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Moog Theremin (*1960): Synthetischer Klangerzeuger

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In der Keyboards-Ausgabe 01/2017 stellen wir das Rhythmicon – eine vor rund 90 Jahren von Leon Theremin entwickelte Ur-Groove-Maschine – vor. Das hier vorgestellte Theremin ist dagegen fast wie ein kommerzieller Erfolg. 

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(Bild: DIETER STORK, MOOG-ARCHIV)

Sphärenzauber 

Frau Moog war besorgt: Anstatt Klavier zu üben oder wenigstens etwas für die Schule zu tun, war ihr Sohn schon wieder im Keller verschwunden. Schuld daran war natürlich auch Bob Moogs Vater, ein Ingenieur, der sich in seinem Bungalow in Flushing bei New York eine Hobby-Radiowerkstatt eingerichtet hatte.

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Während seine Altersgenossen zunehmend Interesse für Autos, Revierkämpfe oder das andere Geschlecht zeigten, lag Bobs Leidenschaft ganz klar bei der Elektronikbastelei, und die Kellerwerkstatt seines Vaters war für den etwas schüchternen Nerd ein Paradies. In den 40er- und 50er-Jahren erwachte nicht nur in den USA eine technikbegeisterte Bastlerszene, die sich auf alles stürzte, was mit Strom zu tun hatte – egal ob es ein Radio, ein elektrischer Türöffner oder ein Verstärker war. Eines der Projekte war der Bau eines Theremins; dieser exotisch-futuristische Klangerzeuger faszinierte Bob Moog, der seit seinem vierten Lebensjahr Klavierunterricht hatte, weit mehr als das Piano. Mit 15 baute er seinen ersten Klangerzeuger. Er besorgte sich einen Theremin-Bausatz, verbesserte ihn und begann, selbst eigene Theremin-Varianten herzustellen. Das Instrument wurde die erste große Liebe des Synthesizer-Visionärs, und er ist ihr bis zu seinem Tod im Jahre 2005 treu geblieben; Moog Music ist heute der führende Theremin-Anbieter.

R.A. Moog Co.

Mit 19 Jahren, also 1954, gründete Bob Moog zusammen mit seinem Vater die Firma R.A. Moog Co., die von der Kellerbasis aus betrieben wurde und zuerst vor allem Bauteile für Theremine und später auch komplette Instrumente verkaufte. Während die ersten Theremine noch mit Röhren bestückt waren, arbeitete seine Klangerzeugung ab 1961 mit preisgünstigen Transistoren. Das Geschäft wurde ein großer Erfolg, und Moog verkaufte während seiner College-Zeit und seines Physik- und Ingenieursstudiums eine große Zahl Theremine.

Models 

Das erste kommerzielle Moog-Produkt war das Theremin Model 201 von 1954, es folgten Model 305 und 351, die mit einem Oberton-Schalter ausgestattet wurden und in der Lage sind, mehrere unterschiedliche Sounds zu erzeugen. Eine Weiterentwicklung war das Modell „The Vanguard“, das einen dreieinhalbfachen Oktavumfang bietet und 1960 für 356 Dollar zu haben war. Alle genannten Theremine arbeiten mit einer Röhrenschaltung. Dies änderte sich mit dem im gleichen Jahr auf den Markt gebrachten, transistorbasierten „The Professional“, welcher vier Klangfarben bietet und 650 Dollar kostete.


In der elektronischen Analog-Renaissance der 90er-Jahre wurde auch das Theremin wiederentdeckt. Bob Moog war lebenslang von dem Instrument fasziniert und fertigte es auch unter dem Firmennamen „Big Briar“ (als er zwischenzeitlich am Firmennamen „Moog“ keine Rechte mehr besaß).

