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Roland αJuno-2 (*1986)

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Roland αJuno-2 (*1986) Synthesizer (Bild: Dieter Stork)

Wer erinnert sich nicht an die Frühneunziger-Techno-Anthems mit dem berühmten Staubsauger-Sound, die man 1991 in jedem Club hören konnte und die auch später vielfach gesampelt u. a. im Drum’n’Bass-Gewand wiederauftauchten?

Der legendäre Hoover-Sound geht auf berühmte Clubhits wie Mentasm von Second Phase und Dominator von Human Resource zurück (und wird daher auch gern als „Mentasm“- oder „Dominator“-Sound bezeichnet). Der kreative Kopf hinter den Projektnamen ist der New Yorker Produzent Joey Beltram, der sich anfangs an Pionieren wie Adonis und Chip E. orientierte. Seine frühen Tracks, die er u. a. bei Labels wie Atmosphere Records und Trax Records veröffentlichte, waren allerdings in Europa viel erfolgreicher als in den USA. So erschienen seine bekanntesten Stücke, mit denen er Musikgeschichte geschrieben hat, auch zuerst auf dem belgischen Kultlabel R&S.

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Die Soundmachine, die für den Dominator-Staubsaugersound verantwortlich war, ist ein Roland Alpha Juno-2 Analogsynthesizer; Beltram und sein Partner Mundo Muzique (mit dem er zusammen Second Phase bildete) modifizierten einen aus zwei gegeneinander verstimmten, pulsmodulierten Oszillatoren bestehenden Factorysound namens „What The…!“, sampelten ihn, versahen ihn mit Effekten und schufen damit 1991 ein sehr markantes klangliches Markenzeichen, das in der Folgezeit auch auf zahllosen Veröffentlichungen anderer Acts auftauchte.

In dieser kreativen Phase der Techno-Bewegung waren innovative Sounds sehr wichtig; die Szene war noch nicht so konservativ wie heute und hungerte alle paar Monate nach neuen Klangschöpfungen. Der Alpha Juno (oder der Expander MKS-50) wurde u. a. auch von Musikern wie The Prodigy, Faithless, Vince Clarke, Paul Hardcastle, Fatboy Slim, Howard Jones, Massive Attack, Coldcut, Bomb the Bass und Youth eingesetzt.

Äußeres. Roland brachte den den Alpha Juno-1, 1985 auf den Markt. Er kostete anfangs ca. 1.450 D-Mark. Dem Zeitgeschmack entsprechend besitzt der Synth eine digitale Bedienoberfläche mit Folientasten, die an den erfolgreichen DX7 von Yamaha erinnert. Die vieroktavige Tastatur ist nicht anschlagdynamisch, allerdings lassen sich die Sounds über MIDI anschlagdynamisch spielen.

Das namensgebende Merkmal ist das flache Alpha-Dial-Rad für die Dateneingabe. Es ist beim detaillierten Editieren ganz praktisch, man kann allerdings ganz schön ins Kurbeln geraten, möchte man einen größeren Wertebereich schnell durchfahren. Mit vier Tastern der TONE-MODIFY-Sektion hat man den direkten Zugriff auf Parameter wie FilterCutoff, die Release-Phase der Hüllkurve oder LFO-Rate und -Wirktiefe.

Unter dem Dial-Rad liegen vier Taster, die zur Oktavtransponierung und zum Aktivieren von Portamento und der CHORD-MEMORY-Funktion dienen. Mit Letzterer kann man bis zu sechsstimmige Akkorde mit einer Taste spielen: Das macht Spaß und kann inspirierend sein. Das 16-stellige hintergrundbeleuchtete Display kann übrigens bei älteren Geräten schon mal verblassen. Der Speicher des Instruments fasst 64 Presets und 64 Usersounds.

Rückseitig finden sich außer dem Stereoausgang, dem Kopfhöreranschluss und dem MIDI-Trio ein Kassetteninterface zum Soundspeichern, Anschlüsse für ein Hold- und ein Lautstärke-Pedal sowie ein Fuß-Schalteranschluss zum Aktivieren des Portamentos, der Chord-Funktion und zum Weiterschalten der Sounds. Die Modellvariante Alpha Juno-2 kam ca. ein Jahr später heraus und verfügt über eine gewichtete fünfoktavige Tastatur mit Anschlagdynamik und Aftertouch.

