Roland AIRA TB-3 Bass-Synthesizer
… das ist eigentlich gar nicht die wichtigste Frage, die sich angesichts Rolands TB-3, der lang erwarteten Neuinterpretation der legendären Acid-Maschine TB-303, stellt. Denn entscheidend ist vielmehr, ob das Gerät ein taugliches Tool für heutige Produzenten ist. Dabei rückt das Problem der exakten Kopie eher in den Hintergrund.
Neben der TR-8 ist die TB-3 wohl das meist diskutierteste Gerät von Rolands AIRA-Serie, die firmeneigenen Legenden neues Leben einhaucht. Bisher hat sich eher die Konkurrenz um Bassline-Clones bemüht, wobei das Spektrum von der bloßen Kopie der Klangerzeugung bis zum detailgenauen Nachbau reicht. Nach wie vor erzielt eine Original TB-303 auf dem Gebrauchtmarkt Höchstpreise, und die magische Aura des Gerätes, das seit Phutures „Acid Tracks“-Release (Trax Rec., Chicago 1987) zur Legende wurde, ist nach wie vor ungebrochen. Mit der TB-3 will Roland eine Bassline für das 21. Jahrhundert schaffen und erweitert die Fähigkeiten des Originals erheblich: Das Gerät ist mit einer virtuell-analogen Klangerzeugung ausgestattet, es bietet eine neuartige Bedienphilosophie, bietet aber wie beim Original Regler für Lautstärke, Cutoff, Resonanz und Akzent. Statt des Envelope-Mod- und des Decay-Potis (diese Funktionen werden mit dem Touchpad bedient) steht allerdings ein Regler für den Effektanteil zur Verfügung. Hilfreich bei der Programmierung der Patterns ist die Lauflichtanzeige mit 16 Schritten.
Sequenzer
Der neu konzipierte Sequenzer der TB-3 verfügt über einen Realtime- und Step-Modus, in dem man die Noten, Akzent und Slide mit der virtuellen Touchpad-Tastatur (auch bei laufendem Sequenzer) eingibt. Das zielgerichtete Programmieren von Patterns, die bis zu 32 Steps lang sein können, ist hier wesentlich einfacher als beim gewöhnungsbedürftigen und frickeligen Sequenzer des Originals. Gelungen ist auch der Random-Pattern-Generator: Die Ausbeute bei den zufallserzeugten Patterns ist erfreulich hoch. TB-303- Taliban werden einwenden, dass der Originalsequenzer ein unabdingbarer Bestandteil der 303-Magie ist; dem ist zuzustimmen, aber der neu gestaltete TB-3-Sequenzer groovt gut, erlaubt zudem auch Swing-Quantisierungen und bietet großen Bedienkomfort. Mehrere nebeneinanderliegende Patterns lassen sich bei Bedarf zu einem großen Pattern verketten. Auf einen Songmodus hat man vernünftigerweise verzichtet, dafür kann man Pattern-Wechsel über MIDI fernsteuern.
Klangerzeuger
Die TB-3 ist mit einer monofonen, digitalen Klangerzeugung ausgestattet. Das Klangverhalten der TB-303 wurde analysiert und unter Berücksichtigung der Eigenschaften der Schaltkreise des Originals sorgfältig modelliert. Roland nennt dieses Verfahren „Analog Circuit Behavior“. Die TB-3 bietet mehrere Bänke mit 134 Presets, die bestimmte Charakteristika (etwa Sägezahn- oder Rechteck-Welle) vorgeben und zusätzlich Effektketten mit Delay, Verzerrer, Reverb, Flanger, Phaser und mehr bereitstellen. Die Presets lassen sich durchs Parameter-Tweaken natürlich in einem bestimmten Rahmen verändern, können jedoch nicht abgespeichert werden. Während die ersten beiden Bänke für die Original TB-303 Sounds inklusive typischer Effekte reserviert sind, finden sich auf den anderen Bänken Sounds, die weit über das 303-Spektrum hinausgehen; darunter sind neben Bass-Sounds auch Lead- und FX-Klänge, die zum Teil mit bis zu vier Oszillatoren arbeiten. Die Effekte sind den Presets fest zugeordnet und lassen sich leider nicht austauschen.
Neben einem gut klingenden Klangerzeuger und einem leistungsfähigen Sequenzer erhält man mit der Touch-Bassline auch noch ein Audio-Interface und einen XY-MIDI-Controller. Die warmen Modeling-Sounds lassen Acid-Vibes aufkommen, auch wenn es zum Original ein paar klangliche Unterschiede gibt. Ich kenne allerdings TB-303-Besitzer, die sich die TB-3 als zusätzliche Bassline gekauft haben und begeistert sind.