Bob Moog in den frühen 50er-Jahren an einem Theremin
Der heikelste Teil der Theremin-Baus war die Fertigung der beiden Spulen für die elektrischen Felder (im Bild sehen wir das relativ spartanische Innenleben des Melodia-Theremins). Die Spulen wurden von Bob Moog handgewickelt. Die Optimierung dieser Spulen war eine der Spezialitäten des jungen Bob Moog.
Dass ein Theremin mit dem richtigen Effekteinsatz auch äußerst bösartig klingen kann, bewies Captain Beefheart mit seinem Song Electricity aus dem Album Safe As Milk von 1967. Bei der Gesangsaufnahme schickte er ein teures Studiomikrofon in die ewigen Jagdgründe, und die Plattenfirma A & M verstörte der Song so nachhaltig („zu negativ ...“), dass sie sich weigerten, das Album (das dann bei Buddah Records herauskam) zu veröffentlichen. Weitere Theremin-User sind Led Zeppelin (Whole Lotta Love), Jean Michel Jarre und Tom Waits. Beim elektronischen Instrument, das beim Beach-Boys-Song Surfin USA zum Einsatz kommt, handelt es sich übrigens nicht um ein Theremin, sondern um einen nahen Verwandten, das antennenlose Tannerin.

Melodie

Das erfolgreichste Produkt des mittlerweile in Ithaca angesiedelten Startups war das Melodia Theremin, das ebenfalls 1960 das Licht der Welt erblickte. Es wurden mehr als 1.000 Einheiten verkauft. Das Instrument war entweder als Fertiggerät für 79 Dollar oder als preisgünstiger Bausatz für 30 Dollar erhältlich. 1963 zog die Firma ins ländliche Trumansburg um, und es wurden mehrere Mitarbeiter eingestellt.

Äußeres 

Charakteristisch für ein Theremin ist das edle Walnussholz-Case des Melodia, das vorn ein braunes Bedienpanel aus Metall besitzt. Die beiden großen Bakelit-Regler dienen der Anpassung von Lautstärke und Tonhöhe. In der Mitte befindet sich der Schalter, mit dem das batteriebetriebene Gerät aktiviert wird. Mithilfe einer Halterung an der Unterseite kann das Theremin auf einen Ständer montiert werden. Die Antenne für die Tonhöhe wird auf der rechten Seite aufgesteckt. Die Lautstärke lässt sich mithilfe der Metallplatte auf der linken Gehäuseseite steuern. Die meisten Theremin-Modelle besitzen statt der Metallplatte eine Rundantenne.

Klangerzeugung

Die Antennen des Theremins erzeugen ein elektrisches Feld, das durch die Kapazität des menschlichen Körpers, der als Masse fungiert, beeinflusst wird. Durch den Abstand der Hand zu den Antennen lassen sich berührungsfrei Parameter wie Tonhöhe und Lautstärke steuern. Die Grundfrequenz des Oszillators, der besonders bei frühen Modellen häufig eine Sinus-Wellenform erzeugte, befindet sich in einer Tonhöhe, die weit über der des menschlichen Hörbereichs liegt, denn die Antennen erlauben nur geringe Kapazitätsänderungen, die in Picofarad gemessen werden. Damit die zwischen 100 kHz und 1 MHz liegenden Töne des Oszillators gehört werden können, wird ein weiterer Oszillator mit Festfrequenz dazugemischt, wodurch Differenzfrequenzen im hörbaren Bereich erzeugt werden.

Sound 

Das Melodia besitzt einen weichen, fast sinusartigen Klang. Der Oktavumfang beträgt dreieinhalb Oktaven. Je nach Spielweise kann es einen „singenden“ Klang haben, der fast menschlich wirkt. Charakteristisch für den Theremin-Sound sind die langgehaltenen, sanft einschwingenden Töne mit Portamentoartigen Effekten. Die Beherrschung eines Theremins erfordert jahrelange Übung und Erfahrung.

Knopexploit

Das Gerät wurde uns freundlicherweise von Ernst Hill (Knobexploit) zur Verfügung gestellt. Er betreibt in Eindhoven einen Spezialhandel für Vintage-Equipment und Synthesizer. Zu seinen Kunden gehören Acts wie Coldplay oder Chemical Brothers. www.facebook.com/Knobexploit

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