Test: Behringer Wave – Zeitreise mit Wellenbrecher

Behringer Wave Wavetable Synthesizer slant

Beim Test des Behringer Wave erinnerte ich mich gleich an meinen Erstkontakt mit einem PPG Wave 2.3 Mitte der achtziger Jahre in den ehrwürdigen Kölner EMI-Studios. Der Bolide verströmte eine kühle Laborästhetik und einen zielgerichteten Forschungswillen, der in mir den leisen Wunsch aufkommen ließ, einen weißen Kittel überzustreifen.

Das Gerät war der konsequente Gegenentwurf zum noch leicht Rock´n Roll-mäßigen Design etwa eines Minimoogs mit seinem knuffigen Holz-Case. Auch die Klänge, die ich dem PPG Wave nach einigem Rumfummeln entlocken konnte, ließen Bilder einer faszinierenden, aber beunruhigend dystopischen Zukunft der Menschheit aufkommen.

PPG Wave – Vorbild des Behringer Wave

An einen Erwerb des futuristischen Synthesizer war damals für Normalsterbliche nicht zu denken, denn 1985 kostete der PPG Wave 2.3 ca. 14.000,- DM. Zur Musikgeschichte und dem Sound der Popmusik hat der progressive Hybrid-Synth einiges beigetragen; zum User-Kreis des Wave 2.2. und 2.3 gehörten u.a. Acts wie Depeche Mode, David Bowie, Thomas Dolby, Klaus Schulze, Tangerine Dream (die die Entwicklung vieler PPG-Instrumente beratend begleitet haben), The Fixx, Trevor Horn, Jean-Michel Jarre, Art of Noise, Rush, Depeche Mode, Gary Numan, Robert Palmer, Psychedelic Furs, Talk Talk, The Cars, Ultravox, Steve Winwood, Rush, Stevie Nicks, Pet Shop Boys, Mike and the Mechanics und Stevie Wonder.

Behringer Wave Wavetable Synthesizer PCB
Ein Blick ins Innere des Behringer Wave (Bild: Bernhard Loesener)

Der geniale Entwickler und PPG-Firmenchef Wolfgang Palm erreichte mit dem Wave 2.3, der bis 1987 gebaut wurde, einen Höhepunkt seines Schaffens; eine wichtige Wegmarke war dabei (nach den Analogsynthesizern PPG 1002 und den Synth Sonic Carrier) der komplett digital aufgebaute Wavecomputer 360 der 1978 vorgestellt wurde. Dieses Gerät arbeitet (wie auch der Nachfolger System 340/380) schon mit der Wavetable-Synthese und bietet je nach Ausbaustufe vier oder acht Stimmen.

Äußeres und Bedienung

Wie bei Behringer üblich wurde dem Klonkrieger der Look des blauen PPG-Wave-Originals verpasst, wobei alles etwas verkleinert wurde; die Gehäusemaße betragen jetzt 80 x 25,5 x 9,5 cm. Man findet auf dem leicht angeschrägten Panel auch die kompletten Bedienelemente des PPG-Synths, angefangen bei dem Zahlenblock, den Funktionstasten, dem Pitch- und Modulationsrad bis zu den 23 Drehreglern, die direkten Zugriff auf Parameter wie Cutoff, Resonanz, Oszillatorwellenform, die drei Hüllkurven, LFO und die Stereobreite gewähren. Die Wavetables der Oszillatoren lassen sich mit den OSC- und Sub-Reglern manuell durchfahren. Leider wurde auf Plus/Minus-Taster verzichtet, diese würden als Alternative zum Encoder (der als eines der Hauptbedienelemente neu hinzugekommen ist) manche Bedienschritte komfortabler machen.

Behringer Wave Wavetable Synthesizer Panel left
Die Reglersektion für LFOs, Hüllkurven u.a. (Bild: Bernhard Loesener)

Das (damals luxuriös wirkende) zweizeilige, hintergrundbeleuchtete 80 Zeichen-LCD-Display ist ebenfalls im Design des Vorbilds gehalten und wurde um ein kleines OLED-Display für die Wellenformdarstellung ergänzt. Beim PPG Wave macht sich das LCD-Display zum Leidwesen der Besitzer mit einem nervenden Hintergrundgeräusch bemerkbar, dieses Manko wurde zum Glück ebenso wenig übernommen wie die Pratt-Read-Tastatur des Vorbilds, deren Gummidämpfer beim Oldie langsam zerbröseln und ein klappriges Spielgefühl erzeugen.

