Bei Polyend Synth hat man, wie bei allen anderen Geräten des Herstellers auch, das Gefühl, dass die Entwickler alles ganz genau durchdenken. Auch der Neue mit dem schlichten Namen Synth trägt die klassischen Firmenmerkmale wie seine Vorgänger: Ob Polyends Tracker+ oder Tracker Mini, ob Press oder Step, Play oder der 2017er Seq (ein satter Meter Lauflicht-Sequencer, den ich für die 2017er KEYBOARDS testen durfte). Stets trifft ein stylisches Produktionsdesign mit einer übersichtlich gestalteten – und somit intuitiv und schnell erfassbaren – Benutzeroberfläche auf ein speziell nieschiges, aber spannendes Produktkonzept.
Garniert wird ein solches Polyend-Maschinchen mit der firmentypisch hervorragenden Verarbeitung von Potis und Tastern, die taktil-sinnliche Freuden bei der Bedienung auslösen. Eine fühlbar wertige „Build-quality“, die robust-schwergängig aber auch kontaktreaktiv ist. Anfassen reicht: Sofort zeigt der Poti am Screen seine mit ihm verbundenen numerischen Parameter an. Sexy.
Polyend Synth – die Drei, die Eins sind
Dass der technische Unterbau des Synth wieder eine durchaus Nerd-taugliche Feature-Wut inkorporiert, gehört bei Polyend auch zum guten Ton. Drei parallel verwendbare digitale Synth-Engines, von der jede bis zu acht verschiedene Synthesearten beherrscht, werden durch frei belegbare und farblich differenzierbare Flächen von 5 x 12 leuchtende Steps polyphon und drucksensitiv am Gerät spielbar. Sogar Aftertouch ist hier möglich.
Jede der drei Engines verfügt dabei über Sequencer oder Arpegiator und sehr ausgefuchste Akkordfunktionen je nach Synthesemodell, sowie weiter reichende Modulationsmöglichkeiten. Mit dem gerätespezifischen Akkordmodus können z.B. zwei Synth-Engines dazu gebracht werden, sich gegenseitig zu folgen, also tonal passende Noten mitzuspielen. Eine Engine ist „Follower“ und geht bei Tonarten immer nach seinem Master.
Der neue Polyend Synth hat einige mächtige Sequencer-Funktionen, kommt beispielsweise mit drei unabhängigen 64-Step Sequencern / Arpegiatoren mit individuell konfigurierbarem Pad Playback, Swing, Groove, Humanizer, Rate und Gate-Längen-Parametern. Jede der drei getrennten Synth-Engines kann dabei einen eigens eingestellten Sequencer oder Arpegiator besitzen.

Firmware-Update – kinderleicht!
Zunächst ein wichtiger Tipp für alle, die Polyend Synth in einem Fachgeschäft ausprobieren – oder gerade frisch ausgepackt vor sich auf dem Studiotisch stehen haben: Bitte unbedingt auf die Firmware 1.10 updaten! Dank herausnehmbarer MicroSD-Karte und einem kinderleichten Update-Prozess ist das eine Sache von Sekunden. Vorherige OS-Versionen, auch die unseres Testgeräts, hatten nämlich kleine Audio- und Grafikaussetzer beim schnellen Sweepen des Data-Potis. Die Version 1.10 verschluckt sich zwar auch noch ganz, ganz selten, fährt sich aber um Welten besser. Gerade wer auch mal extrem schnelle Poti-Sweeps im Live-Gezwirbel anstellt, wird auf eine schnelle Umsetzung der Controller-Bewegung nicht verzichten wollen.
Stack me, touch me, play me!
All die verschiedenen Syntheseengines und Sounddesignwelten machen aus dem Polyend in Verbindung mit seinen drei sehr hochwertig klingenden Effektengines (DELay, REVerb, MODulation) und der polyfonen und anschlagsempfindlichen Pad-Matrix, je nach User-Charakter oder Usecase-Szenario jeweils etwas völlig Anderes.
Der Polyend Synth kann sowohl ein kleines Live-Workstation-Instrument für schnell ertüftelte komplette Trackproduktionen minimalistischer Art sein – oder auf Wunsch auch zu einem Supersynth für jene akribischen Sounddesigner werden, denen ein Synthklang einfach nie fett genug ist und für die eine einzelne Engine quasi nur einen von drei übereinander stackbaren Superoszillatoren darstellt.
Wer den Polyend Synth also als kompaktes 3-Synth-Stack verwenden will, steckt einfach nur ein externes MIDI-Keyboard an den Polyend Synth rein und stellt die drei Synth-Engines auf den gleichen „Jack“-MIDI-Kanal. Fertig ist der dreist, feist und sehr rund klingende Synth-Expander für das ganz leichte Live-Bordgepäck im Flieger.

Klassische Synthesen
Trotz seiner kompakten Ausmaße beherrscht der Polyend Synth wirklich eine Menge Klangfarben, nämlich acht: Die Syntheseform namens ACD reimt sich auf ACID und nimmt sich der TB-303- und SH-101-Thematik an. Hier quäkt und ätzt es stilgerecht. Nur ein Driveregler hat mir für die ACID-Spätphase des Hardfloor-Sounds ab 1993 gefehlt, da wurde die 303 nämlich bereits immer öfters etwas angezerrt.

Die Engine namens FAT liefert dagegen den satten Sound von Vintage-Synths mit drei verstimmbaren Oszillatoren, die dazu noch in Vintage Ladder-Filter fahren. VAP ist bescheidener, bildet aber einen quasi-analogen Poly-Synth der Prophet und OB-8-Klasse mit 2 Tongeneratoren nach.

