Mit Fred’s Lab Manatee stellt der in Bonn ansässige Hersteller einen multitimbralen Desktop-Synthesizer im Kompaktformat vor, der gleich mehrere Syntheseansätze in digitaler Form fusioniert. Das verspricht spannende Klänge, die über die konventionelle virtuell-analoge Klangerzeugung hinausgehen.
Hinter der Firma steht Frédéric Meslin, der bereits im Auftrag von Arturia am Minibrute 2 und für Teile des MicroFreak zuständig war sowie an der Umsetzung des Mutable Instruments Braids beteiligt war. Ferner hat Meslin mehrere Hardware-Synthesizer konzipiert, die in einem weniger professionellen Design daherkommen. Manatee präsentiert sich nunmehr als Serienprodukt mit gefälligem Design, über den Fachhandel zu erwerben ist.
Ein kleiner Rundgang
Die Seekuh (engl. Manatee) hat ihre Inspiration aus dem Computerspiel Monkey Island. Allerdings hat das mächtige Säugetier mit dem Synthesizer weniger gemein, der als kompaktes Desktop-Gerät daherkommt. An der Verarbeitung gibt es wenig zu kritisieren: Manatee bewohnt ein kompaktes, robustes und pulverbeschichtetes Metallgehäuse. 23 verschraubte Regler, eine Reihe von Tasten mit Statusanzeigen sowie ein hintergrundbeleuchtetes Display mit 2 x 16 Zeichen sollen den Zugriff zur leistungsstarken, vierfach multitimbralen Klangerzeugung ermöglichen. Auf der Rückseite finden sich zwei Stereoausgänge (auch als vier Monoausgänge nutzbar), ein Kopfhörerausgang, ein MIDI-Trio, ein analoger Clock-Eingang (1-48 PPQ) und der Anschluss für das mitgelieferte externe Netzteil.

Die Oszillatoren von Fred’s Lab Manatee
Fred’s Lab Manatee bietet vier Parts mit individuellen Presets, die dynamisch auf insgesamt 16 Stimmen zugreifen. Pro Stimme gibt es je einen Spektraloszillator (Gen) und einen virtuell-analogen Oszillator (Sub). Eine Hüllkurve adressiert gleichzeitig den Pegel- und Filterverlauf. Das Filter ist ein Multimodetyp. Es wird um eine konfigurierbare Drive-Schaltung ergänzt.
Der Spektraloszillator bietet eine kleine Auswahl an Basiswellenformen (Sinus, Sägezahn, Rechteck, Glocke, Peak).
Per Spektrum-Regler fügt man per Faltung ergänzende Obertonspektren für die ersten acht Harmonischen hinzu (Part, Root, Even, Odd, 7-Up, 4 Sure, Tek 5, TX Bells, B-Split, Ana-Mix, Whats47, Aaaah, Early-V, Late-V, Oddstep, Everrise, Exponrg und Fullbar. Dieses erweiterte Spektrum lässt sich nunmehr über die Parameter Formant, Rotation und Inversion weiter verändern. Da im Hintergrund eine additive Klangformung arbeitet, wird tatsächlich die Obertonverteilung verändert, ohne dass man hierfür auf etliche Parameter zugreifen müsste. So ergeben sich jede Menge Grundklänge, die jederzeit verändert und sogar moduliert werden können.
Im Vergleich fällt der virtuell-analoge Oszillator eher einfach aus. Er bietet vier in der Symmetrie variable und modulierbare Wellenformen (Sinus, Dreieck, Sägezahn, Rechteck). Dazu sind Super-Sägezahn und -Rechtecke möglich, die für höhere Klangdichte sorgen. Eine Frequenzmodulation mit mehrfach umschaltbarem Modulationsverhältnis und regelbarer Intensität steht für die ersten zwei Kurvenformen bereit und ermöglicht das Schaffen komplexer Obertöne. Ergänzt werden die beiden Bereiche um einen variabel ausformbaren Rauschgenerator und einen Ringmodulator.
Flexible Filtersektion
Das Filter bietet Tief-, Hoch- und Bandpässe in unterschiedlichen Flankensteilheiten sowie ein Kerbfilter, allesamt mit regelbarer Resonanz. Über den virtuelle VCA gelangt der Klang schließlich in die Drive-Sektion, die alternativ eine pseudoanaloge Sättigung, Distortion und einen Bitcrusher bietet, um Sounds stufenlos von weich bis hin zu bissig und aggressiv zu gestalten.
Die vier Parts wandern von hier in einen übergeordneten Mixer. Hier finden sich zudem ein zumischbares synchronisierbares Delay mit drei Betriebsarten und Verzögerungszeiten zwischen 1 ms und acht Sekunden, ein doppelter Equalizer und ein Nachhall.
