Novation Peak – Polyfoner Hybrid-Synthesizer
Wer den Wortstamm »nova« in seinem Firmennamen trägt, hat Innovation im Programm, sonst stimmt etwas in der Firmenführung nicht. Natürlich wissen die äußerst versierten Synthesizer- und Controller-Hersteller bei Novation, was im Studio und auf der Bühne − jenseits feucht-epigonaler Analogträume − dringender benötigt wird als noch ein rein analoger Synth mit gar keinem oder besonders wenig Speicherplatz.
Ich bin mir sicher. Die Jungs bei Novation haben lange Zeit in ihrem Lieblingspub gesessen und Pints mit flachen Schaumkronen gehoben, bis sie gleichsam zugedeckt waren von all den mit Schaltungsideen vollgekritzelten Bierdeckeln. Kurz vor der letzten Runde muss sich dann wohl Chris Hugget − nicht nur nebenbei der Mann hinter Bass Station, Supernova, OSCar und anderen legendären Synths − aus dem Bierdeckelberg erhoben und geheimnisvoll geflüstert haben: »Und wie wär’s denn eigentlich mit einem polyfonen Hybrid-Synthesizer, mit besonders hoch auflösenden digitalen Oszillatoren, deren Wellenformen zuerst eine semimodulare Modulationsmatrix durchlaufen, um am Ende in ein analoges Filtersystem mit insgesamt drei Einsatzpunkten für Verzerrung zu führen? Das Ganze dann supersolide verbaut, wirklich road-tauglich und komplett total recall. Hab ich geradezu abartig rutschfest erwähnt? Na? Na?!!«
Gesagt getan. Frei nach der ins Deutsche nur unter Schmerzen übersetzbaren Punchline »Analogue where it matters − digital where it counts« machte sich die gesammelte Novation-Mannschaft frisch ans Werk und präsentierte auf der diesjährigen Superbooth mit Peak den Synthesizer mit der höchsten Mitsprechquote. Jeder, der dort war, hat ihn kurz angefasst und ein Molekülchen Stahldunkelblau vom Chassis des neuen Novation-Flaggschiffs an seinen neugierigen Synth-Nerd-Fingern mit nach Hause genommen.
Stahlwerk
»Meine Muskeln sind Maschinen, Sehnen stählern, Schweiß wie Öl …«, sangen schon die Krupps. Gemeint ist im Zusammenhang mit dem Peak die unglaublich robuste Gesamtverarbeitung. Das Ding ist aus Metall. Es wiegt, trotz seiner kompakten Desktopmaße von 464 x 233 x 70,5 mm satte 4,9 kg, die zusammen mit den riesigen, absolut rutschfesten Gummiflatschen unterhalb des Synths, die Standstabilität derart verstärken, dass man glaubt, das Maschinchen hielte sich trotzig am Tisch fest! Dass Netzteil- und USB-Anschluß deutlich fühlbar beim Ein- und Ausstecken einrasten, erspart in einer brenzligen Bühnensituation das Ausrasten aller Beteiligten, wenn sich einer dieser Kontakte unvermittelt löst. Weiterhin ist die Verarbeitung der meisten im Livebetrieb notwendigen Potis und Klicktaster von hervorragender Qualität. Einzig die fein gerasteten Drehregler [Data Encoders] für die Auswahl der Patches u. a. flutschen ein wenig zu enthusiastisch los. Wer eine halbe Stunde lang an einem Weltmeistersound herum gewerkelt hat und da mal kurz drankommt und damit versehentlich das nächste Patch ins System lädt, dürfte sich kurz ein Haar oder einen Zopf raufen.
Zahnräderwerk
Insgesamt vermittelt Peak also das Fahrgefühl eines kraftvollen und mächtigen Klangvehikels. Mehr Oomph als Fimsch sozusagen. Die gefühlten fünf Tüten Milch sind vollgestopft mit gewichtigen Features, wobei nur die analogen Anteile von der Erdbeschleunigung tangiert werden, denn die Klangerzeugung der Oszillatoren und Wavetables ist zunächst einmal virtuell analog. Das wiegt ja bekanntlich nichts und kann daher auch nix, unkt der Analogfetischist dahinten in der dunklen Ecke. Mimimi, Klappe halten, sag ich da. Da kann man sich nämlich täuschen und zwar heftigst. Der Peak ist ein HybridSynthesizer, und das ist etwas Gutes. Er ist damit in der hervorragenden Gesellschaft anderer dick, edel und breitbeinig klingenden Protagonisten wie Prophet 12, Roland JD-Xa, Waldorf Quantum, Modal Electronics Modulus.002, Korg DW-8000 oder dem saftigen Korg DSS-1. Allen gemein ist die Tatsache, dass hinter der digitalen (und oftmals daher höchst präzisen) Klangerzeugung eine analog realisierte Filterschaltung folgt.
