Synthesizer mit Modul-Erweiterung

Test: Pittsburgh Modular Taiga Keyboard

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Pittsburgh Modular Taiga Keyboard semi modularer Synthesizer
Die Keyboard-Version des Taiga mit Erweiterung für Eurorack-Module (Bild: Pittsburgh Modular)

Der mächtige Bär als Wappentier für das Pittsburgh Modular Taiga Keyboard deutet schon mal an, das wir es hier mit einem ausgewachsenen Herrscher der Wildnis zu tun haben. Letzteres bezieht sich hier natürlich auf die extravaganten und nuancenreichen Klangmöglichkeiten dieses Boliden.

Das Konzept des Pittsburgh Modular Taiga Keyboard

Zunächst haben wir da einen System-Aufbau, wie schon damals beim Minimoog: 3 Oszillatoren – Mixer – Filter – VCA mit zwei ADSR-Hüllkurven und einem LFO. Beim Taiga kommen da noch ein zweiter und dritter LFO dazu, sowie eine spezielle Dynamikabteilung, die sowohl reine VCA-Anwendung als auch zwei Lowpass/Gate-Varianten mit Resonanz bietet. Nicht zu vergessen, das Echos genannte BBD-Delay.

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Der Taiga ist ein voll-modulares, parafones System mit rein analogem Audio-Pfad. Praktischerweise sind aber die für den Signalfluß notwendigen Module und diverse Modulationsfunktionen normalisiert (d.h. intern über Trennklinkenbuchsen verbunden). Neben dem leichtgängigen, aber keineswegs klapperigen Keyboard mit Aftertouch kommen weitere moderne Austattungsmerkmale wie MIDI-In und -Out über DIN-Buchsen und USB dazu.

Das Control-Modul ganz links, steuert Arpeggiator, Clock- und Velocity-Verhalten und liefert Ausgänge für Velocity, Aftertouch, Pitch, Clock, Gate und einen MIDI-CC. Das Modulationsrad ist eher ein Multifunktionsrad. Neben den üblichen 0-5 V, kann man zwischen einem Tempo-synchronen Dreiecks-LFO, einer Decay-Hüllkurve und einer durch Gate-Signale getriggerten Zufallsspannung umschalten.

Pittsburgh Modular Taiga Keyboard top
Vorverdrahtet und daher direkt spielbereit. Seine besonderen Fähigkeiten offenbart der Taiga aber erst, wenn man die umfangreichen Steckmöglichkeiten nutzt. (Bild: Pittsburgh Modular)

Variable Wellenformen

Pittsburgh Modular setzt bei den 3 gleich aufgebauten VCOs ihren bewährten Sawtooth-Core ein, der mittels bis zu drei Waveshapern alle weiteren Wellenformen erzeugt. Die gewünschte Form wird per Taster ausgewählt und mittels LEDs angezeigt. Insgesamt entstehen diese neun Varianten:

• Sinus
• Warped Sinus
• Dreieck
• Warped Dreieck
• Sägezahn
• Warped Sägezahn
• Pulswelle
• Sinus und Pulswelle
• Zufällig gewählte Wellenform

Als nächstes durchläuft das Signal den Wavefolder, welcher bis zu sechs Faltungen erzeugt und damit stetig ansteigende Obertöne mit der Folder-typischen Charakteristik generiert. Auf die Warped-Versionen der Wellenformen reagiert der Wavefolder auf interessante Weise anders als bei den Standardformen, was dem Filter eine schöne Angriffsfläche bietet. Interessant wird es, wenn der Wavefolder dynamisch gesteuert wird, etwa durch die vorverdrahteten LFOs oder eine der Hüllkurven.

Der Frequenzbereich der VCOs ist riesig und reicht von ca. 1Hz bis jenseits des Hörbereiches. Dadurch eignen sie sich auch als Modulationsquelle mit ungewöhnlichen Wellenformen.