WTFM steht dagegen nicht für „Was-zum-Henker-Handbuch?“, sondern kombiniert eine 2 Operator FM-Synthese mit Wavetable-Oszillatoren und einem dreifachen Feedback-System – Clever!

Digitale Spielereien
PHZ basiert dagegen auf Casio’s etwas exotischerer Phase-Distortion Synthese, bietet aber klangästhetisch durch zahlreiche Features und Modulationsmöglichkeiten – wie etwa „Charakter“ und der X/Y-Matrix die Bewegung ins Spiel bringt – oder den 15 verschiedenen Filtermodellen – ein durchaus modernes Momentum an, das auch ungewöhnlichen Synthese-Wahnsinn erlaubt.

Hinter PMD verbirgt sich im Polyend Synth eine Physical Modelling-Synthese: Typischerweise wird hier das physikalische Verhalten von Saiteninstrumenten an / auf / durch Holz, Glas oder Metall simuliert – also lautmalerisch beschrieben finden wir hier Pleng!, Plong! und Gra-Däng!.

Fast schon luxuriös nenne ich die zusätzliche Implementierung einer Granular-Engine mit dem Namen GRAIN: Mit Parametern wie Burst können temposynchrone Beatgrains abgeschossen werden, während der sog. Cloud Mode sich für rhythmische Texturen und ambientöse Schichten anbietet. Besonders: Im paraphonen Modus der GRAIN-Engine lassen sich auf dynamische Weise texturierte Akkorde anrichten, deren Noten über die Länge des Grain-Playbacks gespreizt sind. Auch das keine Selbstverständlichkeit im Audiowunderland!

Die Engine mit der Understatement-Bezeichnung WAVS bietet last but not least das Morphing zwischen zwei Wavetables mit detaillierter Kontrolle über Scanning und Phasenlage an. Hier klingt es dann angenehm futuristisch und spektral brillant nach MS2000, MODAL, PPG-Wave oder BLOFELD-Vibes. Genau mein Ding.

Filter & Modulation
Die meisten Engines besitzen gut klingende Multimode-Filter mit den typischen Charakteristiken LP, BP, HP, Notch sowie 12 dB oder 24 dB Flankensteilheit. Drei ADSR-Hüllkurven für VCF, VCA und „AUX“ stehen für die zeitliche Klanggestaltung zur Verfügung. Zwei LFOs, die auch zum Takt synchronisiert werden können, stellen eine gute Standardausstattung dar. Eine Modulationsmatrix mit sechs Kanälen pro Engine ist auch an Bord.
Acht maximal gleichzeitig verwendbare Stimmen sind zwar nicht übertrieben luxuriös, reichen aber in den meisten Fällen aus. Die werden bei vielen der im Gerät vorhandenen Demokombinationen oft auch gar nicht erst benötigt. Außerdem gibt es auch Sounds paraphoner Natur im Gerät, die den DSP nicht allzu sehr belasten und auch mehr als 8 Stimmen ermöglichen. Fein raus ist, wer in einer Scene (oberste Hierarchie) auch mal eine monophone Sequenz oder Arpeggio verwendet.

Wie klingt der Polyend Synth denn jetzt?
Ziemlich gut! Mit dem internen Kanalmischer können die drei digitalen Engines ihre „analogen“ Synthesen schön umsetzen. Deren Send/Returns für die drei sehr gut klingenden Effekte lassen sich sehr schön abstimmen. Panorama pro Synth ist ebenfalls einstellbar. Ein ausgefuchster und akribischer Sounddesigner vermisst an dieser Stelle natürlich Post-EQs zum Feinabstimmen von einzelnen Frequenzbereichen. Auch Drive- oder Sättigungsschaltungen, um klassische Obertonanreicherung auf den einzelnen Synth-Engines zu erzeugen, wären willkommen.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass Polyend hier in einem der kommenden Updates mal nachlegt. Das wären zumindest mal echt sinnvolle Funktionen. Bis dahin lassen sich aber Obertonstruktur und subtilere Klangfarbenanpassungen über Parameter wie „Noise“ oder „Shape“ direkt in der Synthese einstellen. Das gelingt dank der sehr präzisen Echtzeitdarstellung der Wellen- und Oberwellenstrukturen auch in seinen natürlichen Grenzen.
Fazit:
Abschließend würde ich anmerken wollen, dass der Polyend Synth beim Spielen meist zu futuristischen, experimentellen oder schlicht modernen Klangwelten hinüberführt. Nicht selten überrascht er mit abgefahrenen IDM-Strukturen, die normalerweise mehr musiktechnischen Aufwand in einer DAW erzwingen würden. Ein sehr spannendes, Kreativität evozierendes Gerät mit sehr viel Spaß und viel Tiefgang.
Link zur Herstellerseite: Polyend
Affiliate Link:

Polyend Synth
Digitaler Synthesizer mit 8 Stimmen, 8 Synthese Engines, spurübergreifende Akkord-Strukturen, Arpeggiator, Sequenzer und Effekten.
auf musicstore.de bestellen
Unsere neuesten Beiträge
Einstellung des eLicenser-Modells zum Mai 2025
Steinberg verabschiedet sich vom eLicenser: Abschaltung im Mai 2025 Hamburg – Der Softwareentwickler Steinberg beendet [...]
weiterlesenApr.
Behringer 2-XM – News
Behringer stellt 2-XM vor – eine Hommage an den Oberheim Two-Voice Synthesizer Mit dem 2-XM [...]
weiterlesenApr.
Test: Polyend Synth – die Kraft der drei Herzen
Bei Polyend Synth hat man, wie bei allen anderen Geräten des Herstellers auch, das Gefühl, [...]
weiterlesenApr.