Rhodes Chroma – Synthesizer

Jazz-Legende und Weather Report-Kopf Joe Zawinul liebte elektronische Klangerzeuger und beschaffte sich immer alles, was neu und cool war: sein Fender Rhodes, das er seit 1967 spielte, ersetzte er 1983 durch ein Rhodes Chroma, einen von ARP entwickelten Traumsynth …

Zawinul und sein Rhodes Chroma sind u.a. auf dem 1984 erschienenen Domino-Theory-Album von Wheather Report zu hören; er spielte mit dem Synth u.a. im Stück D Flat Waltz ein wunderbar expressives Solo ein. Neben der E-Piano-artigen Tastatur liebte er auch den Sound des Chroma und schätzte seine klanglichen Möglichkeiten und experimentelle Features wie das (damals außergewöhnliche) Microtuning, das er u.a. auf dem Di-A-Lects-Album (1986) einsetzte. In einem Interview (Keyboard 1984) konstatierte Zawinul: “Early in ’83 I replaced the Rhodes electric piano with the Chroma, which I now use for solo playing. I’ve got some really hip solo sounds on it, which are not guitar sounds but have the strength or the power of a rock ’n’ roll guitar, only with more possibility for flexibility in the sound itself. It’s a fine instrument“.

Rückseitig findet man neben den symmetrisch ausgeführten Main-Outs, vier Einzelausgänge, die auch als Eingänge genutzt werden können, zwei Pedal- und zwei Fußschalter-Anschlüsse sowie ein Computer- und ein Kassetten-Interface.
Rückseitig findet man neben den symmetrisch ausgeführten Main-Outs, vier Einzelausgänge, die auch als Eingänge genutzt werden können, zwei Pedal- und zwei Fußschalter-Anschlüsse sowie ein Computer- und ein Kassetten-Interface.

ARPs Ende

Der Rhodes Chroma wurde von der kriselnden Firma ARP entwickelt und noch im firmeneigenen ARP-Magazin angekündigt. Beteiligt waren u.a. die Ingenieure Steve Dodds und Tony Williams. ARP hatte alles auf eine Karte bzw. den Gitarrensynthesizer Avatar gesetzt, dessen Entwicklung sehr viel Geld und Manpower verschlang. Der Misserfolg des nur 300mal gefertigten Avatar (einer Million US-Dollar Einnahmen aus den Avatar-Verkäufen standen vier Millionen Dollar Entwicklungskosten gegenüber) besiegelte aber dann 1981 das Ende der namhaften Firma. CBS kaufte den fast fertigen Synthesizer aus der Konkursmasse, stellte ihn mit dem früheren ARP-Team fertig und brachte ihn 1982 für 5.295,- $ unter der zum Konzern gehörenden Marke Rhodes (die ebenfalls einen sehr guten Ruf hatte) heraus. Eine 3.150,- $ teure Expanderversion wurde ebenfalls angeboten. Etwa 3000 Chroma Synthis wurden gebaut.

User

Viele Musiker liebten den Rhodes Chroma und schätzten seine außergewöhnlichen Klangeigenschaften, ebenso wie die Rhodes-Tastatur. Für CBS/Rhodes war der Synth kein übles Geschäft; wäre er noch unter der ARP-Ägide fertiggeworden hätte er die Firma möglicherweise vor der Pleite gerettet. Zum Userkreis gehörte neben Zawinul auch Herbie Hancock, der den Synth u.a. auf seinem epochalen, Platin-veredelten Electro-Funk-Album Future Shock (mit dem Hit Rock It) von 1983 einsetzte. Auch der Pat Metheny-Keyboarder Lyle Mays verwendete das Synth-Schlachtschiff. Zu hören ist der Chroma außerdem auf dem Chaka Khan Longplayer I Feel For You, auf Thomas Dolbys Aliens Ate My Buick und auf einigen Tangerine Dream-Alben, auf dem von Jerry Goldsmith produzierten Soundtrack von The Runaways und auf Michael Jacksons History-Album von 1996.

Als Spielhilfen stehen zwei Bender zur Verfügung. Direkten Zugriff hat man außerdem auf einen dreibandigen Equalizer.
Als Spielhilfen stehen zwei Bender zur Verfügung. Direkten Zugriff hat man außerdem auf einen dreibandigen Equalizer.

Upperclass

Äußerlich hinterlässt das Schwergewicht einen bleibenden optischen (und orthopädischen) Eindruck. Das Design unterscheidet sich radikal von damals bekannten Synthesizern. Da ist einmal die anschlagsdynamische Rhodes-Kirschholztastatur mit 64 Tasten, die vor allem den pianistisch geschulten Keyboarder erfreut, aber auch einiges auf die Waage bringt. Sie lässt sich splitten, wobei der Splitpunkt frei gewählt werden kann. Dazu kommt das große, seriös wirkende Metall-Gehäuse mit dem edlen hölzernen Rahmen. Vor allem aber die Bedienoberfläche wies in die Zukunft und hat möglichweise kommende Synth-Designs wie etwa Yamahas DX 7 beeinflusst: Statt einer Armee von Potis und Fadern gibt es hier nur sechs Fader und jede Menge grüne, blaue und rote Folientaster. Optische Rückmeldungen liefern zwei spartanische Displays.

Computer sagt Nein!

