Nonlinear Labs C15 – Digitaler Performance-Synthesizer
Ein Synthesizer mit nur einem Regler? Und ohne MIDI? Ein solches Instrument sorgt im Mindesten für Skepsis, stellt es sich doch dem aktuellen Zeitgeist diametral entgegen. Schon nach kurzer Betrachtung offenbart sich jedoch ein beeindruckend schlüssiges Konzept mit zahlreichen Überraschungen. Wir nehmen den C15 neugierig unter die Lupe …
Der Berliner Stephan Schmitt ist dem geneigten Leser nicht unbekannt: Als Schöpfer von Reaktor, dem wahrscheinlich erfolgreichsten Software-Synthesizer aller Zeiten, und Mitbegründer des nicht weniger erfolgsverwöhnten Unternehmens Native Instruments zählt Stephan zu den ganz Großen im erlauchten Kreis der Instrumenten-Entwickler. Kein Wunder also, dass seine Aktivitäten nach dem Ausstieg bei NI mit Neugier beäugt werden. Im Zentrum des Interesses steht der C15, das erste und lang gereifte Produkt seines neuen Unternehmens Nonlinear Labs − ein digitaler, 12-stimmiger Performance-Synthesizer mit höchst interessantem Konzept, Klang und ebensolchen Features.
Sehen und fühlen. Der C15 wird im soliden (optionalen) Flightcase geliefert. Als Zubehör werden ein stabiler Keyboard-Ständer sowie zwei, besser vier Fußpedale unbedingt empfohlen. Zur Spannungsversorgung dient ein mitgeliefertes Notebook-Netzteil. Aufbau und Anschluss sind schnell und unkompliziert erledigt.
Spontan beeindruckt der Look des Instruments: Der C15 wirkt kompakt, elegant und eigenständig (Vergleiche zu den Produkten eines schwedischen Möbelhauses wollen wir hier nicht kommentieren …). Das sauber gearbeitete Vollholzgehäuse und vor allem die hochwertige, gewichtete Fatar-Tastatur in Kombination mit den zahlreichen Spielhilfen vermitteln sofort eine hohe Wertigkeit. Nach dem Einschalten und Booten begrüßt uns der C15 in genau dem Betriebszustand, in dem er zuvor ausgeschaltet wurde. Mit einem Tasterdruck öffnet man den Preset-Browser und kann nun mittels Soft-Buttons, Up/Down-Tastern oder Encoder bequem zwischen Bänken und Presets navigieren. Presets lassen sich mit Tags und Kommentaren versehen und in theoretisch unbegrenzter Anzahl archivieren.
Hören und Staunen. Dieses Teil ist etwas ganz Besonderes! Seiner FM- und Physical-Modelling-verwandten Natur entsprechend, liefert der C15 digital Gezupftes, Geblasenes, Glockiges, Orgelndes und Klingelndes aller Couleur. Allerdings ist das klangliche Spektrum damit noch lange nicht erschöpft: Zum riesigen Sound-Repertoire gehören ebenso beeindruckend realistische Streicher, weiche Pads sowie komplexe Atmos und Effekte bis an den Rand der Vorstellungskraft.
Dabei beeindruckt nicht nur die Intensität der Sounds. Besonders interessant ist die Dynamik, mit der sich die Klänge spielen lassen. Lautstärke und Ton-Bending sind nur der Anfang. Mittels Ribbon-Controller und/oder Fußpedalen lassen sich Sounds äußerst nuanciert steuern oder mit einer Bewegung vollkommen umkippen. So wird aus einem wuchtigen Streicher- oder Bläsersatz eine ätherisch-hauchende Synthie-Fläche, das E-Piano verwandelt sich in ein krachendes Bass-Monster und perlende Gitarren mutieren zum Feedback-Inferno. Auch wenn der C15 mit solchen Qualitäten nicht völlig alleine dasteht − außergewöhnlich ist hier die intuitive Spielbarkeit, mitde r sich die Klänge (per)formen lassen: Klangerzeugung, Keyboard und Controller bilden eine organische Einheit, die jederzeit das Gefühl vermittelt, ein »echtes « Instrument unter den Fingern und Füßen zu haben. Das macht einfach riesigen Spaß, denn auch mit mäßigen pianistischen Fähigkeiten entlockt man dem C15 schnell ein echtes Sound-Feuerwerk. Die Spielfreude, die sich dabei entfaltet, sucht ihresgleichen. Der Grundsound ist druckvoll, klar und crisp, bisweilen auch recht bissig. Das Gap-Filter der Effektsektion bietet sich an, um gelegentliche Schärfen auf einfache Weise zu glätten. Die seidige Wärme eines guten Analogsynthesizers vermag der C15 selbstverständlich nicht zu liefern, er beeindruckt dagegen mit einer ganz anderen und eigenen Sound-Ästhetik.