Das von Behringer verbaute anschlagsdynamische und Aftertouch-fähige, vieroktavige Keyboard ist zwar nur mittelmäßig, aber das geht (angesichts des Preises) in Ordnung. Das Chassis besteht aus stabilem Stahlblech und ist gut verarbeitet. Öffnet man das Gehäuse, stellt man erfreut fest, dass hier (im Gegensatz zu Behringers UB-X) ein lüfterfreier Betrieb gewährleistet ist. Lüfter haben ja leider die Eigenschaft, je nach Qualitätsstandard nach einiger Zeit einen immer höheren Geräuschpegel zu produzieren. Positiv ist auch die Entscheidung, kein externes Netzteil einzusetzen.

Die Anschlüsse auf der Rückseite

Rückseitig stehen außer einem Stereoausgang und einer Kopfhörerbuchse für die Summe acht Einzelausgänge zur Verfügung. Außerdem gibt es ein MIDI-Trio, einen USB-Anschluss, CV/Gate-Eingänge und Buchsen für Sustain- und Expression-Pedale.

Behringer Wave Wavetable Synthesizer rear
(Bild: Bernhard Loesener)

Die Klangerzeugung des Behringer Wave

Die Klangerzeugung des achtfach polyfonen Behringer Wave orientiert sich eng an der des PPG Wave 2.2 und 2.3. Pro Stimme gibt es zwei Oszillatoren (Main- und Sub-Oszillator), die auf digitale Wellenformen mit wahlweise 8 oder 16 Bit-Auflösung (Original / Enhanced Mode) zurückgreifen. Auf eine 12 Bit-Wandlung hat man hier verzichtet. Der Wave 2.2 arbeitete noch mit 8 Bit-Wellenformen, der Wave 2.3 war mit 12 Bit-Wandlern ausgestattet. 12 Bit-Sounds konnten auch via Wavetherm importiert werden. Die Behringer Klangerzeugung ist zweifach multitimbral. Die Tastatur kann gesplittet werden und die Sounds lassen sich in diversen Play-Modi (auch Unisono) layern.

Die Wellenformen sind in Soundbänken bzw. Wavetables á 30 Bänken mit je 64 Wellenformen organisiert. Das Besondere der Wavetable ist die Möglichkeit, eine Wavetable-Bank dynamisch durchfahren zu können, sodass sich durch den Wechsel der Waves ganz spezielle Klangeffekte ergeben. Die Übergänge zwischen den einzelnen Wellenformen kann man mit den Hüllkurven und dem LFO dynamisch steuern. Eigene Wellenformen lassen sich mit Behringers SynthTribe-App importieren. Nützlich für das Sounddesign sind außerdem 32 kurze Samples („Transients“), die man alternativ zu den Wavetables nutzen kann.

Behringer Wave Wavetable Synthesizer Panel right
Die digitale Seite des Panels (Bild: Bernhard Loesener)

Der Grund dafür, dass man den Sound der PPG Wave-Synths nur ungenügend mit Software emulieren kann, ist die analoge Nachbearbeitungsabteilung. Hier lässt auch der Behringer-Klon nichts anbrennen und bietet ein 4-Pol-Lowpass-Filter mit Resonanz. Es basiert auf den Nachbauten der SSM 20244 Chips im SMD-Format (V2044A), die in der firmeneigenen Cool Audio-Manufaktur gefertigt wurden. Auch die VCAs sind analog. Es stehen drei Hüllkurven (ADSR- und AD-Charakteristik) und ein LFO (mit Dreieck, Sägezahn und Puls) zur Verfügung. In der Modulations-Sektion lassen sich zehn Modulationsquellen sechs Modulationszielen zuweisen.

Begrenzte Kapazität

Es gibt 200 Speicherplätze für Preset-Sounds; hier hätte man vielleicht noch eine Schippe drauflegen können, Speicherplatz kostet schließlich nichts mehr. 30 klassische Wavetables sind als Presets verfügbar, darüber hinaus stehen 64 Speicherplätze für eigene Wavetable-Kreationen zur Verfügung. Ein einfacher Dual-Arpeggiator und ein polyphoner Sequenzer mit 64 Steps runden die Ausstattung ab.

Bedienungs-Blues

Bei der Bedienphilosophie, die akribisch vom Vorbild übernommen wurde, habt es Behringer mit der Originaltreue etwas zu gut gemeint. Angesichts der vielen Abkürzungen steht man ohne Handbuch erstmal auf verlorenen Posten. Es gibt viele kryptische Abkürzungen, die zu lernen sind und alles ist wie beim PPG-Original nicht immer logisch und musikerfreundlich. Vermutlich werden künftige Wave-User ohne fotografisches Gedächtnis erstmal viele Post It-Zettel in der Nähe des Synths postieren. Aber es gibt schlimmere Parametergräber (DX7!) und die Jungs von Depeche Mode haben es auch ohne Ingenieursstudium geschafft.