Anstelle eines DSPs werkelt im Peak allerdings ein FPGA. Diese Prozessorgattung (Field Programmable Gate Array) ist im Prinzip ein vom Endkunden (der Synthhersteller) an seinen Bedarf (»Wir bauen einen Synthesizer«) genau anpassbarer Prozessor. Das erlaubt einerseits eine zügige Verarbeitung individueller Prozesse auf paralleler Basis, andererseits lässt sich jetzt auch schon absehen, dass Novation mit dieser Technologie auch abweichende Funktionalitäten in neue Geräteklassen einbauen kann, ohne ständig das Rad neu erfinden zu müssen. Ein erster Beweis ist die ebenfalls zur Superbooth präsentierte und hochinteressante Circuit Mono Station, in der einige modulare Features der Peak-Entwicklung offensichtlich mit eingeflossen sind.
Klangwerk
Peaks Feature-Liste ist »impressive«, wie der Brite zu sagen pflegt. Hinten finden wir Anschlüsse für Kopfhörer, zwei Klinkenausgänge, CVMod-In, Pedal 1 und 2, ein MIDI-Trio, USB, Strom – anschluss und einen Kensington-Slot. Innen wird’s interessanter: Er verfügt über drei hochauflösende sogenannte »Oxford Oscillators« (Sinus, Dreieck, Sägezahn, Pulswelle) für jede der acht Stimmen, hier auch NCOs (Numerically-Controlled Oscillators) genannt, die einen Bereich von vier Oktaven abdecken und per Coarse und Fine sehr komfortabel gestimmt werden können. 17 interne Wavetables erweitern die Oszillatorenseite um typische Nuancen der 80er und 90er. Das sind zwar einige weniger als beim Ultranova, doch ermöglicht der Shape-Regler, mit dem sich die Wellenform der NCOs oder der Wavetables leicht umformen oder verrunden lässt, viele neue subtile Obertonvarianten. Zusätzlich zählen wir einen Noise Generator, einen Ringoszillator, zwei LFOs, einen Amp Envelope und zwei sogenannte MOD-Envelopes.
Außerdem besitzt Peak ein wirklich edel klingendes, analoges Filter mit Overdrive, das auch bei extremen Resonanzflanken niemals clippt. Apropos Overdrive: Peak verfügt über insgesamt drei (!) Insert-Punkte für Verzerrungen des Signals auf analoger Ebene, nämlich Pre-, Post-Filter und Global. Auch hier ist der resultierende Vorteil die subtile Vielfalt, Komplexität und Varianz nicht linear gehaltener Schaltungswege. Wer digitale Filter gewohnt ist, vermisst vielleicht modernere Spezialitäten wie Dual-Bandpass oder Dual-LP, allerdings ist der Peak im Ganzen ein derart vielseitiges Klangmonster, dass man niemals von einem Defizit sprechen kann. Außerdem führen bei ihm viele Wege nach Rom.
Ach ja, eine einfache, lineare FM-Synthese, die einige, aber nicht alle bekannten Artefakte dieser Syntheseform abdeckt (mit Zuhilfenahme der drei Oszillatoren) ist über die Modulationsmatrix ebenso realisierbar wie Crossmodulation. Übrigens: Wir haben bis hierhin nur über die Grundausstattung der Klangsynthese gesprochen und bereits mehr als die halbe Miete eines soliden Sounddesigns bezahlt!
(Bild: Dieter Stork)Spachtelwerk
Die acht analogen Stimmen lassen sich übrigens per Unisono zu einer Überstimme zusammenspachteln und per UniDetune und UniSpread subtil verstimmen und auch im Stereofeld spreizen, um Sounds zu generieren, die absolut keinen Platz mehr im Mix lassen, außer für eine Prise Hall und einen minimalistischen Kompositionsansatz − John Carpenter lässt grüßen.