Lernen und Spielen. Während der Zugang zum Performance-Instrument sehr spontan erfolgt, benötigt die Einarbeitung in die Klangerzeugung etwas Geduld. Wie schon erwähnt, bedient sich der C15 eines Mixes aus 2-Operatoren-FM- und Physical-Modelling-Elementen, nutzt jedoch auch ein State-Variable-Filter sowie mehrere Effekte. Entscheidend für die Klangformung sind die zahlreichen Feedback-Wege, über die fast alle »Module« miteinander verbunden sind. Sämtliche Routings sind dabei immer aktiv, man regelt nur die Pegel der Signalwege. Dadurch erübrigen sich Schaltfunktionen, was wiederum uneingeschränktes und stufenloses Morphing aller Klangparameter zulässt.
Der Oszillator-Teil besteht aus zwei sich gegenseitig modulierenden Sinus-Quellen mit nachfolgenden Waveshapern. Hier befinden sich zudem drei identisch aufgebaute Hüllkurven. Diese Anordnung funktioniert als vollständiger FM-Synthesizer und liefert bereits ein breites Spektrum entsprechender Sounds. Sie dient aber ebenso als Erreger für den nachfolgenden Kammfilter bzw. den Resonator, mit dem sie eine einfache, aber sehr effektive Physical-Modelling-Anordnung bildet. Hinter den Oszillatoren bzw. dem Kammfilter lässt sich zudem ein sehr flexibel konfigurierbares State-Variable-Filter nutzen. Es beschneidet nach bekannter Manier bestimmte Frequenzbereiche und ergänzt damit die Synthese-Engine um ein subtraktives Element − the best of three worlds.
So lässt sich beispielsweise in der Oszillator-Sektion ein perkussives »Pling« erzeugen, welches Kammfilter/Resonator zu flächigem Schwingen anregt und vom State-Variable-Filter zu einem bassig-runden Sound geformt wird. Durch Abgleich der Feedback-Pegel lassen sich verschiedene Bereiche des Systems kontrolliert in Schwingungen versetzen und das klangliche Ergebnis somit weiter verändern. Was als einfache Sinuswelle seinen Anfang nimmt, wandelt sich schnell zu einem Klanggebilde von höchster Komplexität und Flexibilität. Editiert man einzelne Parameter, darf man durchaus mit einer drastischen Veränderung des Gesamt-Sounds rechnen − einer der Gründe für den äußerst expressiven und dynamischen Sound des C15.
Nun verwundert es nicht, dass das gezielte Nutzen dieser Sound-Engine dem Programmierer zunächst mehr abverlangt als eine klassisch-subtraktive Anordnung. Glücklicherweise erleichtert der C15 mittels mehrerer Template-Presets und komfortabler Undo-Funktionen den Einstieg. Zudem erweist sich das Bedienkonzept als überraschend zugänglich. Wer es »konventioneller« mag, kann die komfortabel gestaltete grafische Bedienoberfläche des C15 auf einem Laptop/Tablet nutzen.
Der C15 will ein Performance-Keyboard für Instrumentalisten sein. Gelingt ihm das? Wer das Konzept (kein MIDI, kein Sequenzer) nicht grundsätzlich in Abrede stellt, dürfte vom C15 schnell und dauerhaft fasziniert sein. Die ebenso nuancierte wie umfassende Echtzeit-Kontrolle über die generierten Klänge und der damit verbundene Spielspaß sind höchst bemerkenswert und auf dem aktuellen Synthesizermarkt weitgehend konkurrenzlos.
