Spezialitäten für das Eurorack
Welche Module sind die besten? Diese Frage zu beantworten ist angesichts der unglaublichen Vielfalt einfach unmöglich − und zu verschieden sind die individuellen Vorstellungen darüber, was man musikalisch und klangtechnisch denn verwirklichen möchte. Wer »normal« schon kennt oder für sein neues System noch ein paar Anregungen braucht: Hier eine kleine Übersicht über Module, die durch Klang und vielseitige Anwendungsmöglichkeiten aus dem riesigen Angebot herausstechen …
Es geht dabei weniger darum, ein in sich vollständiges System zu präsentieren, vielmehr möchte ich ein paar kreative Möglichkeiten aufzeigen, wie man ein klassisches Synthesizer-Konzept mit nur wenigen Zugaben interessanter gestalten kann. Oft ist es ja nur ein winziges Modülchen, mit dem eine Million neue Möglichkeiten zu entdecken sind.
Modulationen, Modulationen, davon kann man einfach nicht genug haben, wobei neben den klassischen Modulatoren LFO und Envelope-Generatoren auch Modulationen gefragt sind, die komplett neue Klangspektren erzeugen: Ring-, Frequenz-, Amplitudenoder Cross-Modulation bereichern die Farbpalette mit metallisch und disharmonisch anmutenden Sounds. Und diese Faszination erlebt vermutlich jeder: Spielt man durch einen Ringmodulator an den Frequenzen der Oszillatoren, entfesselt man ein Universum an Klangspektren. Aufregend vor allem sind die Bewegungen, die durch Änderungen der Pitch-Werte erzeugt werden.
Was lernen wir daraus? Ein Ringmodulator-Sound ist in der geradegerückten musikalischen Welt unspielbar, und er möchte von verschiedenen Quellen aus gesteuert werden. Man braucht dafür gar nicht mal so viele Elemente: eine Handvoll Schwingungen und ein kleines, cleveres Modul namens Polarizer. Auf kleinstem Raum vereint Dieter Doepfers Quad VCLFO vier Schwingungserzeuger, die in zwei Frequenzbereichen (umschaltbar) arbeiten können: einmal als Low Frequency Oscillator (LFO) und einmal als VCO mit Frequenzen im hörbaren Bereich. Es handelt sich hier nicht um super-präzise OSCs, aber für Ring- und Frequenzmodulationen reichen sie völlig aus. Gut also, dass wir gleich vier davon haben.
Als Ringmodulator wird der Dual VC Polarizer »zweckentfremdet«. Er soll eigentlich Steuerspannungen in der Polarität ändern, aber das Ding kann auch im Audiobereich arbeiten und zumindest lustige Ringmodulator-ähnliche Sounds erzeugen. Auch hier der Vorteil: In einem Modul finden wir zwei Einheiten, sodass wir mit dem Quad VCLFO/VCO zwei eigenständige Modulationsstränge bauen können. Nicht nur praktisch, sondern auch preiswert im Vergleich zu vier separaten Standard-VCOs (4 x 165,− Euro!) und zwei Ringmodulator-Modulen.
Es gibt zwar auch einen Dual Ringmodulator von Doepfer, aber der Dual VC Polarizer hat noch etwas mehr drauf − gerade im Zusammenhang mit dem VCLFO! Die ersten beiden VCOs nehmen wir an den Dreiecksausgängen ab und führen sie zur Ringmodulation über den Dual VC Polarizer − Wellenformen mit weniger Obertönen eigenen sich dafür am besten. Die beiden anderen Oszillatoren 3 und 4 schalten wir in den LFO-Bereich und führen sie auf die Eingänge des zweiten Polarizers, und zwar so: die Dreieckschwingung von OSC 3 und die Rechteckschwingung von OSC 4. Was damit passiert, sollte man sich am besten mal unter einem Oszilloskop anschauen, denn die simplen Eingangswellenformen verbiegt der Polarizer jetzt zu den unterschiedlichsten Wellenformen. Damit haben wir nun einen extrem flexiblen LFO gebaut, mit dem wir Oszillator 1 oder 2 in der Tonhöhe modulieren können. Was passiert? Unser RingmodulatorKonstrukt sprüht Funken! Fantastisch, welche Klanglandschaften man damit erschließen kann.
