U-he Diva Version 1.3 – Software-Synthesizer im Test
Urs Heckmanns Software-Synthesizer Diva macht seit seiner Veröffentlichung vor zwei Jahren Furore, überzeugt er doch nicht allein mit seinem vollen authentischen Sound, sondern vor allem auch durch sein flexibles Konzept. Diva vereint verschiedene berühmte Vintage-Synthesizer-Emulationen in einem Plug-in, deren Bestandteile sich nach dem Baukastenprinzip kombinieren lassen. Oszillatoren vom Roland Jupiter-6 mit dem HP-Filter eines Korg MS-20 tweaken? You got it. Mit Version 1.3 gibt es 2014 einige interessante Erweiterungen.
Nutzer von Urs Heckmanns Softsynths wissen deren klangliches Potenzial zu schätzen, das mit natürlich wirkendem Druck und Kraftfülle gerade in den für Plug-ins oft kritischen Feldern punkten kann. Auch Diva machte hier keine Ausnahme, als er vor gut zwei Jahren vorgestellt wurde (siehe hierzu auch den Testbericht in unserer Schwesterzeitschrift SOUND&RECORDING 2.2012). Nun gibt es mit der Version 1.3 einige Neuerungen, die einen abermaligen Blick auf den Stand der Dinge erfordern. Aber fassen wir erst noch einmal zusammen …
Was bisher geschah
Das grundlegende Konzept von Diva ist schnell erklärt: Für die vier Basissektionen des Plug-in-Synths (Oszillatoren, Mixer/HPF/Feedback, Filter, Hüllkurven) können jeweils Module, die klassischen Synthesizern nachempfunden sind, angewählt werden. Als Vorbilder lassen sich hier u. a. der Minimoog, Korg MS-20 oder Rolands Jupiter-6 ausmachen. Im gemischten Zusammenspiel ergeben sich hier Möglichkeiten, die bei reinen 1:1-Emulationskonzepten freilich nicht gegeben sind, und man kann nach persönlichen Vorlieben oder momentanen Erfordernissen eine individuelle Signalkette zusammenstellen. Die untere Hälfte des Bedienfeldes beherbergt rechts eine Effektsektion mit zwei Slots, auf der linken Seite gibt’s zwei flexibel konfigurierbare LFOs.
Diese können ebenso wie diverse andere Modulationsquellen via Pop-up-Menüs zahlreichen Parametern zugewiesen werden. Weitere Werkzeuge zum Feintuning finden sich in der Mitte dieses Bedienfeldes auf mehreren anwählbaren Pages: Neben einer Tuning-Sektion sowie Zugang zu den Presets und einem Oszilloskop gibt’s hier unter „Trimmers“ vielfältige Möglichkeiten zur fein dosierbaren Verstimmung der Oszillatoren und Stimmen untereinander sowie gezielten Zugriff auf Ungenauigkeiten von Filtern und Hüllkurven. Der geübte Klangschaffende kann hier also je nach Vorlieben analoge Unschärfe ins Klangbild einmodellieren.
Neue Features
In der Oszillatorsektion gibt es einen Neuzugang: Mit dem „Digital Oscillator“ wird offensichtlich dem Roland JP-8000 – ein Klassiker unter den virtuellanalogen Hardwaresynths – Tribut gezollt. Damit erweitert sich Divas klanglicher Referenzrahmen nun auch bis in die 90er-Jahre hinein. Unter den sieben wählbaren Grundwellenformen sticht natürlich vor allem der charakteristische Multisaw (in Gedenken an Rolands „Super Saw“) heraus, eine Kombination von sieben gegeneinander verstimmbaren Sägezahnschwingungen. Über die Dosierungsfunktion des „Multi“-Reglers kann man hier schon eine Menge Chaos anrichten.