Bei gekonnter Programmierung liegen äußerst überzeugende »Natur«-Sounds und wirklich bizarre, synthetische Klanggebilde buchstäblich nur eine Handoder Fußbewegung auseinander. Ebenso spektakuläre wie präzise steuerbare Morphings sind in der Klangwelt des C15 allgegenwärtig. Der Grundsound deckt ein riesiges Spektrum ab, erscheint sehr druckvoll und präsent und wirkt trotz einer gewissen »digitalen Sauberkeit« organisch. Charakter und Formbarkeit der Sounds machen den C15 vor allem für Filmmusiker fast zu einem Muss. Ebenso beeindruckend sind die Optionen, die sich Live-Keyboardern bieten. Schon die zum Test verfügbare Beta-Version funktioniert, abgesehen von ein paar kleinen Bugs, rundum vollständig und zuverlässig.
Stephan Schmitt und seine Crew haben ein höchst bemerkenswertes Instrument geschaffen, welches sich in der zunehmend langweiligen Welt der Virtuell-Analogen und halbgeilen Klassiker-Clones mal so richtig was traut − Hut ab! Klare Antestempfehlung!
STEPHAN SCHMITT ÜBER KONZEPTION UND ENTSTEHUNG DES C15
Stephan, warum besitzt der C15 nur einen einzigen Regler?
Der »Idealfall« − also ein Bedienelement pro Parameter − lässt sich bei einem Synthesizer mit der Komplexität des C15 nicht wirklich realisieren. Man müsste zwangsläufig mit einer reduzierten Regleranzahl und Menüs arbeiten. Dabei erhält aber jeder Regler immer wieder eine andere Funktion, was die Lernkurve verlängert. Potis visualisieren zudem nie korrekt die aufgerufene Klangeinstellung. Abhilfe wären Encoder mit LED-Kränzen. Die sind allerdings bei adäquater Qualität sehr teuer. Also haben wir uns nach langer Überlegung für eine sehr flache Parameter-Struktur mit Tastern auf einer großen Fläche plus einem Encoder entschieden. Man lernt und verinnerlicht die immer gleichen Positionen der Parameter und die notwendigen Handbewegungen erstaunlich schnell. Zudem besteht die Möglichkeit, die Bedienoberfläche vollständig umzukonfigurieren. Wenn wir eines Tages eine andere Synthese-Engine implementieren möchten, braucht man nur die magnetischen Overlays mit den Beschriftungen zu tauschen.
Warum gibt es kein MIDI bzw. keine Möglichkeit, den C15 via Sequenzer zu betreiben?
Das ist eine recht persönliche Sache: Mich fasziniert wirklich live gespielte Musik. Deshalb wollte ich ein Instrument für Leute bauen, die alles Hörbare in Realtime erzeugen und dabei für jeden Ton verantwortlich sein wollen − eben ein Instrument für Instrumentalisten. Dazu braucht es kein MIDI, sondern eine gute Tastatur und leistungsfähige Realtime-Controller in einem in sich selbst geschlossenen Instrument.
Welches Idee steht hinter dem Konzept des C15?
Zielsetzung war es, keinerlei »eingebaute « Musik zu liefern. Arpeggiatoren, Sequencer, Samples, Wavetables, ja sogar LFOs geben Klänge und musikalische Abläufe ein Stück weit vor und steuern somit den künstlerischen Output in eine ganz bestimmte Richtung. Der C15 soll von solchen Vorgaben so weit wie möglich frei sein und eine musikalische Entfaltung in jede Richtung zulassen. Deshalb nutzt er elementare Komponenten − etwa Sinus-Oszillatoren, die sich aber so verschalten lassen, dass sie ein sehr organisches Verhalten und eine hohe klangliche Komplexität entwickeln können.
Bitte noch ein paar Worte zur Entstehung des C15.
Die grundlegenden Ideen zum Synthesekonzept entstanden mit den NI-Reaktor-Instrumenten Spark, Prism, Skanner und Contour. Ich stellte fest, dass sich schon Spark gut für Realtime-Improvisationen eignete und als Basis für ein in sich geschlossenes Instrument funktionieren könnte. Die Entwicklung des C15 erfolgte dann mit einem kleinen Team über den Zeitraum von etwa fünf Jahren.
Auch das Vertriebskonzept ist erwähnenswert.
Ja, wir verkaufen ausschließlich direkt an Endkunden. Darüber hinaus bieten wir Schulungen und direkten Support an. Wir möchten eine möglichst enge Bindung zu allen C15-Besitzern. Auch ein Mietkauf ist möglich.