King of the Road or Red Herring?

Vintage: KORG Electribe SX (*2003)

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Korg_Electribe_SX_Beitragsbild

2001 sang Squarepusher noch über „My Red Hot Car“, und wer noch kein solches in der Garage stehen hat, greift 2004 selbstredend zu der Sample-werfenden, Time-stretchenden, Loop-slicenden und audiotriggernden Alternative Korg Electribe SX von Korg. Was der japanische Hersteller alles unter die feurige Haube gepackt hat und ob uns der Sequenzer auch in Puncto Handling und Qualität überzeugt hat, erfahrt ihr im Test!

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Herr und Frau Korg haben es nämlich gnadenlos durchgezogen: Der neue, viel versprechende, lang erwartete und von Freunden und Förderern der Grooveboxen-Philosophie heiß herbeigesehnte Nachfolger des Electribe S kreischt dem User in allerlautestem Metallic-Rock’n’Roll-Rot ins Gesicht. Autsch!

Zaubertinte

Die gewagte metallic-rote Lackierung von Korgs neustem Streich ist nicht nur sehr mutig, sondern in der Tat auch etwas problematisch. Vor allem wenn man davon ausgehen kann, dass der mit der Electribe SX ausgerüstete PDJ in einer Live-Situation eine Überraschung erleben wird. Die meisten stimmungsvollen Lichtmischungen im Club sind nämlich rot; fällt also ein ebensolcher Lichtschein auf die Maschine, sind auf einem Schlag alle weißen Beschriftungen unlesbar. Auch indirektes, seitliches Licht führt in bestimmten Blickwinkeln zur Einschränkung des Kontrasts. Wer also plant, die Electribe ‚on stage‘ einzusetzen, sollte sie unbedingt direkt anstrahlen – aus farbmathematischen Gründen am besten mit einem hellen Giftgrün, dann ist die weiße Beschriftung hervorragend zu lesen. Ein Schwarzlicht habe ich auch ausprobiert, und das funktionierte ebenfalls ganz gut, es sollte nur wirklich hell sein. Vorteil der zweiten Methode ist natürlich ein gewisser „je ne sais quoi“-Showeffekt.

Features

Über die Electribe MX finden Sie in der KEYBOARDS 11/03 einen ausführlichen Artikel. Viele der gemeinsamen Features werden deshalb hier nicht nochmals ausführlich dargestellt. In derselben Ausgabe durfte ich mich außerdem sehr persönlich zum Thema „Electribes im Live-Kontext“ (Special – live on stage: Beat-Programming) äußern.

Die SX bietet neun Drum-Parts, einen Slice- Part, zwei Stretch-Parts sowie zwei Keyboard- Parts, um Melodien und Phrasen einzuspielen. Weiterhin ist ein Stereo-Audioeingang mit getrennt regelbarer Lautstärke vorhanden, mit dem man externe Quellen mit dem eingebauten Step-Sequenzer triggern und bearbeiten kann – ideal geeignet, um so klassische Dinge anzurichten wie synchron zur Musik Vocals oder Flächen beatsynchron anzutriggern und abzuhacken.

 

Die Effektsektion und der coole Arpegiator für die Keyboard-Parts sind identisch mit denen in der MX. Bis zu 256 Mono- und 128 Stereo- Samples können in der SX gesampelt, geschnitten und abgespeichert werden, einen SmartMedia-Slot für die schnelle Übertragung von WAV-Dateien aus dem Rechner in die SX gibt’s ebenfalls. Die Parts lassen sich im Übrigen wie beim Vorgänger „S“ samt Effekteinstellung auch Resampeln, um Ressourcen für weitere Bearbeitungen frei zu bekommen.

Im Prinzip ist die Electribe SX also ein einfach aufgebauter, aber waschechter Sampler, der im Studioalltag, aber vor allem im Live-Betrieb eine glänzende Figur macht. Wer möchte, kann ein externes MIDI-Keyboard anschließen und die SX auch als Soundmodul verwenden Neu im Programm ist die Sektion STRETCH PART, mit der man zusätzlich zu den neun Drum-Parts bis zu zwei Loops den beiden Stretch- Part-Buttons zuordnen kann. Ab Werk befinden sich bereits sehr gute, treibende und recht nützliche Conga-Rolls, Orgel-Jams und viel anderes, nützliche Zeug, welches man selbstverständlich durch die angebotenen Effekte und Filter jagen kann.

Den ebenfalls vorhandenen SLICE PART kennen wir schon von der Electribe S. Mit seiner Hilfe kann man einen sauber und rund geschnitten, beliebig schnellen Loop innerhalb von 16teln retriggern und automatisch an die Geschwindigkeit des Patterns angleichen lassen. Mit dem Step-Editor lassen sich sogar einzelne Attacks des Slice-Parts aus- oder einschalten. Jeder einzelne Part kann
mit PITCH, PAN, EG TIME, LEVEL, (Sample) START POINT, AMP, ROLL, REVERSE, BPM-synchronem LFO (5 Wellenformen, PITCH, CUTOFF, AMP und PAN) und
einer rudimentären, aber sehr gut zugreifenden und fett klingenden Filtersektion
mit Hochpass, Tiefpass und Bandpass bearbeitet werden.
Komplexe Automationen sind bei herabgesetzter Geschwindigkeit im Aufnahmemodus
ein Kinderspiel. Ich lass mich gerne
auf eine Diskussion ein, aber das sind exakt die benötigten Tools, um eine komplette, instrumentale Tanzproduktion auf den Tisch zu legen – und das alles „out-of-the-box“. Wer bei der Auswahl der Sounds aufpasst und ein Gefühl für gute Tonmischungen hat, wird mit der Electribe SX und den individuell pro Part parametrisierbaren Einstellungen einen durchsetzungsfähigen, sauberen Sound erzeugen, der höchstens noch mit Raumsimulatoren oder Reverbs hier und da angedickt werden müsste, um den Meistertitel „Fettes Brett“ tragen zu dürfen.