Sie lässt sich gut spielen und qualifiziert den Synth auch als Einspielkeyboard fürs Studio. Auf das Kassetteninterface wurde verzichtet, stattdessen gibt’s einen Cartridge-Schacht für die Roland M-64C RAM-Cartridge (64 Sounds), die auch bei der TR-909 und beim JX-8P eingesetzt werden kann. Massenspeicherung über SysEx-MIDI-Daten ist auch möglich. Als weitere Modellvarianten existieren außer dem 19″-Expander MKS-50, der mit einer Höheneinheit auskommt und 128 Speicherplätze bietet, noch der HS-10 (eine Alpha Juno-1-Variante mit etwas anderem Oberflächendesign) und der HS-80 (eine Alpha Juno-2-Version mit eingebauten Lautsprechern).

Um den Nachteil der digitalen Bedienoberfläche etwas wettzumachen und den Knöpfchendrehern unter den Keyboardern entgegenzukommen, brachte Roland den P-300 Programmer auf den Markt, mit dem die Alpha-Synths über die MIDI-Schnittstelle intuitiver bedient werden können. Das Gerät ist mit Fadern für alle wichtigen Parameter ausgestattet, die SysEx-Befehle senden. Der P-300 funktioniert auch beim MKS-50. Leider ist er auf dem Gebrauchtmarkt nicht so leicht zu finden und wird oft überteuert angeboten.

Klangerzeugung

Alle Alpha-Juno-Modell-Derivate besitzen dieselbe sechsstimmige Klangarchitektur. Sie arbeitet mit einem DCO pro Stimme. Die digital kontrollierten Oszillatoren unterscheiden sich von den DCOs der Vorgänger: Sie liefern gleich 14 Wellenformen, inklusive sechs verschiedener Suboszillatoren, die je nach Typ eine oder zwei Oktaven tiefer liegen. Neben einer modulierbaren Pulswelle steht sogar ein pulsbreitenmodulierbarer Sägezahn zur Verfügung – ein Feature, das nur selten anzutreffen ist. Ein Rauschgenerator und eine Portamento-Funktion sind ebenfalls implementiert.

Die beiden Hüllkurven für VCA und VCF lassen sich invertieren und sind schnell genug für perkussivere Klänge. Das gut klingende Lowpass-Filter hat eine 4-Pol-Charakteristik und ist mit Resonanz ausgestattet. Leider reicht diese nicht bis zur Selbstoszillation, eines der größten Mankos des Instruments. Der LFO ist mit einer Delay-Funktion ausgestattet. Außerdem verfügt der Synth noch über einen Stereo-Chorus-Effekt mit variabler Geschwindigkeit. Dieser klingt nicht ganz so breit wie der Chorus der Vorgängermodelle, ist aber etwas weniger „noisy“.

Sound

Man sollte sich durch das sachliche Äußere des Gerätes nicht täuschen lassen: In dem nüchternen Outfit steckt ein potenter Analogbolide, der sehr kraftvolle Sounds generieren kann. Ob böse, durchsetzungsfähige Bässe und Leads, Synth-Powerchords oder schöne Strings und Pads: Der Alpha Juno beherrscht die ganze Palette bis zu Sounds wie E-Pianos, die man eher einem Digitalsynth zugetraut hätte. Wer aber die Wärme und Geschmeidigkeit sowie die schön modellierten Bässe und seidigen Streichersounds seiner Juno-Vorväter Juno-6, -60 oder -106 erwartet, wird enttäuscht: Die AlphaSynths klingen deutlich kühler und lange nicht so organisch wie die Ahnen.

