Stilbildende Instrumente von Roland Music – TR-808, TR-909, TB-303
Die TR-Serie von Roland startete 1981 mit der TR-808 und lieferte die Basis für eine Fülle verschiedener Musikrichtungen. Die innovative Lauflichtprogrammierung wurde Vorbild für eine ganze Generation von Musikmaschinen. Auch andere Hersteller implementierten dieses Feature, das eine intuitive Step-Programmierung ermöglichte.
Die eigentümlichen Sounds der 808, mit denen man wohl ursprünglich versuchte, ein Naturschlagzeug zu imitieren (ein Ansinnen, das zum Glück vollkommen schiefgegangen ist), klingen auch heute noch klasse und nutzen sich anscheinend nie ab … man denke nur an aktuelle Musikrichtungen wie Trap, Dirty South, Juke, Footworks oder Baile Funk. Sie alle arbeiten mit der typischen, massiven Boom-Kick, den hochfrequenten Hi-Hats, der kurzen, aber durchsetzungsfähigen Snare, dem schwergewichtigen, räumlich wirkenden Clap und der charakteristisch künstlich klingenden Cowbell.
Die ersten verbrieften User der 808 waren übrigens die japanischen Synth-Pop-Helden Yellow Magic Orchestra; sie hielten immer einen engen Kontakt zu den Roland-Entwicklern, rissen ihnen die TR-808 buchstäblich aus den Händen und benutzten sie noch vor der Markteinführung während eines Live Gigs.
>> Die Roland Synths in den Hits der 80er <<
Electro
Zu den wichtigsten Electro-Tracks zählt zweifelsohne Afrika Bambaataas erfolgreicher Track Planet Rock von 1982. Er enthält die Elemente zweier legendärer Stücke von Kraftwerk: Er nahm die Melodie von Trans Europa Express (das gleichnamige Album von 1977 war in New Yorker HipHop-Kreisen sehr populär) und unterlegte sie mit einem fetten Groove aus der TR-808, der vom Kraftwerk Song Numbers von 1981 sehr stark inspiriert ist. Darüber wurde gerappt, und fertig war der Klassiker. Produziert wurde er übrigens in New York vom legendären Arthur Baker.
Weitere Protagonisten der frühen Electro Szene, die meist ebenfalls aus der Hip-Hop-Sphäre kommen, sind u. a. der TR-808-Fan Egyptian Lover, Newcleus (Jam On’s Revenge), Mantronix (der die TR-808 in der Regel aber lieber sampelte), Jonzun Crew, Dynamix II und Man Parrish, der mit Hip Hop, Be Bop (Don’t Stop) 1982 einen TR-808-basierten Electro-Klassiker schuf (der zuletzt z. B. in Grand Theft Auto gefeaturet wurde).
In Miami entstand derweil ein Parallel Universum, das ebenfalls ohne die TR-808 nicht möglich gewesen wäre. Rap-Acts wie 2 Live Crew oder Gucci Crew unterlegten ihre Raps (deren Themen-Spektrum meist sehr auf den Bereich Paarung in all seinen Facetten fokussiert war) mit groovenden, äußerst basslastigen TR-808-Beats und ein paar minimalistischen Synth-Sounds.
Obwohl die frühen amerikanischen Electro Pioniere zum großen Teil aus der New Yorker Szene stammten, gab es auch in Detroit schon interessante Acts, wie den 1980 gegründeten Electro-Act Cybotron, bestehend aus Juan Atkins und Rick Davies, die u. a. durch den futuristischen Track Clear bekannt wurden, der 2005 von Missy Elliot in ihrem Hit Lose Control zweitverwertet wurde (ratet mal, welche Rhythmusmaschine in Clear am Start ist …).
Techno
Die TR-909 ist der Drumcomputer, der vor allem für Techno stilbildend war. Er kam 1983 heraus und wurde hauptsächlich wegen seiner wuchtigen, analogen Kick für die Produktion dieser, den geraden Bassdrums verpflichteten Musikrichtung ein ideales Werkzeug. Ab Mitte der 80er-Jahre wurde ein großer Teil der Forschungsabteilung für innovative, elektronische Tanzmusik in die darbende Autostadt Detroit verlegt, die mit ihrer dystopischen Atmosphäre den idealen Hintergrund für die Techno-Produzenten bot.
Eine neue Generation von lokalen Musikern trat an, die (Dance-)Musikästhetik zu reformieren, beeinflusst nicht nur von Kraftwerk, sondern auch von Alvin Tofflers Büchern (The Third Wave) und dem Afrofuturismus von Leuten wie George Clinton und Sun Ra. Wichtige Detroit-Techno-Vertreter sind u. a. Derrick May, Kevin Saunderson, Juan Atkins, Eddie „Flashin“ Fowlkes und Blake Baxter.