Die beiden Keyboard-Parts sind durch das Fehlen der beim MX vorhandenen SYNTH-OSZILLATOR-Sektion etwas rudimentärer ausgefallen, aber irgendwie habe ich sie gar nicht vermisst. Die Auswahl der Wellenformen für die Keyboard-Parts ist sehr gut, und was an „Sound“ fehlt, kann man schnell mit dem Filter ausbessern.

Sound

Weil es sich bei den werksmäßig mitgelieferten Sounds um lebendige und äußerst charmante Audio-Samples handelt, klingt die SX im direkten Vergleich mit der MX einen Tick fetter, oder besser gesagt, sauberer und edler im Höhenbereich. Vor allem wenn man die russischen Röhren ins Rennen schickt, die vor dem Haupt-Analogausgang geschaltet sind, und diese vorsichtig dazu mischt, klingt die Summe deutlich überzeugender und transparenter als beim MX. Ein Grund dafür könnte die geringere Lautstärke der Werks-Patterns sein, somit werden die Röhren nicht gleich pegelmäßig überfahren. Wer hauptsächlich Drum-Grooves in sehr guter Qualität erzeugen will und auf die fünf Synthesizersektionen der MX verzichten kann, sollte daher eher zur SX greifen.

korg-electribe-sx

Ausblick

Verbesserungswürdig ist das neue Electribe-Konzept in jedem Falle, was aber bitte nicht als Kritikpunkt zu verstehen ist – die vorhandene Funktionalität ist bereits hundertprozentig ihr Geld wert.

Eine Idee zwang sich förmlich auf, als ich beim Editieren 8-taktiger Patterns den Durchblick verlor. Man muss schon ganz schön lange warten, bis bei 8/16 Steps diejenige Stelle wiederkommt, an der man einsetzen möchte. Ein simpler BEAT-FREEZE-Knopf rechts von den grün/roten Beat-Lämpchen könnte auf Wunsch nur den laufenden Takt mit 1/16 Steps loopen, was auch live sehr interessant sein könnte. Wenn man plötzlich einen Takt musikalisch „einfriert“ und mit Filtern hochschraubt, kann man im Club schon mal Leute zum Schreien bringen.

Ein weiteres Detail betrifft das alte Jog-Shuttle der kleinen Electribes. Tatsächlich haben die kleinen Electribes gegenüber den neuen einen entscheidenden Vorteil: Das alte, schwarze Jog-Shuttle war viel schneller zu bedienen, da man mit einem Finger in der dafür vorgesehenen Kuhle „einrasten“ und geradezu höllisch schnell die Patterns und Parameter „drehen“ konnte, ohne den Griff zu verlieren. Der neue, viel kleinere Drehknopf rutscht im Eifer des Gefechts doch eher schnell ab. Für die produktions- technische Funktionalität hat das aber keinerlei Bedeutung. Ich vermisse allerdings auch das analoge Delay, das bei den kleinen Electribes vor dem Stereoausgang lag, und mit dem man die komplette Summe in ungeheuer interessanten gesyncten oder asynchronen Dub-Delays ertränken konnte.

Fazit

Ich habe es schon oft gesagt, aber das Interessanteste an den Electribes ist die Tatsache, dass die Benutzeroberfläche sehr logisch aufgebaut ist und die wichtigsten Funktionen einen eigenen Schalter, Drehknopf oder Fader haben. Die paar Menüpunkte, die man im bernsteingelben LCD-Monitor auswählen muss, stören den Arbeitsfluss kaum. Die neuen, „großen“ Electribes besitzen standardmäßig auch drei statt nur einen Effekt pro Pattern, was sie bereits für ausgereiftere Produktionen prädestiniert.
Aus diesem Grunde stellt die SX auch im bereits voll gepackten und mit allerlei Luxus-Hardware ausgestattetem High-End-Studio durchaus eine Bereicherung dar.

Mit ihr kann man nämlich innerhalb von ein paar Minuten komplexe, rockende und hin- reißend mitreißende Groove-Patterns oder Song-Ideen produzieren, noch ehe der Tontechniker all seine Schallwaffen gereinigt und justiert hat.

Allein durch die Tatsache, dass man mit der Electribe SX eine Maschine besitzt, die in der Lage ist, bis zu 15 verschiedene Samples bzw. Loops in Tonhöhe, Pitch und per Filter mit ein paar Handgriffen menülos zu verrenken, macht sie zur interessantesten Verführung, seit es Tisch-Sampler gibt.

Bis auf die problematische Lackierung gibt es angesichts des fairen Preises keinen echten Minuspunkt, höchstens Verbesserungsmöglichkeiten für zukünftige Modelle. Empfehlung des Hauses! 

+ sehr gut und robust verarbeitet live-tauglich
+ fetter Sound und hervorragende Werk-Samples
+ exzellentes Interface
+ Electro-Harmonix-Röhren-Sound
– Jog-Shuttle langsamer zu bedienen als bei den “kleinen” Electribes
– rote Lackierung live problematisch

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