Was kostet der Spaß? Nicht viel: A-143-4 Quad VCLFO/VCO: 225,− Euro, Dual VC Polarizer A-133: 75,− Euro. Und noch ein kleiner Tipp: Dieter Doepfer bietet in der Modulreihe A-143 noch weitere Vierfach-Module an, die vielfältige Möglichkeiten auf kleinstem Raum unterbringen. Vier Envelopes kaskadieren oder geloopt als LFO nutzen, vier steuerbare VCAs − da steckt eine Menge mehr drin, als man glaubt. Man muss nur die Möglichkeiten entdecken.
VCO, aber digital
Oder sollte man sagen: VCO war gestern? Sicher nicht, aber als flexible Oszillator-Variante gehört der Braids von Mutable Instruments ins Rack geschraubt. Warum? Ganz einfach: Er vereint eine Vielzahl an Oszillator-Konzepten in einem Modul. Sägezahn, Rechteck & Co sind natürlich auch dabei und klingen von ultratief bis in höchste Lagen sehr kräftig und klar. Das Schöne ist, dass bei jedem Oszillator-Mode gleich mehrere Variationsmöglichkeiten geboten werden: Die Sägezahnwelle zu verbiegen und abzufiltern, die Pulsweite des Rechtecks zu modulieren oder das Dreieck zu falten gehören dabei zu den leichtesten Übungen dieses Oszillators. Es gibt als Oszillator-Modes auch Akkorde, Ringmodulation, FM, Amplitudenmodulation, Vocal/Formant-Synthese, Wavetable-Synthese, Chiptune-Sounds, ja sogar einen String-Oszillator für Physical-Modeling-Sounds. Nicht nur wegen der unerhörten Klangvielfalt, auch wegen der Klangqualität möchte man Braids haben. Die knapp 350,− Euro sind dabei wirklich gut angelegt.
Wolkenmaschine
Bleiben wir noch einen Moment bei Mutable Instruments, denn ein Modul, das im Moment den Fachhändlern geradezu vom Ladentisch gerissen wird, ist Clouds − ebenfalls ein digitales Eurorack-Modul. Es handelt sich hier um einen Granular-Audioprozessor, der eingehendes Audiomaterial in kleine Schnipsel zerhackt und dann als Klangpartikel ausgibt. Diese können mit 16 Cloud-Generatoren vervielfacht und mannigfaltig bearbeitet werden, nämlich in Tondauer, Tonhöhe und Dichte. Das einfachste Ergebnis sind abrupt zerhackte Sounds, die an Amplitudenmodulation erinnern, aber Clouds wird seinem Namen gerecht und erzeugt dichte Klangwolken, wirre Klangspektren und abgefahrene Reverb-Effekte, die man mit herkömmlichen Effekten nicht hinkriegt.
War Granular-Synthese bislang eine Domäne der Software-Synthesizer, hält mit Clouds diese einzigartige Klangbearbeitung und -Erzeugung Einzug ins Eurorack. Ein Grund, dieses Modul haben zu wollen, sind die dynamischen Klangwolken, die eine ganz eigene Farbe ins Modular-System bringen. Diese stark modulierenden Sounds lassen sich auf andere Weise fast nicht erstellen, die wunderbar flächigen Texturen von Clouds kann man mit beispielsweise polyfonen Klängen anderer Synthesizer auch nicht nachempfinden. Clouds ist einzigartig.
Sequencing mal anders – Make Noise René
»Step-Sequenzer sind die Tastatur des Elektronikmusikers«, so hat es Synthesizer-Legende Don Buchla in den 60ern formuliert. Schon alte Buchlas hatten Step-Sequenzer mit einer Art Touchtastatur kombiniert, die Sequenzen »spielbar« machten. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der René von Make Noise: Es gibt 16 beleuchtete Drehregler und 16 berührungsempfindliche Touchstrips, die zum Ein- und Ausschalten, aber auch zum manuellen Spielen der Step-Location dienen. Man selber wird zum Teil des Patches! In René schlummern eine Million Möglichkeiten – linear ablaufende Step-Sequenzen sind dabei seine einfachste Disziplin. Der Kick an René ist allerdings sein cartesianisches Prinzip, hergeleitet vom Philisophen René Descartes – daher der Name. Man muss sich die 16 Steps als Koordinatensystem vorstellen, wobei die Steps die einzelnen Knotenpunkte repräsentieren. Welcher Step wann gespielt wird, hängt von der Situation der zwei (!) Clock-Eingänge ab. Die Clocks können in ihrer Mischung moduliert werden und auch separate Reset-Impulse empfangen. Die interne Logik entscheidet, welche Steps vom Sequenzer angefahren werden.
