Synthesizer von Gestern

Korg MS-20/MS-10

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Fällt der Name Korg, denken viele an den wohl berühmtesten Synthesizer dieser renommierten Firma, den MS-20.

Korg - MS20

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Dieser monofone Analog-Synthesizer ist nicht nur aufgrund seines charakteristischen Sounds, sondern auch durch sein eigenwilliges Pultgehäuse mit Laborästhetik und leichtem Dr.-Mabuse-Touch unvergessen. Die Namen der prominenten Nutzer sind Legion: die Liste reicht von Human League über Aphex Twin bis zu Fatboy Slim. Nicht nur das Elektroniklager nutzt das Kultgerät gerne, auch bei Gitarrenbands taucht er immer mal wieder auf: Unvergesslich ist z. B. sein Einsatz bei der letzten Tour von The Fall, wo ein gut gelaunter Mark E. Smith der Keyboarderin immer mal wieder von der anderen Seite des Synths spontan in die (von ihm aus gesehen spiegelverkehrten) Tasten griff.

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Welche Qualitäten machten den 1978 auf den Markt gekommenen Synth zur Legende und bescherten Korg seinen bis dahin größten Verkaufserfolg? Der MS-20 war bei seinem Erscheinen für relativ moderate 1.590 DM zu haben, für die man bei der teuren Konkurrenz von Moog, Oberheim und Co. damals nur einen feuchten Händedruck bekam. Darüber hinaus spielte aber vor allem seine halbmodulare Konzeption eine große Rolle, denn so erhielt man Sound-Gestaltungsmöglichkeiten, die ansonsten nur größere Modularsysteme boten. Auch gab es bis dato noch nicht so viele Features auf so kleinem Raum.

Im gleichen Jahr erschien mit dem MS-10 eine abgespeckte Version für ca. 900 DM. Er lässt sich vor allem als Ergänzung zum MS-20 hervorragend nutzen. Ein weiteres Mitglied der MSSerie ist der MS-50, ein kompakter, monofoner Synth mit einem VCO ohne vorverdrahtete Baugruppen für 1.200 DM. Der Step-Sequenzer SQ- 10 kommt im gleichen Outfit daher, bietet drei Schrittreihen mit jeweils 12 Steps und kann als ideale Ergänzung zum MS-System angesehen werden.

Das 57×31×24 cm große Pultgehäuse ist aus stabilem Plastik und bietet eine natürlich nicht anschlagdynamische, aber ganz passabel spielbare Tastatur mit drei Oktaven. Links vom Keyboard befindet sich ein Modulationsrad, dessen Modulationsziel mit einem Patch-Kabel geroutet werden muss. Alle Anschlüsse wie PatchBuchsen, Monoausgang, Filtereingang etc. liegen auf der rechten Seite des angeschrägten Pultgehäuses. Auch ohne Einsatz der PatchKabel lässt sich der MS-20 spielen, da die wichtigsten Verbindungen intern bereits vorverdrahtet sind.

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Die Klangerzeugung des MS-20 basiert auf zwei spannungsgesteuerten und fein-stimmbaren Oszillatoren.

VCO 1 kann im FußlagenBereich von 4′ bis 32′ gestimmt werden und generiert die Wellenformen Dreieck, Sägezahn, Rechteck und Weißes Rauschen; VCO 2 verfügt über Sägezahn, zwei Rechteckvarianten sowie einen Ringmodulator und arbeitet im Bereich von 2′ bis 16′. Die Rechteckwelle des ersten Oszillators kann in der Pulsbreite eingestellt werden, allerdings gibt es keine Möglichkeit der automatischen Modulation – ein Manko, das bei einem halbmodularen System verwundert.

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Der MS-20 besitzt je ein Lowpass- und Highpass-Filter, die beide mit 12 dB Absenkung pro Oktave arbeiten und mit Resonanz (PEAK genannt) ausgestattet sind. Verwendet man beide in Kombination, lassen sich sehr gute Bandpassfilter-Sounds erzeugen. Die Filter tragen viel zum typisch aggressiven MS-20-Klang bei: Sie haben einen unsauberen Charakter, rauschen ziemlich und geben bei hohen Resonanzwerten meist keinen gepflegten Sinuston, sondern schön böse Verzerrungen von sich.

Zwei Hüllkurven stehen zur Verfügung: Envelope 1 bietet nur Attack- und Release-Regler, kann aber mit dem Delay-Parameter verzögert gestartet werden, was z. B. häufig für ein verzögert einsetzendes Vibrato (beim Routing von EG 1 auf den LFO) genutzt wird. Envelope 2 ist als typische ADSR-Hüllkurve ausgelegt, hat aber als Besonderheit eine Hold-Funktion, mit der sich die Sustain-Phase (auch nach dem Loslassen der Taste) erheblich verlängern lässt.

korg ms10
Der kleine Bruder MS-10: Er kommt mit einem Oszillator (Dreieck, Sägezahn, Puls und Weißes Rauschen) und einem LowpassFilter auf; auch auf External Sound Processor und Ringmodulator muss man verzichten, und das Patch-Panel bietet deutlich weniger Verknüpfungsmöglichkeiten. In einer Hinsicht ist er seinem großen Bruder allerdings überlegen: Er besitzt eine automatische Pulsbreitensteuerung. Im Team sind die beiden wegen der offenen Systeme und der sich daraus ergebenen Patch-Möglichkeiten kaum zu schlagen.