Auch Acid-Artiges ist aufgrund der fehlenden Selbstoszillation seine Sache nicht. Dafür kann er aggressiver zulangen und (auch dank der DCOs mit der relativ großen Anzahl an Wellenformen) eine weit größere Bandbreite an Klängen erzeugen, die sich mit den älteren Junos nicht programmieren lassen. Außerdem lässt er sich dank Velocity und Aftertouch ausdrucksstark spielen. Unterm Strich sind die Alphatierchen schöne Analogsynths mit ganz eigenem Soundcharakter, die man noch zu erschwinglichen Preisen auf dem Gebrauchtmarkt bekommen kann, da sie nie wirklich zum Kult-Hype wurden.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Lieber Herr Lösener. Leider haben Sie an 2 Stellen falsch recherchiert. Der Alpha Juno hat natürlich nur einen DCO pro Stimme. Und die Hüllkurve ist 7-stufig, nicht wie Sie schreiben 8-stufig. Übrigens wurde das Filter, wie ich einem Interview mit seinem Entwickler entnehmen konnte, extra so gewählt, das es sehr hoch-resonante Sounds erzeugen kann, ohne dabei in die Selbstresonanz zu gehen. Es ist also genau genommen kein Manko, sondern eher ein durchaus gewolltes Feature, das den Sound vielleicht auch einzigartig macht. MfG

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  2. Schöner Beitrag, aber nicht das hier falsche Hoffnungen geweckt werden von wegen 8-Stimmigkeit:
    8-stimige Akkorde? – also mein Alpha1 hat nur 6 Stimmen, mein (nicht mehr im Besitz) MKS50 konnte wohl auch nur 6 Stimmen erzeugen… Der Alpha2 war auch nicht der Nachfolger, sondern nur die 61-Tasten Variante, beide Geräte wurden parallel angeboten…

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  3. Liebe Kommentatoren,der Beitrag enthält in der Tat einige arge Schnitzer…der Alpha Juno ist natürlich sechsstimmig polyfon, seine Klangerzeugung arbeitet mit einem DCO pro Stimme und die Hüllkurve ist siebenstufig; das werden wir verbessern, danke für die Hinweise!

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  4. Aus welchem Archiv zieht Keyboards diese Artikel eigentlich? Der Weblink zu http://www.alphadial.org ist seit Ende 2008 tot. Immerhin gibt es archivierte Seiten unter web.archive.org zu finden.

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    1. Hallo Georg,
      vielen Dank für den Hinweis. Normalerweise überprüfen wir die Links, besonders die der Artikel aus unserem Archiv. Hier hat sich wohl einer durchgemogelt.
      Unser Archiv findest du, wenn du auf unserer Seite auf “Heft” klinkst. Oder folge diesem Link: http://www.keyboards.musikmachen.de/Magazine/KEYBOARDS/Magazinarchiv
      Lieben Gruß

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  5. Hallo zusammen,

    ich bin beim “Ausmisten” auf meinen 30 – 35 Jahre alten Alpha Juno 1 gestoßen. Er ist soweit noch voll funktionsfähig, wenn ich auch nicht alles testen konnte (z. B. MIDI). Nun ist die Frage, was ich noch dafür verlangen kann, er hatte damals 1200 – 1500 DM gekostet (keine Rechnung mehr). In ebay wird er für sage und schreibe 400 – 500 € (und mehr) angeboten. Für einen >30 Jahre alten Synthesizer erscheint mir das allerdings doch etwas viel. Was meint Ihr?

    Vielen Dank und Gruß

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    1. Hallo Michael,

      je älter desto teurer, das gilt schon länger für die analogen Synthesizer (und mittlerweile auch für die ersten digitalen) …
      Die Alpha Junos gehören zu den letzten analogen Rolands, die noch mit Gebrauchtpreisen unter 500 € gehandelt werden. Vor ein paar Jahren gingen die je nach Zustand noch für 150 € – 250 € weg, mittlerweile eher ab 300 €, Tendenz steigend.
      Mit gewisser Verzögerung bildet die “Syntacheles”-Liste die Preise ab, google mal danach. Wenn ich bei eBay und in die Kleinanzeigen schaue, scheinen die Alphas mit 400 – 500 € nicht so schnell verkauft zu werden – ein realistischer Preis liegt aktuell vielleicht bei 350 €.
      Alternative: Behalten und wieder spielen 😉 Mit den heutigen Software-Editoren und Hardware-Controllern erwacht so ein Alpha Juno zu ganz neuem Leben.

      Viele Grüße
      Jean K.

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