Der Peak verfügt aber über noch mehr Basics. Darunter findet sich z. B. ein ziemlich guter Arpeggiator mit umfangreichen Synchronisierungsmöglichkeiten (Auto, Internal, EXT-Auto, USB, MIDI) und 33 wählbaren Rhythmus-Patterns, die auch abgehackte und funkige Motive mit oder ohne Swing-Faktor generieren. Glide/Portamento ist übrigens eine Selbstverständlichkeit und besitzt einen eigenen Drehregler und Einschaltknopf.
Ok, die hinteren Plätze werden langsam unruhig, was ist denn nun mit den erwähnten Modulationsmöglichkeiten? Nun, da zählt der Herr Redakteur satte 16 Modulations-Slots pro Patch, die über jeweils zwei Einsatzpunkte aus einer Auswahl von 17 Quellen an eines von insgesamt 37 Zielen geroutet werden können. Konkret heißt das aber, dass z. B. ein Parameter wie »FM OSC01 moduliert OSC02« über Velocity und LFO1 gleichzeitig angesteuert werden kann. Zwei »Animate«-Tasterbereiche erlauben übrigens die Schaltung im Livejam von voreingestellten Modulationsmustern inklusive Hold-Taster. Ein ideales Tool also, um einem Patch »on-the-fly« weitere Artikulationen anzugedeihen oder einzufrieren. Der zusätzliche CV-Eingang erlaubt das Einspeisen externer Signale und Steuerspannungen, was ausschließlich über die Modulationsmatrix im Menü geregelt werden muss. Wer hier nicht genug Auswahl hat, schmeißt bitte seinen Peak vor meine Haustür und kauft sich besser was Schickes bei Buchla. Warum allerdings das Pitch-Rad in der Liste der Modulatoren nicht auftaucht, ist ein kleines Rätsel, dass auch Sherlock Holmes in seiner besten Phase dazu bewegt hätte, noch einmal einen langen, nachdenklichen Zug an seiner Pfeife zu nehmen.
Politurwerk
Kommen wir zu den Effekten. Diese sind digital als Aux-Returns realisiert und werden nach Bedarf und Geschmack hinzugefügt. Wir haben für die Summe Distortion, Chorus, Delay und Reverb. Diese klingen allesamt dick, amtlich und cremig. Einen super breit schwebenden Roland-Juno-Chorus habe ich zwar nicht einstellen können, aber der hätte sich höchstwahrscheinlich mit einem gespreizten Unison-Modus auch gar nicht so gut vertragen. Gerade das eng gewählte, fein abgestimmte Klangspektrum der Effekte definiert hier seine Qualität. Viel Lob bekommt zu Recht der Hall, der dicht und edel klingt und vor allem leicht hinzugefügt für einen schönen Glue sorgt.
Conclusio
Es ist schön zu sehen, dass eine Firma wie Novation ganz souverän den Trends der Synthesizerwelt im Jahre 2017 nur so weit folgt, dass sie den Bedarf an analogen Synths berücksichtigt, aber damit ihr eigenes Ding durchzieht und sogar die eigene Firmenphilosophie bestärkt. Peak ist ein äußerst vielseitiger Studio- und Bühnensynthesizer, dem man die jahrelange Reife und Erfahrung seiner Konstrukteure genau anhört. Er ist sowohl für versierte Sounddesigner, die einen mächtig klingenden Brot&Butter-Synthesizer brauchen, geeignet wie auch für Experimentatoren, die gerade nicht die allerneueste Syntheseform suchen, sondern ein fähiges Werkzeug zum sinnlichen Formen von Klang. Auf der Bühne macht er dank hervorragender Verarbeitung eine exzellente Figur und könnte ein neuer Standard werden.
Peak ist ein Werkzeug − irgendwo analog zum Spektrum einer Hilti Schlagbohrmaschine und eines Laserplotters. Dementsprechend rund und erwachsen klingt Peak dann auch im Einsatz. Dick schwebende Analogflächen mit klar-futuristischem Glanz oder dicht texturierte Noise-Scapes, sägende Solo-Synths, zwitschernde Sequenzen, beißende oder bellende Dubstep-Bassmonster, fette Drumshots von Alpha bis Omega, gebälkverziehende Subbasslines und Drones, aber auch luftige Fisselsounds. Eigentlich kann er alles, was man so braucht, und das trotz eines günstigen Straßespreises von rund 1.400,– Euro in einer gehobenen Qualität, die das Gerät ganz sicher zu einem Synthklassiker machen werden