie lassen sich einzeln justieren und flexibel verkoppeln, etwa in gegenläufiger Richtung oder mit fixierten Abständen. Die Emulationen der Quantum-Filter bieten eine Wahl zwischen Tiefpassfiltern in 12- und 24-dB-Flankensteilheiten mit neutralen, gesättigten und angezerrten Varianten. Ergänzend kann man nunmehr auch auf Filtermodelle von PPG, Nave, Largo und eine SVF-Emulation umschalten, um Hoch- und Bandpässe einzusetzen. Vor, hinter oder parallel zu diesen Filtern lässt sich der Digital Former platzieren. Er bietet die gleichen Filtertypen sowie Kammfilter, Bitcrusher und Ringmodulation. Weitere Vielfalt entsteht durch das variable Routing der Oszillatoren in diese Sektionen. Und als wäre das nicht genug, kommen vor dem folgenden VCA noch zwei dezente Ringmodulatoren hinzu.

Schließlich gehört auch der üppige Effektbereich im Iridium fest zur Klangerzeugung. Hier finden sich fünf seriell angeordnete Effekte, für die sich jeweils zwischen Phaser, Chorus, Flanger, Delay, Nachhall, EQ, Overdrive und Kompressor wählen lässt.

Klangbewegung

Modulationen in Hülle und Fülle sind ein Markenzeichen von Waldorf. Hier gibt es sechs ausgesprochen variable LFOs pro Stimme. Hinzu kommt der Komplex-Modulator, der interessante Modulationsmuster liefert. Von den sechs loopbaren Hüllkurven mit umschaltbaren Kurvencharakteristika sind drei fest für die Filter und den VCA abgestellt. Die Modulationsmatrix bietet 40 Slots und ermöglicht variabel dosierbare Verknüpfungen von 53 Quellen in Form von Modulatoren, Spielhilfen, den erwähnten Eurorack-kompatiblen Schnittstellen und MIDI-Daten (Poly-Aftertouch inklusive) auf sagenhafte 192 Zielparameter. Die Zuweisung kann dabei zentral, aber auch in anderen Screens vorgenommen werden. Mir fehlt eigentlich nur die Möglichkeit, Oszillatoren als Modulatoren zu verwenden.

Abschließend hat Waldorf auch an eine umfassende MIDI-Implementation gedacht, sodass auch Automationen über die DAW möglich sind.

Praxis

Äußerlich und vom Bedienkonzept ist der Iridium durch und durch modern. Der Transfer von Keyboard zu Desktopgerät ist durchaus gelungen. Erhalten blieb das große 7″-Touchdisplay mit sechs kontextsensitiven Encodern. Zwar gibt es weniger Regler als am Quantum, aber dennoch ist deren Anzahl immer noch beeindruckend. Der Bereich unterhalb des Displays ist entsprechend des Signalverlaufs aufgeteilt und wird um die Hüllkurven und LFOs, in umschaltbarer Form, ergänzt. Oberhalb des Displays gibt es acht Taster, mit denen sich zu Bereichen wie der Modulationsmatrix und den Effekten wechseln lässt.

Das Bedienkonzept ist aufgrund der Fülle von Parametern gelungen, erfordert aber wie die Synthesemöglichkeiten selbst eine längere Phase der Einarbeitung. In aller Regel führen mehrere Wege zum Ziel, auch über das gut ansprechende Touchdisplay, das etliche Grafiken, Animationen und sogar einen Spektrum-Analyser liefert. Da es am Gerät keine direkten Spielhilfen gibt, kann man über das Display pro Layer ein X/Y-Pad aufrufen, ebenso wie vier Slider für virtuelle Modulationen. Hinzu kommen besagte Pad-Matrix und MIDI. Glide, Akkordfunktion und unterschiedliche Stimmenmodi sind weiterhin vorgesehen, ebenso der Arpeggiator und der Step-Sequencer mit Parameter-Automationen und Favoritenlisten für den schnellen Aufruf von Klängen in Form von Set-Listen.

Links und rechts vom 7″-Touchdisplay liegen je drei kontextsensitive Encoder, und oberhalb gibt es acht Taster, die zu dedizierten Bereichen führen.

Klang

Von den herausragenden klanglichen Qualitäten des Quantum profitiert der Iridium in vollem Maße. Natürlich ist der Verzicht auf die analogen Filter für Puristen ein Verlust, der sich aber durch den günstigeren Preis klar rechtfertigen lässt. Gleichzeitig sorgt Waldorf durch die emulierten Filter für Klangkompatibilität und durch weitere Filtertypen sogar für eine erhöhte Flexibilität. Dazu hat man es verstanden, das Klangspektrum auf digitaler Ebene durch die Kernelsynthese mit DX7-Soundimport nochmals deutlich zu erweitern.

Die technische Qualität ist dank hochwertiger Wandler makellos. Deren Neutralität verleiht dem Instrument in Kombination mit der digitalen Klangerzeugung einen frischen, modernen Charakter. Nach Vintage-Instrument klingt der Iridium eindeutig nicht. Gleichwohl finden sich unter den Presets jede Menge ansprechende Emulationen analoger Klänge.

In jeder Ebene der Klangstruktur finden sich Optionen, um den Klang zu verändern, aufzublasen oder in die Mangel zu nehmen. Dabei würde ich einen Großteil der 2.000 Presets im digitalen Bereich einordnen: Multisamples mit synthetischem Klangschwerpunkt, granulare Klangwolken, hauchende und metallische Klänge und animierte Wavetable-Fahrten – oft auch mit signifikantem Effektanteil. Eine besondere Stärke sind hybride Klänge, da jeder Oszillator auf eine eigene Engine zugreifen kann. In Kombination mit der umfassenden Modulationsmatrix, den Filtern, die deutlich über konventionelle Entwürfe hinausreichen, und den Effekten sind die Optionen quasi grenzenlos …

Anders als der Waldorf Quantum besitzt der Iridium keine Pedaleingänge, aber dafür hat man ihm acht 3,5-mm-Klinkenbuchsen spendiert, um ihn mit modularem Equipment verbinden zu können: Gate, Clock-In/Out, Start und vier CV-Eingänge.

Fazit

Mit dem Iridium bringt Waldorf die immense Vielfalt des Quantum schlüssig in ein Kompaktformat. Der Verzicht auf die analogen Filter verwässert meines Erachtens das Konzept nicht, sondern platziert den Quantum weiterhin als Premiuminstrument, während der Iridium für die Hälfte des Preises eben signifikant günstiger zu haben ist und dennoch vollumfänglich von den Neuerungen der Fortentwicklung profitiert sowie bezüglich der Polyfonie und der Eurorack-kompatiblen Schnittstellen sogar am Quantum vorbeizieht.

Ansonsten hat Waldorf hier eigentlich alles richtig gemacht: Display, Bedienelemente und das Bedienkonzept bleiben größtenteils erhalten, ebenso wie die hochwertige Verarbeitung. Der Preis ist zwar immer noch kein Schnäppchen, aber angesichts der hohen Leistungsfähigkeit und überzeugenden, inländischen Fertigung völlig angemessen.

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