Derrick May brachte unter dem Projekt – namen Rhythim Is Rhythim epochale TechnoHymnen wie Strings Of Life (gehört in jeden Techno-affinen Haushalt) und Nude Foto (zusammen mit Thomas Barnett produziert) heraus. Berühmt wurde Derrick Mays Techno Definition: „Techno ist wie Detroit, ein kompletter Fehler. Es ist, als wenn man George Clinton und Kraftwerk in einen Fahrstuhl einsperrt.“ Juan Atkins aka Model 500 veröffentlichte 1985 No Ufos, das von vielen als der erste Techno-Track überhaupt angesehen wurde, und Kevin Saunderson (der auch viele Underground-Techno-Tracks wie etwa The Groove That Won’t Stop produzierte) hatte als Inner City mit der Sängerin Paris Grey und Big Fun einen innovativen Welthit.
Die nächste Detroiter Generation war nicht untätig, und Leute wie Carl Craig, Kenny Larkin, Jeff Mills, „Mad“ Mike Banks (er gründete zusammen mit Mills Underground Resistance) erfanden neue Musikrichtungen wie Minimal Techno (Rob Hood, Terrence Dixon). Zudem entstand in den 90erJahren eine neue Electro-Bewegung mit Detroiter Acts wie Aux 88, Drexciya, DJ Godfather, Ultradyne, Ektomorph, Le Car etc.
Neben Maschinen wie der TR-909 und der TR-808 haben viele Techno-Produzenten auch Roland-Synthesizer wie den SH-101 und den Juno-106 verwendet (etwa für die typischen, leicht jazzig klingenden Detroit-Pads). Zum Einsatz kam als Add-on auch manchmal die TR-606, der sich Plus-8-Labelgründer Ritchie Hawtin auf seinem ersten Plastikman Longplayer Sheet One ausgiebig gewidmet hat.
House
House wurzelt zum großen Teil im Disco-Sound der 70er-Jahre und entstand hauptsächlich in Chicago. In New York entwickelte sich in den 80er-Jahren im Club Paradise Garage der Vocal-lastige Garage House-Sound. Zu den Gründervätern der Housemusic gehört u. a. der DJ Frankie Knuckles der im Chicagoer Warehouse (daher der Begriff „House“) auflegte. Einen der ersten House Tracks produzierte Jesse Saunders 1984: Bei On and On kamen neben der TR-808 eine TB- 303 und ein Korg Poly 61 zum Einsatz. Typisch für den Chicago-House-Sound ist allerdings die TR-707 mit ihren etwas kantig klingenden Samples.
Zu den wichtigen Vertretern der Chicago-House-Szene zählen Chip.E (Time To Jack), Farley Jackmaster Funk (sein klasse produziertes House-Anthem Love Can’t Turn Around war damals auch bei uns ein Clubhit), Steve „Silk“ Hurley, Larry Heard aka Mr. Fingers, Jamie Principle, Adonis, Todd Terry und viele mehr.
Die softere Stil-Variante „Deep House“ verdankt ihre Entstehung u. a. Musikern wie Marshall Jefferson (Truth Open Your Eyes) oder Joe Smooth (Promised Land – hier wurde neben der TR-707 übrigens auch die Latin-Version TR-727 verwendet).
Acid
Auch Acid House erblickte im Schoß der Chicagoer Szene das Licht der Welt. DJ Pierre formte mit zwei Freunden (Spanky und Herb.J) das Project Phuture, nachdem Spanky, der als einziger einen Job hatte, Equipment in Form einer TR-707 und einer TB-303 angeschafft hatte. Das kleine silberne Kästchen mit dem merkwürdig blubbernden Synth-Sound verführte die Jungs zu extensiven Schrauborgien, und es entstanden die ersten Versionen von Acid Tracks, wobei man die intern eingespeicherten Patterns benutzte, weil die Band mangels Bedienungsanleitung anfangs nicht in der Lage war, eigene Patterns zu programmieren
Die Aufnahmen zu Acid Tracks, die der Acid-Bewegung ihren Namen gaben, wurden mithilfe von Marshall Jefferson 1985 fertiggestellt und sorgten in den Chicagoer Clubs für Aufsehen. Das reguläre Release kam allerdings erst 1987 heraus. In dieser Zeit erschienen auch andere legendäre Tracks wie etwa Acid Over von Tyree oder Fast Eddies Acid Thunder. Acid-House wurde in Europa, vor allem in England, begeistert aufgenommen und beeinflusste Acts wie 808 State, D-Mob (We Call It Acieed) und S-Xpress. Die TB-303 war zusammen mit der TR-909 die Basis für zahllose Acid-TechnoTracks der 90er (siehe bzw. höre etwa Hardfloor).
Fazit
Es ist erstaunlich, wie eine überschaubare Anzahl von (Roland-)Geräten und schwarzen Underground-Künstlern aus nordamerikanischen, urbanen Zentren die komplette Musikgeschichte umkrempelten, ohne dass große Popstars oder Major-Labels wesentlich beteiligt waren. Roland trug mit seinen legendären Maschinen dazu bei, die Produktionsmittel in die Hände des Volkes zu legen. Wenn man die alten Tracks hört, erstaunt einen aber auch, wie frisch sie klingen und wie wenig sich Techno und House seit den 80er-Jahren im Grunde verändert haben.