SCI Prophet-600 (*1982) Polyfoner Synthesizer
Der Prophet-600 gehört ohne Zweifel in die Riege der klassischen Analogsynthesizer. Sein Schicksal wurde allerdings auch vom kannibalischen Erfolg des Yamaha DX7 bestimmt, der die Karrieren vieler leistungsfähiger Synths einfach aufgefressen hat.
Dabei fing alles so gut an: Bei der Konzeption des Nachfolgers des erfolgreichen Prophet-5 war Sequential Circuits darauf bedacht, ein zukunftssicheres Gerät zu bauen, und stattete den Prophet-600 mit der noch ganz neuen MIDISchnittstelle aus – SCI-Gründer Dave Smith hatte schließlich selber entscheidend an der Entwicklung des MIDI-Protokolls mitgewirkt. Der Prophet-600 kam Ende 1982 auf den Markt und war der erste MIDI-fähige Synthesizer aus Serienfertigung. Auch ansonsten ließ sich die Firma nicht lumpen und spendierte dem sechsstimmigen Analogboliden Features wie einen zweispurigen Sequenzer und einen Arpeggiator.
Der Preis des leistungsstarken Gerätes betrug bei Markteinführung stolze 5.000 DM, wurde aber später um ca. 1.000 DM gesenkt. Trotzdem war der Prophet-600 kein großer Verkaufsschlager, denn alles stürzte sich auf den ähnlich teuren DX7 mit seiner neuartigen FM-Klangerzeugung; „Digital ist besser“, war die Parole. Wer damals allerdings statt des DX7 den Prophet-600 gewählt hat, steht jetzt auf der Gewinnerseite, denn auf dem Gebrauchtmarkt kostet der vielverkaufte DX7 nur einen Bruchteil des seltenen SCI-Synths.
Äußeres
Optisch präsentiert sich das Instrument in nüchternem Schwarz mit schönen Seitenteilen aus Holz. Der Synth verfügt über 23 Potis und zahlreiche Schalter sowie ein zweistelliges Display. Die Bedienungselemente sind übersichtlich angeordnet, und sogar Hulk hätte genug Platz zum ausgiebigen Soundschrauben. Außerdem gibt es noch ein Zahlenfeld zur Programmanwahl mit Folientasten. Diese sind die Achillesferse des Prophet-600 und reagieren bei manchen Geräten selbst bei energischer Betätigung nicht mehr.
Da die Folienschalter als Ersatzteile nicht mehr aufzutreiben sind, kann ein solcher Defekt problematisch sein. Der geschickte Bastler kann allerdings die Folienschalter ersetzen; die Modifikation wird auf der Website von Notelt genauer beschrieben; www.geocities.com/SoHo/2163/ Prophet600Keypad/keypad.html. Auf dieser Seite findet man neben guten Tipps und Tricks zum Kalibrieren der Oszillatoren außerdem die Original-Factory-Sounds. Auch die letzte Version des Betriebssystems (Version 8), die u. a. einige Verbesserungen im Bereich MIDI bringt (freie Wahl des Sende- und Empfangskanals, Program-Change etc.), kann man sich hier als BinaryFile (zum EPROM-Brennen) downloaden.
Die erste OS-Version bietet übrigens lediglich den MIDI-Omni-Mode. Das 5 Oktaven umfassende Keyboard stammt von Mitsubishi und ist langlebiger als die berüchtigten J-Wire-Tastaturen von Pratt Read, die u. a. im Prophet-5 und im Pro-One ihren Dienst tun. Pitch- und Modulationsrad wurden, wie bei SCI üblich, aus durchsichtigem Plexiglas gefertigt. Ersatzteile für den Synth (auch für andere SCI-Produkte) gibt’s übrigens bei der Firma Wine Country, die aus ehemaligen Sequential-Circuits-Mitarbeitern besteht: www.winecountrysequential.com/page5.html. Auf der Rückseite erblickt man außer dem Monoausgang die MIDI-In/Out-Buchsen, ein Kassetteninterface zur externen Soundspeicherung, einen CV-Steuereingang für die Filtereckfrequenz und einen Fußschalteranschluss für das Aktivieren von Sequenzer und Arpeggiator.
