Roland Jupiter-4 – Synthesizer (*1978)
Die erste Hälfte der 80er-Jahre waren ein Eldorado für tolle Popsongs. Vor allem im Synthpop-Bereich wurde die Blaupause für die elektronische Popmusik der nächsten 30 Jahre entwickelt. Viele wegweisende Acts wie z. B. Human League oder Heaven 17 benutzten für ihre Produktionen eine charakterstarke Synthesizer-Legende, den Jupiter-4.
Roland brachte den Jupiter-4 1978 auf den Markt. Hauptkonkurrenten der Japaner in der damals eher spärlich bestückten Liga der polyfonen Synthesizer waren der Prophet-5 von Sequential Circuits (ca. 13.000 Mark), der Yamaha CS-80 und der Oberheim OB-X. Die Mitbewerber boten mehr Stimmen, kosteten aber mehr als doppelt so viel wie der mit ca. 4.000 Mark relativ erschwingliche Jupiter-4. In einer Zeit, in der Speicherplatz das Gold der Elektronik-Industrie war, gehörten die acht Speicherplätze des Instruments (stolz „Compu-Memory“ genannt) zu den Haupt-Features. Ein wirklicher Verkaufsschlager wurde das bis 1981 gefertigte Gerät dennoch nicht, seine Nachfahren Jupiter-8 und -6 waren ungleich erfolgreicher.
User
Zu den Musikern, die die guten Klangeigenschaften des Jupiter-4 nutzten, gehören neben Synthpop-Größen wie Gary Numan, Duran Duran, Yazoo, Human League, Heaven 17, Depeche Mode (Vince Clarke setzte ihn in der Anfangszeit auch live ein), Front 242, Spandau Ballet, Tears For Fears, Thomas Dolby, Trans-X und Yellow Magic Orchestra auch Acts wie Toto und Stevie Wonder oder Bands späterer Musikergenerationen wie St. Etienne und Meat Beat Manifesto.
Äußeres
Das mit Holzseitenteilen versehene Gehäuse vermittelt eine Ästhetik, die noch knietief in den Mittsiebzigern steht und von dem slicken Jupiter-8-Design meilenweit entfernt ist. Zusammen mit den bunten Knöpfen für die programmierbaren Speicherplätze und Presets, die unter der Vier-Oktaven-Waterfall-Tastatur liegen, wirkt das Ganze so sexy wie Gelsenkirchener Barock. Links daneben findet man einen Arpeggiator; der mit den Betriebsarten Up, Down, Alternierend und Zufall arbeitet. Diesen benutzte übrigens Duran-Duran-Keyboarder Nick Rhodes bei den Arpeggio-Linien von Rio (vom gleichnamigen, 1982 erschienenen zweiten Album). Als Spielhilfe kommt der bewährte Roland-Bender zum Einsatz, mit dem sich Tonhöhe, Filter-Eckfrequenz und VCA steuern lassen. Auf dem abgeschrägten Bedienpanel sind die einzelnen Sektionen übersichtlich platziert. Manches wie z. B. die Potiknöpfe erinnert an die frühe SH-Serie von Roland.
Der Jupiter-4 ist nicht nur auf den Human-League-Alben Travelogue und Reproduction zu hören (neben dem System 100 war er Phil Oakleys Lieblings-Synth), er wurde u. a. auch bei Duran Durans Rio, Gary Numans Telekon, Sister Feelings Call und Sons And Fascination von Simple Minds, Yazoos Upstairs at Erics und dem platinveredelten Debüt von Tears For Fears The Hurting verwendet. Dass das Gerät auch für heutige Musiker noch interessant ist, zeigt z. B. sein Einsatz auf Ben Folds Album Way To Normal von 2008.
Anschlüsse
Auf der Rückseite gibt es ein Stereo-Ausgangspärchen, einen Kopfhöreranschluss und Fußpedal-Anschlüsse für die Steuerung von Filter-Cutoff und Lautstärke. Ein Eingang für externe Clock-Signale (zur Steuerung des Arpeggiators) ist ebenfalls vorhanden, ein CV/Gate-Interface sucht man jedoch vergeblich. Hier kann der MIDI-Nachrüstsatz von Kenton (www.kentonuk.com) oder CHD Electroservis (mit 129 Euro sehr viel preiswerter bei www.touched-by-sound.com) helfen. Hinten findet man auch vier (abgedeckte) Trimmer zur Stimmung der Oszillatoren.
Klangerzeugung
Die vierfach polyfone Synth arbeitet mit einem spannungsgesteuerten Oszillator pro Stimme, der in drei Fußlagen betrieben werden kann und die Wellenformen Sägezahn, Rechteck sowie Puls (mit modulierbarer Pulsweite) generiert. Um im Bassbereich punkten zu können, hat man dem Synth auch einen Suboszillator spendiert. Außerdem lässt sich ein Noise-Generator aktivieren, der allerdings nicht stufenlos dazu gemischt werden kann. Die Sounds lassen sich mit zwei ADSR-Hüllkurven für Lautstärke und Filter formen, deren Geschwindigkeit (0,6 ms) für perkussive Sounds geeignet ist. Als Filter kommt das in der SH-Serie bewährte 4-Pol-Lowpass mit Resonanz zum Einsatz, das zwar nicht so massiv wie ein Moog-Filter klingt, sich aber meist dafür besser ins Klanggeschehen einpassen lässt und auch aggressiv zuschnappen kann. Zusätzlich steht, wie bei Roland üblich, ein einfaches Hipass-Filter zur Verfügung. Ungewöhnlich ist der auf Lowpass-Filter, PWM und VCA routbare LFO, der für lange Filterfahrten sowohl sehr langsam (0,1 Hz) arbeiten kann, sich aber auch bis in den Audiobereich (max. 80 Hz) fahren lässt. So lassen sich schöne FM-Sounds programmieren. Ein weiterer LFO liefert eine Sample&Hold-Wellenform zur Modulation der Filtereckfrequenz. Als Effekt kommt neben der Portamento-Funktion ein nicht eben rauscharmer, aber dafür charmanter und warm klingender Stereo-Chorus zum Einsatz.
Sound
Trotz nur einem VCO pro Stimme überzeugt der Jupiter-4 klanglich auf ganzer Linie. Schwebungen lassen sich mit dem Chorus und der Pulsweitenmodulation realisieren, und die Pad- und String-Sounds klingen sehr lebendig und niemals statisch. Das liegt z. T. auch daran, dass die Oszillatoren nicht 100 % stimmstabil sind. Mit den Suboszillatoren stellen gute Bässe oder drückende Sequenzersounds kein Problem für den Ur-Jupiter dar, dessen Grundcharakter an den monofonen Vorfahren SH-09 erinnert.
Da der LFO richtig schnell ist, lassen sich auch böse, metallische Spektren erzeugen. Will man richtig massive Sounds erstellen, kann man die vier Stimmen im Unisono-Modus zu einer machtvollen, monofonen Klangkeule bündeln. Die acht Presets sind nur bedingt verwendbar, und der Versuch, Naturinstrumente nachzuahmen, scheitert auf niedrigem Niveau. Brauchbar sind allenfalls der knochige Bass, der Trombone-Sound und die allerdings sehr guten Strings. Als Basis für eigene Kreationen sind die gespeicherten Sounds untauglich, da man nur im „Manual“-Edit-Modus Parameterzugriff hat.
Das Gerät wurde uns freundlicherweise von Gert Prix vom Eboardmuseum Klagenfurt zur Verfügung gestellt (www.eboardmuseum.com).