Sound
Als Acid-Maschine kann die TB-3 voll überzeugen, sie ist allerdings keine exakte Soundkopie des Originals, auch wenn sie ihm sehr nahekommt. Der Basisklang der Oszillatoren ist kraftvoll, und die Eigenschaften des Original-Lowpass-Filters wurden gut nachempfunden, Aliasing-Geräusche sind auch in den hohen Lagen nicht wahrzunehmen. Das analoge Original klingt manchmal noch etwas präsenter in den oberen Mitten, die TB-3 wirkt da je nach Einstellung etwas „dunkler“. Allerdings muss man dazu sagen, dass es auch bei den Originalen, bedingt durch Bauteildifferenzen, leichte klang – liche Unterschiede gibt: Keine zwei Basslines klingen exakt gleich. In Sachen Bassdruck braucht sich die TB-3 nicht zu verstecken und ist manchen Analog-Clones wie etwa der TT-303 sogar leicht überlegen. In der Disziplin TB-303-Imitation kann die TB-3 etwa mit Propellerheads Rebirth locker mithalten. Unter den 303-fremden Klängen findet man viele gut einsetzbare, zum Teil klassische Synth Sounds. Ich hätte mir vielleicht noch ein paar Wobble-Presets gewünscht, aber die zusätzlichen Klänge sind auf jeden Fall ein echter Bonus. Dank der Scatter-Funktion lassen sich auch Glitches und Ringmodulator-ähnliche Sounds erzeugen.
Praxis
Das Arbeiten mit der TB-3 macht Spaß, und dem kreativen Prozess steht keine Menü-Taucherei im Weg. Man muss sich einige wenige Tastenkombinationen merken, und los geht’s. Vor allem die Programmierung des Sequenzers ist sehr viel angenehmer als beim Original; die gezielte Modifikation von Patterns wird dank des Touchpads zum Kinderspiel. Das Gerät leistet auch als Sequenzer für externe Klangerzeuger sehr gute Dienste. Wer mal versucht hat, ein groovendes Pattern mit Slides, Ties und Akzenten in der DAW zu programmieren, wird das TB-3-Handling lieben. Nicht so schön ist die Tatsache, dass die Reglerbewegungen momentan leider nicht als MIDI-CC-Controller-Daten ausgegeben werden; hier muss noch nachgebessert werden. Über USB kann die TB-3 als Audio-Interface genutzt werden und die Sounds auch digital ausgeben. Die Voraussetzung ist allerdings, dass man die Projekteinstellungen der DAW auch auf 24 Bit/96 kHz setzt; hier sollte Roland auch andere Auflösungen (etwa 44,1 kHz) erlauben.
Fazit
Fatboy Slim hat es in seinem Song treffend formuliert: „Everybody needs a 303“. Dieses Bedürfnis kann nun dank des niedrigen TB-3-Straßenpreises von knapp unter 300 Euro befriedigt werden, das Gerät könnte eine echte „Volks- 303“ werden. Der TB-3 wurde zum Glück ein janusköpfiges Konzept verpasst, d. h., man schaut nicht nur zurück, sondern auch in die Zukunft. Dank des gelungenen Bedienkonzepts ist die TB-3 ein inspirierendes Tool, das weit mehr ist als eine bloße 303-Imitation.
Hersteller/Vertrieb: Roland
Internet: www.rolandmusik.de
UvP/Straßenpreis: 315,— Euro / ca. 300,— Euro
+ sehr gute Klangeigenschaften
+ intuitive Bedienung
+ günstiger Preis
– Reglerbewegungen werden nicht über MIDI ausgegeben
– Effekte lassen sich den Sounds nicht frei zuordnen
Update
Roland sorgt für seine AIRA-Schäfchen. Im neuesten Betriebssystem-Update OS 1.1, das u. a. auch für die TR-8 vorliegt, werden viele drängende User-Wünsche erfüllt und einige erhebliche Kritikpunkte eliminiert:
Endlich ist es möglich, Backups der Patterns im Computer via USB zu erstellen, und es gibt nun auch eine Tune-Funktion, deren Fehlen von vielen zu Recht bemängelt wurde. Außerdem wurde das Glitchen bei Slide-Steps dem Verhalten des Originals ein deutliches Stück näher gebracht. Danke dafür.
Zu den weiteren Neuerungen gehören u. a.:
• einem Pattern lässt sich ein Sound fest zuordnen,
• beim Transponieren des Patterns ist es nicht mehr notwendig, den Key-Taster gedrückt zu halten,
• es gibt jetzt eine zusätzliche User-Bank, auf der man die Lieblings.Patterns zum schnellen Zugriff speichern kann,
• Tonumfang und Transpose-Range wurden erweitert,
• ein Pattern kann gegen versehentliches Modifizieren gesichert werden,
• die MIDI-Implementation wurde verbessert: Akzent, Slide und Scatter lassen sich mit CC-Controller-Befehlen steuern.