Neben dem internen LFO, der mit den überblendbaren Wellenformen Dreieck, Rechteck und Sägezahn arbeitet und festverdrahtet auf die Cutoff-Frequenz beider Filter und die VCO Tonhöhe geroutet ist, können über die Patchbay natürlich auch externe Steuerspannungen zu Modulationszwecken genutzt werden. So gibt es z. B. zwei FM-Eingänge namens TOTAL und FREQ. Via Patch-Panel kann ein Sample&Hold Generator, der sich mit dem LFO takten lässt, aktiviert werden; außerdem steht neben dem Weißen auch noch Rosa Rauschen zur Verfügung.

Ein spezielles Feature des MS-20, das vor allem Liebhaber experimentellerer Klänge begeistert, ist der EXTERNAL SIGNAL PROCESSOR, mit dem Audiosignale in Steuerspannungen umgewandelt werden, sodass der MS-20 z. B. auch als rudimentärer Gitarren-Synth fungieren kann. Die Frequenz des Audiosignals wird dabei von dem „Frequency To Voltage“-Modul abgefragt, während ein Envelope-Follower den Pegel des Eingangsmaterials wandelt. Zur Anpassung des Audiomaterials steht ein Bandpassfilter zur Verfügung.

korgsynth
Ein besonders von Sammlern gesuchtes MS-20-Derivat ist das MS-20-Lehrgerät, das zu Unterrichtszwecken gedacht war. Es wurde mit größeren Reglern ausgerüstet und konnte durch seine flache Bauweise wie eine Tafel an die Wand gehängt werden. Korg bot damals für Schulen ein günstiges Paket, bestehend aus einem Lehrgerät und fünf normalen MS-20, an.

Am Sound des MS-20 scheiden sich die Geister. Manche schwärmen in den höchsten Tönen, andere vergleichen ihn mit den Moogund Arp-Boliden und attestieren ihm mangelnden Fettgehalt.

t. In der Tat sind schöngeistige, cleane Breitwandsounds oder ultrafette Bässe seine Sache nicht. Der MS-20 überzeugt dafür als Effektmaschine mit kranken, geräuschhaften Effekt- und aggressiven Lead-Sounds die sich auch in dichten Arrangements noch gut durchsetzen. Gerade diese Qualität hat ihn so beliebt gemacht – wenn es darum geht, eher ungewöhnliche Sounds zu erzeugen, lässt er einen Minimoog weit hinter sich. Seinen Platz in der Synthesizer-Hall-Of-Fame verdankt er gerade seinem eigenwilligen Klang und seinem halbmodularen Aufbau, der ihn zum Eldorado für experimentierfreundliche Analog-Nerds macht. Der MS-20 kann übrigens mit Pulsbreitenmodulation nachgerüstet werden. Auch andere Features wie z. B. Oszillator-Sync oder den Umbau beider 12dB- zu einem 24dB-Filter sind vom Fachmann problemlos zu realisieren.

Soundbeispiel – Korg MS20

https://soundcloud.com/keyboardsde/kult-love-the-machines-korg-ms-20

 

Auch die MS-Serie arbeitet Korg-typisch mit der Hz/Oktave-Logik anstatt mit der Volt/Oktave-Steuerung.

Will man die Geräte der MSSerie mit anderen Synths ansteuern, kann man die Probleme umschiffen, indem man spezielle MIDI-Interfaces einsetzt. Empfehlenswert sind z. B. das Kenton Pro Solo oder die etwas preisgünstigeren Modelle MCV-4 oder MCV-24 von Doepfer; unter www.doepfer.de findet man auch noch einige wertvolle Infos zur MIDIfizierung der MS-Modelle und zur Umrüstung auf Volt/Oktave-Betriebsart).

Korg brachte 1978 auch das Interface MS-02 auf den Markt, das die Kommunikation von Korg Synths mit Volt/Okt-Geräten ermöglichte. Es ist allerdings sehr rar und wird auf dem Gebrauchtmarkt teuer gehandelt. Weiteres Zubehör ist (neben dem einfachen Volume-Pedal MS-01) der MS-03, die Stand-alone-Version des MS-20 Pitch-To-Voltage-Converters und das Modulations-Pedal MS-04, das über einen eingebauten LFO und Steuerspannungen für Glissando-Spielweise verfügt.

Trotz MIDI-Interface ist übrigens die Kalibrierung von MS-20 (Regler MG/T.Ext) und MS-10 (Regler Eg/Ext) ein ziemlich fummelige und zuweilen instabile Angelegenheit.

Wer die überteuerten Gebrauchtmarktpreise und die Probleme der MIDI-fizierung des MS-20 scheut, sollte sich die Korg Legacy Collection zulegen, die eine sehr gelungene Software-gestützte Emulation des Originals bietet, die überdies polyfon spielbar ist und sogar mit einem Controller im MS-20 Look das entsprechende Hardware-Feeling bieten kann.

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