Behringer Wave Wavetable Synthesizer display
Kryptische Abkürzung im Display (Bild: Bernhard Loesener)

Der Sound des Behringer Wave

Beim Anspielen des Behringer-Klons macht man sofort eine Zeitreise in die 80er Jahre. Es erklingen rauchige, spacige, kühle bisweilen metallische und auch mal harsche Digitalklänge, die durch die analoge Sektion veredelt werden. Das Filter klingt toll, wenn auch etwas anders als das Original. Es packt beim Zähmen der Digitalsounds beherzt zu und verleiht den digitalen Wellenformen eine schöne Körperlichkeit und Durchschlagskraft. Es gelingen auch spacige Pads und Sounds, die man eher analogen Synths zuordnen würde oder experimentelle Klänge á la Autechre oder Aphex Twin. Am besten gefällt mir der 8-Bit-Modus mit sympathischen Artefakten und dem typischen Aliasing. Die Behringer-Ingenieure haben versucht, dem Original klanglich sehr nahezukommen und das hört man. Beim Antesten ist es ratsam, auch mal ein externes Effektgerät zwischenzuschalten. Denn der Behringer Wave kommt ohne interne FX-Sektion aus, was manche der Sounds etwas trocken wirken lässt.

Wir haben für Euch einige bekannte Songs, die den Wavetablesound des PPG ausgiebig nutzen, in einer Playlist zusammen gestellt:

Alternativen zum Behringer Wave

Wer auf die Wavetable-Synthese setzen will, wird auch beim Groove Synthesis 3rd Wave fündig. Dieser hybride Edel-Synth punktet mit Fatar-Tastatur, vierfach multitimbraler Klangerzeugung, vielen Modulationsmöglichkeiten, SSM- und SEM- Filter luxuriöser Bedienung, FX-Sektion und vielen weiteren Features. Allerdings liegt er auch in einer ganz anderen Preisklasse (5.699,- € – die Desktop-Version kostet 3.999,- €). Ein toller Wavetable-Hybridsynth mit vielen Features, Analogfilter, einem großen Soundspektrum und druckvollen Klang ist der wesentlich günstigere (1.699,- €) Waldorf M. Er kann ebenso Sounds vom kultigen PPG Wave-Nachfolger Microwave laden. Näher beim Behringer-Modell liegt der Korg Modwave. Er bietet u.a. eine komfortable Bedienung, 60 Stimmen, 800 Soundspeicher, 12 digitale Filtermodelle, eine interne Effekt-Sektion und ein breites, HiFi-mäßiges Klangspektrum.

Behringer Wave Wavetable Synthesizer side
Das Keyboard ist nicht sonderlich tief (Bild: Bernhard Loesener)

 

Fazit:

Der Behringer Wave hat es geschafft, den Geist des PPG wiederzuerwecken. Der Synthesizer klingt toll und ist mit einem Preis von 599,- € momentan der kostengünstigste Weg in die Wavetable-Welt. Die etwas gewöhnungsbedürftige Tastatur ist angesichts des niedrigen Preises zu verschmerzen. Dieser versöhnt einen auch ein wenig mit der ziemlich hohen Lernkurve bei der Bedienung, die sich leider sklavisch am Original orientiert. Hier wäre eine komfortablere Bedienführung, die auch ohne Memorieren vieler Abkürzungen auskommt, angebracht gewesen. Es wäre schön, wenn Behringer hier ein alternatives Betriebssystem mit einem einfacheren und musikerfreundlicheren Programmiermodus an den Start bringen würde. Das Gerät soll schließlich nicht nur alten PPG-Hasen Reminiszenzen an die goldenen 80er-Jahre bescheren, sondern auch eine frische Musikergeneration mit knappem Geldbeutel erfreuen. Trotzdem ist das Meckern auf hohem Niveau und so günstig war die originalgetreue Wavetable-Synthese noch nie zu haben.

Pro

  • PPG-Wave-typische Sounds
  • gutes Analogfilter
  • kein Lüfter
  • niedriger Preis

Contra

  • hohe Lernkurve bei der Bedienung
  • kein 12 Bit Modus

Link zur Herstellerseite: www.behringer.com

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