Pittsburgh Modular Taiga Keyboard VCOs
Zusätzliche Dämpfung für die äußerst sensiblen VCO Coarse-Potis bringt die Gummidichtung einer Bügelflasche. (Bild: Joker Nies)

Mixer mit Split-Funktion

Im Mixer finden die Signale der VCOs, einer Rauschquelle und eines Aux-Eingangs mit Gain-Regler zusammen. Von der Mittelstellung aus bieten die Regler Gain-Reserven um das Filter heisser anzufahren und Verzerrungen zu erzeugen. Will man mehr Pegel, kann man den Aux-Eingang hinter den Mixer verkabeln und so dem Filter mit bis zu 30-fachem Gain auf den Leib rücken.

Das besondere am Mixer ist seine Split-Funktion. Über die Steckverbindungen kann man den Mixer aufteilen und so Kanal 1+2 für die Mischung von CV-Quellen nutzen, während die VCOs mit den restlichen Eingängen verkabelt werden.

Stabiles Filter

Klangprägendes Element ist auch hier das Filter. Pittsburgh Modular glänzt mit dem vor über 10 Jahren entwickelten PGH-Filter, ihrer höchst gelungenen Interpretation eines 12 dB State-Variable Designs. Prinzipbedingt kann man hier Tiefpass, Bandpass, Hochpass und Bandsperre erwarten. Der Taiga bietet zusätzlich weitere Kombinationen, wie Lowpass+Bandpass, Bandpass+Highpass und dazu noch eine zufällige Filtercharakteristik.

Das Besondere aber ist das klangliche Verhalten und die Resonanzeigenschaft. Hier gibt es keine Dead-Spots und dadurch erzeugte Pegelschwankungen über den Frequenzbereich. Wo bei steigender Resonanz viele Filter an Pegel verlieren, bleibt hier alles auf stabilem Level und nimmt bei hohen Resonanzwerten sogar ein bisschen zu. Dank dieser Eigenschaften klingt das PGH-Filter in allen Frequenzbereichen durchsetzungsfähig und nuancenreich.

Pittsburgh Modular Taiga Keyboard Patch-Kabel 2
Taiga Keyboard im Studio (Bild: Joker Nies)

Dynamik und Delay

Die Dynamikabteilung bietet drei Funktionsmodi. Als reiner VCA regelt sie die Lautstärke des Audio-Signals mittels der zugeordneten Hüllkurve oder anderer Modulationsquellen. In den beiden Lowpass/Gate-Modi verändert sich auch das Klangverhalten, da sich bei steigender Steuerspannung das Tiefpassfilter weiter öffnet. Zusätzlich gibt es regelbare Resonanz mit milder Wirkung. Anders als bei historischen Lowpass/Gates, deren Wirkung stark vom Verhalten der Opto-Koppler abhing, bedient man sich bei Pittsburgh Modular moderner Schaltungstechnik um konsistente Ergebnisse zu erzielen.

Beim zweiten LPG-Modus kommt ein kurzer Gate-Impuls zum Einsatz, der das LPG triggert. Nun bestimmt der Response-Regler das Ausschwingverhalten, wenn nicht zusätzliche weitere Quellen, wie etwa die ADSR-Hüllkurve hinzukommen.

Modulationsquellen

Hier scheint der Taiga auf den ersten Blick etwas mager ausgestattet. Die beiden LFOs bieten Sinus- und Rechtecksignale in zwei Frequenzbereichen (41 Sek. – 5Hz und 2Hz – 500Hz). Es gibt eine Sample&Hold-Schaltung, die sich im oberen Steckfeld verbirgt. Dazu kommen die diversen Möglichkeiten des multifunktionalen Modulationsrads.

Die CV-Signale, die hier erzeugt werden, stehen an der Multi-Output-Buchse an und sind als mod-tool (grüne Beschriftung) mit dem Filter und der Dynamik Sektion vorverdrahtet.

