Keyboard-Setup mit Soul: Nord Electro, Nord Stage oder Korg SV-1?
Zum Teufel mit logistisch sinnvollen Minimal-Lösungen − wer mit seiner Band in den Genres Rock, Soul oder 60s-Beat unterwegs ist, will auch authentisches Equipment unter den Fingern spüren. So viel Spaß muss sein. Zum Glück muss man die alten Schätze nicht mehr auf die Bühne wuchten, denn es gibt eine Menge aktuelle Instrumente mit hohem Retro-Faktor.
Also noch mal zurück zum Heldentum: Warum nicht doch eine Keyboard-Burg? Man muss ja nicht komplett dem Wahnsinn verfallen und konzentriert sich erstmal auf die wichtigsten Komponenten, beispielsweise das Stagepiano − in den meisten Fällen die Basis eines Keyboard-Setups schlechthin. An Instrumenten mit Vintage-Ausrichtung stehen Nord Electro oder Nord Stage im Zentrum der Aufmerksamkeit, oder eben das Korg SV-1. Letzteres macht nicht gleich wegen einer Echtröhre den Unterschied, wohl aber in der gesamten Optik − und die gehört zu einem Gig einfach dazu!
Moderner Vintage-Look
Mit den geschwungenen Formen sieht das Stage Vintage nicht nur sexy aus, es ist den legendären E-Pianos der 60er nachempfunden und ist auf der Bühne ein echter Hingucker. Für mich ein wichtiger Aspekt, denn als Keyboarder hat man es neben den Bandkollegen an Gitarre, Bass und Drums ansonsten wirklich schwer, sich mit einem Instrument zu positionieren, das sich optisch kaum von einem stinknormalen Home-Keyboard unterscheidet.
Kein Zweifel − ein Nord Electro ist ein toll klingendes Instrument, und es ist super praktisch, aber es ist eben etwas mickrig und die HP-Tastatur ist mir persönlich zu schwammig, auch wenn die dort verbaute, leichte TP/40-Tastatur von Fatar ein echter Segen ist. Beim Korg SV-1 nehme ich bewusst ein höheres Gewicht in Kauf − die Tastatur vermittelt mir ein deutlich besseres und komfortableres Spielgefühl als die Electro HP-Modelle.
Außerdem versprühen die SV-1-Sounds zahlreicher Vintage-Keyboards − darunter Rhodes, Wurlitzer, Hohner Clavinet und Electra Piano − jede Menge Charme. Das Schöne ist, dass diese Sounds nicht »tot-optimiert« wurden. Die mit viel Liebe zum Detail gesampelten Klänge enthalten genau die Unebenheiten, Ecken und Kanten, die auch die beliebten E-Pianos wie Fender Rhodes und Wurlitzer so lebhaft klingen lassen.
Übrigens auch die beiden akustischen Pianos und das Upright-Piano spielen sich hervorragend. Die Sounds setzen sich live sehr gut durch und vermitteln dennoch einen eher holzigen als drahtigen Sound − sehr angenehm.
Orgel-Solo
Bei den Orgel-Sounds ist das SV-1 nicht wirklich auf dem Level der Nord-Instrumente. Aber immerhin ist das Wichtigste an Bord, Hammond B3, Farfisa und Vox Continental sind mit einigen Sounds vertreten. Allerdings handelt es sich dabei um Presets − ganz klar ein No-Go für Rock- oder Jazz-Organisten. Wer auf das dynamische Spielen mit Drawbars nicht verzichten kann, ist beim Nord Electro 5D ganz klar besser aufgehoben. Und wer ungern Kompromisse macht, stellt sich ohnehin eine waschechte ComboOrgel dazu, und da wäre eine Nord C2D eine gute Wahl.
Das zweimanualige Instrument ist der Platzhirsch unter den Combo-Orgeln, bekam aber jüngst einen starken Konkurrenten: An der X3 des deutschen Herstellers Uhl Instruments kommt man nicht vorbei, wenn man einen leicht zu transportierenden HammondClone haben will und höchste Ansprüche an Spielbarkeit und Klang stellt. Die X3 kann dabei deutlich weniger als die Nord C2D: keine Sakral-Orgel-Klänge, keine Combo-Klassiker von Farfisa und Vox Continental − basta. Aber der Sound!