Klangerzeugung
Der sechsstimmige Prophet-600 bietet die klassische subtraktive Synthese und ähnelt in vielerlei Hinsicht dem Prophet-5. Die beiden Oszillatoren sind mit vierstufigen Fußlagenschaltern ausgestattet und arbeiten mit den Wellenformen Sägezahn, Dreieck und Pulswelle, wobei die Pulsbreite individuell regelbar ist. Alle Wellenformen lassen sich gleichzeitig aktivieren und nicht nur alternativ, wie bei vielen anderen Synthesizermodellen. Allerdings ist der Pegel der Wellenformen nicht stufenlos mischbar. Die beiden Oszillatoren können miteinander synchronisiert werden. Ihr Pegel wird mit einem Überblendungs-Poti eingestellt. Eine Portamento-Funktion wurde auch implementiert.
Das gutklingende Lowpass-Filter (24 dB/Oktave) ist mit Resonanz, Envelope-Amount und dreistufigem Keyboard-Tracking ausgestattet. Im Unterschied zum Prophet-5 macht sich die Auflösung beim Betätigen des Cutoff-Reglers bemerkbar. Die ADSR-Hüllkurven für VCA und VCF werden vom Z-80-Mikroprozessor gesteuert und sind deshalb nicht so schnell wie beim Prophet-5, der sie mit dem Curtis-Chip 3310 (Prophet-5 ab Revision 3) erzeugt. Die Klangerzeugung des Prophet-600 basiert im Wesentlichen auf CurtisChips: Der CEM 3340 ist für die Oszillatoren zuständig, und der CEM 3372 für das Filter und die VCA-Abteilung.
Der LFO arbeitet mit den Wellenformen Dreieck und Pulse, lässt sich auf die Oszillatorfrequenz, die Filtereckfrequenz und die Pulsweite routen und ist bis ca. 25 Hz schnell. Der Arpeggiator ähnelt dem des Pro-One: Er arbeitet entweder im Up- oder im Up/Down-Modus und ist mit einer Hold-Funktion ausgestattet. Der einfache Sequenzer bietet zwei Spuren und kann ca. 400 Noten verarbeiten. Die Sequenzen lassen sich im Nachhinein nicht editieren. Außerdem gibt es noch einen UnisonoModus für ultrafette Sounds und eine schöne Chord-Memory-Funktion.
Klang
Der Prophet-600 ist ein äußerst gutklingender Analogsynth. Fast alles, was man von einem solchen Gerät erwartet – seien es durchsetzungsfähige Leads, schöne Brass-Sounds und Pads oder fette Bässe –, lässt sich mit ihm problemlos realisieren. Besonders harsche, massive Sounds und aggressive Sync-Sounds liegen ihm. Die klangliche Tendenz geht ein wenig in Richtung Prophet-5, aber grundsätzlich unterscheidet er sich vom Sound des großen Bruders. Das liegt sowohl am unterschiedlichen Chipsatz und dem anderen Schaltungsdesign als auch an den etwas langsameren, da mikroprozessorgesteuerten Hüllkurven.
Dank der dem Pro-5 ähnlichen Modulationsverschaltung liegen dem Prophet-600 sogar geräuschhafte und experimentelle Sounds – auch ohne Noise-Generator, den man beim Prophet-600 vermisst. So lassen sich mittels Filter-FM schon recht sperrige Sounds erzeugen, die an Ringmodulation erinnern und mitunter sehr noisy sein können. Trotzdem gehört der Prophet-600 (schon allein wegen des schönen Filters) in die Synthesizer-Oberliga und ist für den Analogfreund eine absolute Empfehlung.
Das haben auch Elektronikproduzenten wie Carl Craig, Hardfloor oder Eat Static erkannt, die zu den Besitzern des raren Klassikers gehören. Eine empfehlenswerte Alternative für alle, die auf dem Gebrauchtmarkt nicht fündig werden, könnte für Freunde des SCI-Sounds übrigens Dave Smiths Prophet ’08 sein.
Das Instrument wurden uns freundlicherweise von der Firma Touched By Sound zur Verfügung gestellt, die neben Neugeräten auch immer viele interessante Vintage-Geräte anbietet.