Wer nicht gerne Manuals liest, sollte am Anfang zumindest den Taiga Keyboard Quick Start Guide bereit halten. Hier sind die diversen Tastenkombinationen aufgeführt, welche das Control-Modul steuern und die Funktionen des Modulationsrads zusammenfassen.

Während die Haptik aller Drehregler mit ihrer leichten Dämpfung sehr gut ist, wird das bei den großen Coarse-Reglern der VCOs zum Problem. Dank des enormen Frequenzbereiches, den diese überstreichen, reicht die leichteste Berührung um den VCO zu verstimmen. Hier gibt es aber einen kleinen Trick, der immer hilft: einfach einen Dichtgummi einer Bügelflasche unter dem Potiknopf anbringen und schon kann man die Gängigkeit des Potis perfekt einstellen.

Pittsburgh Modular Taiga Keyboard Patch-Kabel
Will man die Features der Patchbay ausnutzen, sollte man mehr als die mitgelieferten 10 Patchkabel einplanen. Insbesondere kurze und längere Kabel (über 50 cm) sind hier gefragt, um auch den Erweiterungsschacht zu erreichen. (Bild: Joker Nies)

Bei allen Modulationsreglern ist Fingerspitzengefühl gefragt. Die Regelbereiche sind sehr groß und oft reichen bereits wenige Grad um genug Modulationshub zu erzeugen. Ähnliches gilt für die Wirkung von Filter und Lowpass/Gate. Kleine Veränderung können bereits deutliche klangliche Unterschiede ausmachen.

Die umfangreichen Möglichkeiten des Steckfeldes einzeln aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen. Daher an dieser Stelle drei praktische Tipps:

1. Wer Pitch-Tracking beim Filter vermisst, kann den Pitch-Ausgang der Control-Sektion dafür nutzen.
2. VCO- und Filter-FM gelingen deutlich interessanter, wenn man die dedizierten Sinusausgänge der VCOs, statt der statischen LFOs nutzt.
3. Synth- und Echo-Signale lassen sich auch getrennt auf die Ausgänge verkabeln.

Pittsburgh Modular Taiga Keyboard Abacus
Der Erweiterungsschacht bietet 24 TE Platz für die persönliche Wahl an Eurorack-Modulen. Wir haben für den Test einen Behringer Abacus eingebaut. (Bild: Joker Nies)

24 TE für Erweiterungen

Durch den integrierten Eurorack-Erweiterungsschacht mit 24 TE Breite lässt sich Taiga individualisieren und mit weiteren Modulen deiner Wahl bestücken. Die Auswahl am Markt sollte da kaum Wünsche übrig lassen. Wie wäre es z.B. mit einem weiteren Oszillator und einem Sequenzer? Auch ein Sampler plus Multi-Effekt-Modul könnten hier Spaß machen. Für unseren Test haben wir den Behringer Abacus eingebaut, einen Klon des Math-Moduls von Make Noise und die restlichen 4 TE für ein Multiple verwendet. Das vervielfacht die Modulationsmöglichkeiten zu einem sehr moderaten Preis.

Fazit

Wer ein bühnenfertiges Instrument mit eigenem Charakter sucht, ist hier richtig. Auch für den Einsteiger in die Eurorack-Welt ist das Taiga Keyboard eine Steilvorlage. Dank der Westcoast-Gene, Wavefolder und Lowpass/Gate, kann man auch spielerisch in buchloide Klanggefilde eintauchen und wird dabei viele weitere und eigenständige Sounds finden. Im Handel beträgt der Preis für das Pittsburgh Modular Taiga Keyboard 1.299,- Euro. Von uns gibt es eine klare Empfehlung, den Synthesizer anzutesten!

+ eigene Klangästhetik
+ modular erweiterbar
+ liebevoll und informativ gestaltetes Manual
– VCO Coarse-Regler zu leichtgängig

Unter diesem Link findet ihr weitere Informationen vom Hersteller zum Taiga Keyboard.

Pittsburgh Modular Taiga Keyboard könnt ihr bei unserem Partner MUSIC STORE erwerben.

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