Der Rhodes Chroma gehört zur ersten Generation Mikroprozessor-gesteuerter Synthesizer (Intel 8039 und Motorola 68B09 sind die Hauptprozessoren). Die Computer-Sektion dient allerdings nur zur Steuerung der analogen Klangerzeugung und der Generierung der LFOs und der Hüllkurven, die beide nicht die allerschnellsten sind. Problematisch ist die Unterdimensionierung des Netzteils vor allem bei früheren Geräten. Das kann zur Folge haben, dass sich die einzelnen Oszillatoren nacheinander während des Spielens verabschieden, was auch brav im Display angezeigt wird. Abhilfe schafft hier meist der Einbau eines neuen Netzteils.

Direkten Zugriff hat man auf einen dreibandigen Equalizer.
Direkten Zugriff hat man auf einen dreibandigen Equalizer.

Klangarchitektur

Die analoge Klangerzeugung des Chroma bietet maximal 16 Stimmen bzw. Kanäle; jeweils zwei Kanäle werden zu einem Block zusammengefasst, der dann jeweils mit zwei VCOs, zwei VCAs (basierend auf CEM3360), zwei unabhängigen Glide-Generatoren, vier Hüllkurven und zwei sehr flexiblen LFOs (mit vielen Wellenformen, Sample & Hold, Delayfunktion, diverse Triggermodes etc.) bestückt ist. Auch ungewöhnliche Modulationsroutings auf Phasen der Hüllkurven oder der Geschwindigkeit der LFOs lassen sich realisieren. Die Oszillatoren liefern die Wellenformen Sägezahn, Pulse, Pink Noise und White Noise und durchlaufen zwei Multimode-Filter (CEM3350), die mit 12 dB Absenkung pro Oktave arbeiten und als Tief-, Hoch-, Band- oder Kerb-Filter agieren können. Die beiden Filter lassen sich parallel oder seriell konfigurieren, so dass sie bei Bedarf auch als 4-Pol eingesetzt werden können und generell viele Variationsmöglichkeiten gegeben sind. Die Verschaltungsmöglichkeiten der Klangerzeugungs-Blöcke (VCO, VCA, LFO etc.) werden durch 16 Algorithmen festgelegt (auch hier ließ sich Yamaha anscheinend für das DX 7-Projekt inspirieren). Der Chroma bietet sehr viele Modulations-Möglichkeiten mit Ringmodulation, PWM etc. Eine Fülle von Play-Modi lässt sich anwählen, um die Stimmen monofon oder polyfon zuzuordnen und die Noten-Priorität festzulegen; auch Multimode ist verfügbar. Die Programmierung mit der digitalen Bedienoberfläche, den spartanischen Displays und dem einsamen Data-Fader kann allerdings zur Geduldsprobe werden.

Boni

Der Spassfaktor wird deutlich erhöht durch einen Arppegiator, der auch die eingespielten Velocity-Werte verarbeitet und eine Random-Funktion bietet. Auch ein Akkordspeicher ist an Bord.

Apfelkompott

Der Chroma gehört zu den ersten Synthesizern, die von einem Computer gesteuert werden konnten. Beim Chroma kam der Apple II, IIe zum Einsatz, für den Editor-Software und  Sequenzerprogramm mit 64 Spuren entwickelt wurde; in der Prä-MIDI-Ära war das purer Luxus.

Eine MIDI-Interface für den Rhodes Chroma gab es u.a. von Syntech.
Eine MIDI-Interface für den Rhodes Chroma gab es u.a. von Syntech.

Sound

Der Rhodes Chroma gehört klanglich zur Synthesizer-High Society…er ist mit einem kraftvollen Basis-Sound ausgestattet und kann dank der flexiblen Konfigurations- und Modulationsmöglichkeiten eine große klangliche Bandbreite abdecken. Manche Patches erinnern an einen ARP 2600, manchmal wirkt er eher clean und brillant oder geht ein wenig in Richtung Oberheim Matrix 12. Zu seinen Stärken gehören zudem außergewöhnliche Modulationen; dank Filter-FM, PWM, Ringmodulation und Oszillator-Sync gibt es hier viele Optionen, um ausdrucksstarke, lebendige Sounds zu erstellen, vorausgesetzt, man hat sich mit dem etwas gewöhnungsbedürftigen Bedienkonzept angefreundet. Etwas schade ist nur die z.T. etwas grobe Parameterauflösung, die bei manchen Parametern nur 32 (VCA Modulationstiefe) oder 8 Stufen beträgt wie bei der Filterresonanz (die aber bis zur Eigenschwingung reicht).

MIDI

Da der Rhodes Chroma in der Prä MIDI-Zeit auf die Welt kam, musste man eine bis zu 1.000,- DM teure MIDI Schnittstelle nachrüsten; Anbieter waren damals u.a. Syntec, Kenton, EES Wiescholek oder JL Cooper; Tipps zu aktuellen Interfaces (etwa CC+) findet man u.a. auf www.rhodeschroma.com.

Chroma Polaris

Der Nachfolger des Rhodes Chroma heißt Chroma Polaris und kam Ende 1984 mit einem Preis von DM 7.500,- auf den hart umkämpften Synthesizer-Markt. Er ist eine sechsstimmige, abgespeckte Version des opulenten Vorgängers und kann ihm klanglich nicht das Wasser reichen; dafür wurde ihm eine verbesserte Bedienoberfläche mit vielen Reglern verpasst, die das intuitive Erstellen von Sounds begünstigt.

Der Rhodes Chroma wurde uns freundlicherweise von Ingo Rippstein (www.synthmaster.de) zur Verfügung gestellt.

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