Die zentralen Parameter können von diversen Modulationsquellen angesprochen werden, zudem gibt es auch hier Sync, Cross- und Ringmodulation. Alles freilich inklusive digitaler Artefakte (bei Bedarf können diese über einen „High Quality“- Schalter reduziert werden), wie beim Original! Auch bei den Filtermodulen gibt es Zuwachs: Mit „Uhbie“ ist nun ein 2-Pol-Filter an Bord, das in Funktionsumfang und Charakter an jenes der Oberheim SEM-Module erinnert. Der Clou hier ist die stufenlose Regelmöglichkeit von Lowpass- über Bandpass-/Band-Reject- zum HighpassFilter-Modus.
Dem Vorbild entsprechend klingt dieses Filter sauber und im Vergleich etwa mit dem Moog-Modell eher etwas zurückhaltend; dank seiner enormen Flexibilität und seinem stets angenehmen Grundcharakter empfiehlt es sich aber in zahlreichen Situationen als das Mittel der Wahl. Und das Morphen zwischen den Filtercharakteristiken erlaubt aufregende Klangverläufe, die mit anderen Filterkonzepten so kaum zu machen sind. Als weitere Ergänzung findet sich in der Main- bzw. der Patches-Sektion des unteren Bedienfeldes ein Arpeggiator. Hier wird mit den Einstellungen „Clock“, „Multiply“ und „Swing“ das Timingverhalten geregelt, ebenso gängig dürften die Einstellungen für „Mode“ und „Octaves“ sein.
Daneben finden sich unter „Progression“ einige interessante Features: So ermöglicht etwa „leap“ das individuelle Verteilen der gespielten Noten auf verschiedene Oktaven, während „repeat“ diese hintereinander durch die Oktavlagen wandern lässt. Unter „Restart“ kann eine fixierte Anzahl von Noten für das Arpeggio-Pattern gewählt werden, nach der es wieder von vorne beginnt – damit lässt sich unabhängig von der Anzahl der aktivierten Tasten also immer ein bestimmter Takt halten. Die genannten Neuerungen fügen sich nahtlos ins schlüssige Konzept von Diva ein und ergänzen es auf sinnvolle Weise.
Der Digital Oscillator Uhbie ist eine erfreuliche Erweiterungen von Divas Klangkosmos, während der Arpeggiator live wie im Studio eine Menge Freunde finden dürfte. Noch ein Wort zum schon fast legendären CPU-Hunger des Plug-ins: Beim Test auf einem aktuellen 13″ MacBook Pro mit 2,9 GHz ließ sich auch im klanglich kompromisslosen „divine“-Modus mehrstimmig arbeiten – allerdings klettert das CPU-Meter dann gerne einmal auf Werte jenseits der 50 %. Auf schwächeren Rechnern kann diesem Problem mit den (klanglich ebenfalls zufriedenstellenden) sparsameren Betriebsmodi begegnet werden.
Fazit
Glückwunsch! Diva ist wirklich ein besonderes Plug-in. Seine klanglichen Eigenschaften sind herausragend, und die Bedienung ist einfach und problemlos, obwohl es eine Menge Features und Einstellmöglichkeiten auch „unter der Haube“ gibt. Das Konzept der sektionsweise austauschbaren Synth-Klassiker erscheint stimmig und macht Diva zu einem Vintage-Synth-Plug-in jenseits der perfekten Hardware-Emulation. Es dürfte sich mittlerweile den meisten vermittelt haben, dass die klassischen Analogsynthesizer nicht zu 100 % virtuell ersetzt werden können. Das aber, was man mit ihrer Nachbildung auf Softwarebasis derzeit erreichen kann, scheinen mir Urs Heckmann und sein Team in hervorragender Weise in Diva umgesetzt zu haben. Diva dürfte dadurch gerade auch für Liebhaber klassischer Synthesizer, die gegenüber Softsynths eher kritisch eingestellt sind, eine bedenkenswerte Ausnahme im aktuellen Angebot darstellen. Und für diejenigen, die nach Durchstreifen diverser Plug-in-Dschungel möglicherweise inzwischen müde geworden sind, hat Diva das Zeug zum „One and only“ Plug-in.
Plus/minus
+ klanglich voll überzeugend
+ konzeptuell stimmiger Aufbau
+ sinnvolle Ergänzungen des Feature-Sets