I’m a lucky man
Und zur Krönung eines Keyboard-Helden-Sets gehört, na welche Frage, ein Minimoog obendrauf. Wer so etwas nicht hat, kann aus einer inzwischen riesigen Auswahl an neuen Retro-Analogen auswählen − z. B. den Moog Sub37, wenn man denn bei der Farbe Moog bleiben möchte (meiner Meinung nach nach all den Voyagers und Phattys der erste Moog, der auch klingt wie ein Moog).
Bei den Retro-Synthesizern, die dem kompakten Konzept des Urvaters Minimoog folgen, kann man inzwischen aber aus einer ganzen Farbpalette wählen: ARP Odyssey, Korg MS-20 mini, Arturia MiniBute oder dessen großer Bruder (wow!) Arturia MatrixBrute. Wir hatten diesen tollen Synthesizer für eine kleine Probefahrt bereits in unserem Teststudio und können schon mal die Prognose stellen, dass der neue Wurf von Arturia ab ca. Mitte des Jahres (so die Info des deutschen Vertriebs Tomeso zum Lieferdatum) die Gemüter erhitzen wird − sagenhaft fetter Sound und unglaublich tolle Möglichkeiten für ganz klassische Sounds Moog’scher Prägung, aber auch jede Menge experimentelle Klänge.
Drei Oszillatoren, zwei Filter-Architekturen (Steiner-Parkerund Multimode-Filter) und eine riesige Modulationsmatrix plus Step-Sequenzer machen den MatrixBrute fast schon zu einem Modular Synthesizer im Kompaktformat. Dabei vermittelt der Matrix-Brute zwischen DAW-Setup und Eurorack-Welt mit zahlreichen CV/Gate-Einund -Ausgängen. Also ich kann es kaum erwarten, bis der wieder im Studio steht und tönt.
String Machines
Für viele Keyboarder ist das Thema Strings mit ein paar Pad-Sounds und einem halbwegs realistisch klingenden Streichorchester abgehakt. Nicht so bei Vintage-Liebhabern! Wenn schon realistisch, dann bitte so cheesy und letztendlich doch unrealistisch, wie ein Mellotron oder ein String-Ensemble eben klingen kann. Die String-Sounds der 60er (Mellotron) und 70er (Strings Machines mit Transistortechnik) sind ikonenhafte Klangfarben in der Popmusik der 60er und 70er und nicht zuletzt in der elektronischen Musik. Ob Tangerine Dream, Jean Michel Jarre oder Joy Division − an die String-Sounds dieser Zeit erinnert man sich noch eher als an bestimmte Synthi-Klänge. Ein Akkord zur richtigen Zeit mit diesen Sounds, und die Musik bekommt gleich eine Dimension von melancholischem und sehnsüchtigem Ausdruck.
Mellotron-Look, aber handlich und klein. Ein Instrument, das all diese Zutaten vereint, ist das Memotron des Berliner Herstellers Manikin Electronic. Vorwiegend konzentrieren sich die Soundsets auf die Sounds unterschiedlicher Mellotron-Modelle, aber man findet in der Library von Manikin Electronic auch das Sound-Set »Berlin School« mit Samples der String Machine ELKA Rhapsody 610. Und die Vintage Collection 3 enthält unter anderem Sounds aus der Eminent 310 − eigentlich eine Heimorgel, aber mit integrierter Solina-String-Ensemble-Technik, mit der Jean Michel Jarre den spacigen Sound von Oxygéne kreierte.
Auch heute noch haben seine Live-Keyboarder in jedem ihrer Setups eine solche Orgel. Wer mehr als nur die Mellotron-Sounds will und dabei Wert auf den authentischen Look seines Keyboard-Setups legt, greift also zum Memotron von Manikin Electronic. Freunde der elektronischen Musik werden in den Sound-Collections übrigens viele bekannte Patches finden, die den Sound der Berliner Schule aufleben lassen − Schulze, Tangerine Dream & Co lassen grüßen.
Für die Orgler: Außer der Nord C2D gibt es weitere Platzhirsche: Crumar Mojo, Viscount Legend. Vielleicht sollte man die auch erwähnen, da diese sogar von den ganz Großen wie Joey Defrancesco oder Tony Monaco und Brian Auger gepielt oder zuminderst angepriesen werden.