Zur Komplettierung: Jeder Part verfügt über einen eigenen Arpeggiator. Dazu lassen sich die Klänge monophon, unisono oder polyphon spielen und mit Legato versehen. Auch lassen sich die Stimmen im Stereopanorama verteilen, um Klänge zu verbreitern.

Loop-Hüllkurven & One-Shot-LFOs
An Bord sind zwei Hüllkurven, ein stimmbasierter LFO und zwei Part-basierte LFOs. Neben den obligatorischen Festzuweisungen der Hüllkurven auf die Filtereinsatzfrequenz und die Lautstärke lassen sich weitere Verknüpfungen flexibel umsetzen. Die Bedienung der Hüllkurven weist einige Besonderheiten auf: So sind die Parameter Attack, Sustain und Release stets verkoppelt, während die Decay-Regler doppelt ausgeführt wurden. Bei Bedarf kann man aber die Parameter Attack und/oder Sustain entfallen lassen und so eine gewisse Unabhängigkeit erreichen. Damit lässt sich durchaus leben. Dennoch hätte ich eine konventionelle Variante bevorzugt. Schön dafür, dass sich die Hüllkurven auch loopen lassen.
Die LFOs sind umfassend konfigurierbar, bieten 16 Wellenformen und sogar die Möglichkeit, bis zu drei Wellenformen hintereinander zu reihen. Sie verfügen über eigene Attack- und Release-Hüllkurven und können bei Bedarf im One-Shot-Modus laufen.
Die Zuweisung weiterer Modulationen erfolgt über eine Matrix mit drei Slots, die auch die Effektparameter umfasst. Hier lassen sich auch MIDI-Befehle wie die Anschlagsdynamik oder Spielhilfen nutzen. Überhaupt bietet Manatee eine umfassende MIDI-Implementation. Dazu gehört inzwischen auch eine Unterstützung für MPE, sodass entsprechende Keyboards und Controller mit erweiterten Möglichkeiten adressiert werden können.
Fred’s Lab Manatee in der Praxis
Das kompakte Desktop-Format ist wirklich praktisch und erlaubt es, Fred’s Lab Manatee stets mitzuführen. Die Bedienoberfläche bietet eine Menge Zugriffsmöglichkeiten in Form dedizierter Regler und Tasten. So erreicht man etliche relevante Parameter direkt und hat damit zielgerichtet Echtzeitzugriff auf die Klangformung. Etwas Übung und Einarbeitung ist dafür notwendig.
Die Regler, ergänzende Funktionstasten und Alt-Funktionen bringen Menüs in mehreren umschaltbaren Seiten auf das Display, wo sie über drei weitere kontextsensitive Regler justiert werden.
Das Display ist zwar nicht grafikfähig, spricht aber Klartext und ist bemüht, mit unterstützender Visualisierung zu helfen. Das System ist durchaus schlüssig. Andererseits sehe ich durchaus Potenzial für eine „größere“ und teurere Version, die ebendiese Bedienoberfläche erweitert.
Für eigene Klängen stehen 256 Speicherplätze bereit, die um 64 feste Klänge ergänzt werden. Zum Multimode: Die circa 16 Stimmen lassen sich dynamisch auf vier Parts und MIDI-Kanäle verteilen. In Kombination bilden sie unabhängig verwaltete Multis, für die nochmals 32 Speicher bereitstehen.
Firmware-Updates /Stand bei Test: 1.06d) lassen sich online über einen kompatiblen Browser und MIDI-Interface ausführen. Das kostete in der Praxis deutlich mehr Mühe als die heute übliche USB-Schnittstelle. Es lohnt sich dennoch, denn Manatee wurde bislang regelmäßig mit Updates bedacht. Neben Bugfixes und Optimierungen hinsichtlich der Rechenleistung und Bedienung gab es Neuerungen wie die erwähnte MPE-Unterstützung. Bemängeln habe ich das Fehlen eines Handbuchs, das offenbar noch in Arbeit ist.

Wie klingt Fred’s Lab Manatee?
Man sollte sich von der Größe nicht täuschen lassen. Fred’s Lab Manatee ist ein erwachsener multitimbraler Synthesizer, dessen Klangpotential erstaunlich hoch ausfällt. Er liefert virtuell-analoge Klänge, hat aber auch den Mut, digitale Klangfarben in sein Spektrum aufzunehmen. Er ergänzt Aspekte der additiven Synthese und der Frequenzmodulation und schafft damit eine Ausgangsbasis, die digitale und „analoge“ Elemente verschmilzt. Entsprechend sollte man Manatee etwas Zeit gönnen. Im virtuell-analogen Bereich punktet er mit einem ergiebigen, gut klingenden Filter, schnellen, knackigen Hüllkurven sowie gefälligen, lebendigen Flächen. Es drückt im Bass, strahlt im Obertonbereich und klingt in den mittleren Frequenzen nicht steril. Dabei bekennt sich Manatee auch zu seiner DSP-Basis und klingt daher tendentiell im virtuell-analogen Bereich eher offen und analytisch als warm und nach alter Analogtechnik.