Die Ergebnisse sind immer wieder verblüffend: Mit nur wenigen aktivierten Steps lassen sich musikalische Motive erzeugen, die ständig variieren, dabei aber nicht total nach Zufall klingen, sondern immer eine gewisse Selbstähnlichkeit, kombiniert mit ihrem ostinaten Charakter beibehalten. Das Ergebnis klingt irgendwie immer musikalisch.
Wer mit Step-Sequenzern arbeitet, wird den Moment kennen: Sobald eine Sequenz richtig gut läuft, möchte man sie nach einer gewissen Zeit auch variieren. Das kann man über Schalter und Regler machen, aber manchmal möchte man einfach, dass Sequenzen ständig leicht variieren. Dafür ist René ein wirklich tolles Werkzeug. Außerdem inspiriert das Ding zu einer unfassbaren Menge von Experimenten − beispielsweise lässt es sich auch mit Pulsen im Audiobereich takten. Der Make Noise René ist mit 560,− Euro eines der etwas kostspieligeren Eurorack-Module, aber dafür eine echte Anschaffung fürs Leben!
Gezeiten Ultima Ratio − Clock Divider
Clock- Signale werden meistens als eine Art Konstante betrachtet − ganz klar: Eine Clock soll möglichst präzise sein, und wenn Step-Sequenzer und Trigger-Module schön und stabil im Gleichtakt laufen, hat man schon so einiges richtiggemacht. Allerdings möchte man Sequenzen natürlich auch gerne in verschiedenen Clock-Geschwindigkeiten kaskadieren oder parallel laufen lassen. In solchen Fällen werden Clock-Divider gebraucht, die das Clock-Signal heruntertransponieren. Meistens lassen sich hier mehrere Teilerformate (96stel, 64stel, 32stel usw.) über einzelne Ausgänge abgreifen. Möchte man diese Clock-Teilungen in seinem Patch nur partiell variieren (z. B. nur wenige Steps sollen schneller laufen), dann sind spannungsgesteuerte Umschalter gefragt. Das ist der kompliziertere Weg …
Einfacher wird’s mit dem Clock Divider Ultima Ratio von Gezeiten. Hier lassen sich die Teilungsverhältnisse der Clock ganz einfach mittels Drehreglern justieren oder per CV steuern. Dabei ist das kleine − übrigens hervorragend verarbeitete − Modul deutlich flexibler, als man zunächst denkt. Sogar zwei einfache Envelopes kann Ultima Ratio ausgeben, welche ausgestattet mit Attack und Release besonders auf kurze, schnelle Sequenzer-Impulse spezialisiert sind.
Die Möglichkeiten der Clock-Teilung ergeben sich intuitiv aus der Anordnung der Ein- und Ausgänge sowie der korrespondierenden Regler: Hochauflösendes Clock-Signal auf den Input stecken, und dann zwei Teiler-Signale an den Ausgängen abgreifen. Dabei können Clock 1 und 2 unabhängig das eingehende Clock-Signal teilen, oder aber Clock 2 fungiert als Teiler von Clock 1. So einfach, so gut!
Vor allem, wenn man mehrere Sequenzer mit unterschiedlichen Clock-Formaten versorgen möchte, ist Ultima Ratio ein enorm praktisches Werkzeug. Besonders aber in Kombination mit Sequenzern, die zwei Clock-Eingänge bieten − so etwa der Make Noise René, an dem ich Ultima Ratio auch probiert habe –, entfaltet das Modul seine ganze Stärke. Nun ist der René mit seinem Cartesian-Sequencer-Konzept bereits für sich genommen äußerst speziell, aber mit Ultima Ratio macht’s noch mal deutlich mehr Spaß, die Sequenzer-Motive zu variieren. Das funktioniert hervorragend!
Schön wären sicher noch kleine Anzeigen, die die jeweils eingestellten Teiler darstellen, aber es stört mich nicht wirklich. Ich bin vielmehr begeistert über die Möglichkeit, die Clock-Divisions spielerisch einzusetzen.
Wer mehrere Step-Sequenzer kombinieren will oder einen Sequenzer mit zwei Clock-Inputs hat, der braucht Ultima Ratio − im wahrsten Sinne als letzte mögliche Lösung. Das Ding ist konkurrenzlos. Von der einfachen Distribution von bis zu drei Clock-Signalen, der Ausgabe simpler geclockter Envelopes über die Variation der Geschwindigkeit von Sequenzen bis zum spielerischen Einsatz der Clock bietet Ultima Ratio eine Menge Möglichkeiten und ist jeden einzelnen seiner ca. 230,−Euro wert. Wer Geld sparen möchte, kauft den Bausatz (etwa 100,− Euro weniger).