Auf der anderen Seite liefert Manatee eine Menge digitaler Klänge, die mal glasig, mal hauchig, mal nach FM und dann wieder atonal und ruppig daher kommen. Richtig spannend wird es schließlich im Übergang zwischen diesen Bereichen. Digitale und virtuell-analoge Oszillatoren stehen gleichberechtigt nebeneinander und liefern in Kombination eine eigene Note im Grundklang. Dieser Synthesizer versucht gar nicht erst, nach Prophet, Jupiter oder Moog zu klingen. Vielmehr bewegt er sich fließend zwischen der „klassischen“ und digitalen Welt, die sich zudem intuitiv über die Regler editieren lässt sowie über MIDI dynamisch spielbar ist. Arpeggios, Melodieklänge, Flächen, Pads, Percussions … all das gelingt spielerisch und mit guten Resultaten.
Natürlich lassen sich auch digitale Klänge über die Filter überprägen.
Der Sound von Filter & Effekten
Die Resonanz fällt bei Bedarf kräftig aus, bettet sich aber gut in das Hauptsignal ein. Ein Pluspunkt gibt es für die Filtertypenauswahl. So überzeugen etwa die Hochpassmodi, mit denen man Klängen soviel Körper wie nötig verleihen kann, ohne das Arrangement mit Bässen zu überfrachten. Auch sind die Filtertypen bestens kombinierbar mit dem variablen und modulierbaren Obertonspektrum des Spektraloszillators. So kann man etwa per Bandpass ein Frequenzfenster schaffen und darin die additiven Spektren verschieben. Schließlich das Instrument dank 24-Bit-Wandlern und stufenlos aufgelösten Parametern auf der Höhe der Zeit.
Ein abschließendes Wort zu den Effekten. Sie stellen für meine Begriffe keine besonderen Highlights dar, komplettieren aber sinnvoll das Konzept. Der Nachhall klingt anständig und ein programmierbares temposynchronisierbares Delay ist ebenso praktisch wie Equalizer-Sektion pro Part.

Fazit
Mit Fred’s Lab Manatee fügt der Bonner Kleinhersteller dem Synthesizermarkt eine neue Farbe hinzu. Dem kompakten aber dennoch übersichtlichen Instrument gelingt ein Brückenschlag zwischen virtuell-analoger Synthese und weiteren Verfahren der digitalen Klangsynthese. Somit bewegt sich das Testgerät zwischen mehreren Welten und liefert eigenständige unverbrauchte Klänge, ohne die Tugenden der subtraktiven Synthese außer Acht zu lassen.
Manatee tritt nicht an, um den Prophets dieser Welt Paroli zu bieten. Vielmehr zeigt schon der Aufbau der Klangerzeugung, dass Frédéric Meslin Freude eigene Ansätze verfolgt und diese zudem in einem verständlichen Bedienkonzept nutzbar macht. Die Stärke von Manatee liegt für mich tatsächlich in dem Bereich, wo dieser Synthesizer aus beiden Welten schöpft und damit seinen eigenen Charakter zeigt.
Fred’s Lab Manatee hat einen Listenpreis von 899 Euro. Ein Preis, der aufgrund der guten Klangqualität und hochwertigen Kleinserienfertigung in Deutschland völlig angemessen ist. Und so findet dieses kleine, clever konzipierte Desktop-Gerät mit seiner vielseitigen und eigenständigen Klangerzeugung eine Nische im Bereich der digitalen Hardware-Synthesizer.
Vorteile
+ Spektraloszillator
+ spannende Klänge zwischen virtuell-analog und digitaler Synthese
+ Verarbeitung
Nachteile
– keine USB-Schnittstelle
– keine vollständig unabhängigen Hüllkurven
Unter diesem Link findet ihr Fred’s Lab Manatee bei MUSIC STORE professional.
Weiterführende Infos gibt es auf der Website von Fred’s Lab.
Unsere neuesten Beiträge
Test: Behringer Wave – Zeitreise mit Wellenbrecher
Beim Test des Behringer Wave erinnerte ich mich gleich an meinen Erstkontakt mit einem PPG [...]
weiterlesenMärz
Deepmind X-Series – Facelift für Behringers ersten Synthesizer
Die Behringer DeepMind-Serie war von Anfang an ein Statement: ein vollwertiger analoger Poly-Synth mit digitalem [...]
weiterlesenMärz
Apple Music für DJs
Streaming-Riese öffnet seinen Katalog für professionelle DJ-Software Mit dem neuen Projekt „Apple Music für DJs“ [...]
weiterlesenMärz