Interview mit Keyboarder Sven Martin
Diesen Traum teilen viele: Man packt sein Instrument unter den Arm und macht sich auf den Weg nach Hollywood, um dort als Musiker durchzustarten. Einer, der es wirklich gewagt hat, die deutschen Gefilde zu verlassen, um sein Glück in den USA zu versuchen, ist der Musiker und Toningenieur Sven Martin.
Mittlerweile wohnt der gebürtige Düsseldorfer seit über 15 Jahren im Entertainment-Mecca Los Angeles und hat es geschafft, mit seiner Kunst als Begleitmusiker und als Ingenieur für den Broadcast-Sektor Fuß zu fassen. Als Keyboarder für die Band t.A.T.u, mit denen Sven jahrelang spielte, hat er die ganze Welt bereist. Aktuell steht Sven mit Jonathan Davis, dem Sänger von Korn, auf der Bühne und ist dort für die synthetischen Klänge zuständig.
Ich erwische Sven an einem seiner vier Off-Days für die aktuelle Jonathan-Davis-Tour zum Skype-Interview, um mit ihn ein wenig über das Leben als Tour- und Session-Musiker und seine Arbeit für Jonathan zu plaudern.
Hi Sven, mittlerweile wohnst du in Los Angeles wenn ich das richtig sehe. Wie ist deine Geschichte, und wie kommt man als deutscher Musiker nach LA und wird Keyboarder für den Sänger von Korn?
Die Geschichte ist völlig ungeplant gewesen. Ich habe Ende der 90er in Düsseldorf Ton und Bild studiert, habe dieses Studium aber nicht beendet, weil ich direkt in Amerika geblieben bin. Eigentlich wollte ich nur für ein kurzes Praktikum rübergehen. Ich hatte mich damals bei den Ocean Way Recording-Studios für ein zweimonatiges Praktikum beworben, was dann 1999 möglich war.
Dort war ich dann wirklich Kaffeekocher, musste Zigaretten für Joni Mitchell und Wodka für Slash holen. Als Deutscher meint man, man macht ein Praktikum und kann dabei etwas lernen, in Amerika ist das allerdings völlig anders. Als Praktikant bist du eine Stufe unter dem Runner und musst dich hocharbeiten. Ich war ein wenig enttäuscht, weil ich dort nichts lernen konnte, und habe dann nebenbei immer ein Auge auf die Zeitung und die Kleinanzeigen gehabt, um dort nach weiteren Jobs Ausschau zu halten. Dann ist mir eine Anzeige aufgefallen, wo ein Keyboarder für eine Band gesucht wurde, und irgendwie hatte ich das Bauchgefühl, dass das eine große Weiche für mein Leben sein könnte. Ich habe dann erst ein wenig gehadert, da ich in Deutschland auch eine Band hatte. Letztendlich habe ich dort angerufen und den Manager kennengelernt, mir eine CD von dem Projekt abgeholt, mir die Musik innerhalb von zwei Tagen draufgeschafft und direkt einen Auftritt mit der Band gespielt. Es war die Band t.A.T.u. Das habe ich dann eine ganze Zeit lang gemacht.
Wenn du einen jungen Musiker von dir hättest: Würdest du ihm jetzt auch empfehlen, sein Glück zu wagen und nach Los Angeles zu gehen?
Naja, Los Angeles ist nicht für jedermann, diese deutschen Werte und Sicherheiten hat man hier überhaupt gar nicht. Man kommt hier an und schlägt sich im Grunde alleine durch. Was man in Deutschland aber nicht so hat wie hier, sind die großen Träume und Visionen, dieses Gefühl, dass man alles machen kann, was man will. In Deutschland wird einem so etwas nicht in die Wiege gelegt.
Um zu überleben, habe ich in der Zeit viel als Veranstaltungstechniker gearbeitet, wollte aber eigentlich immer einer von denen da oben auf der Bühne sein. Dieses Gefühl hier in L.A. hat einen dann total mitgerissen, etwas, was ich von Deutschland so nicht kenne.
Irgendwann hatte ich dann doch die Nase voll von den ganzen Reisen und dem Touren. Danach habe ich eine kleine Auszeit genommen, weil ich ein Start-up-Unternehmen in Leipzig hatte, bin dann aber nach drei Jahren wieder zurück und habe mich wieder komplett neu in die Szene eingearbeitet, mich in den Broadcast-Bereich reingefuchst und als Editor Fernseh- und Netflix-Serien gemischt.
Das habe ich dann auch eine ganze Weile lang gemacht, bis es irgendwann dazu kam, dass ich auf einer Weihnachtsfeier von meinem Bekannten Nuno Bettencourt Musik gespielt habe. Dort wurde ich dann für die Jonathan Davis Band entdeckt und einige Tage später direkt zum Vorspiel eingeladen. Dann ging alles ganz schnell, und jetzt sind wir auf Tour, und alles läuft super.
Eine ziemliche Bandbreite von Pop über Metal. Welche Musikrichtung spielst du denn von Haus aus?
Ich komme vom klassischen Klavier, bin aber extrem von 80er-Jahren-Synth-Sounds geprägt. Als ich klein war, fand ich es immer sehr spannend, dass damals alles immer anders klang. Ich war dann relativ schnell von Synthesizern angefixt, hatte mit 10 meinen ersten Yamaha CS012 bekommen, den ich heute übrigens immer noch benutze. Durch die Sound-Schiene bin ich ganz klar bei den Keyboards hängen geblieben und dann irgendwie beim progressive Rock gelandet. In den 90ern hatte ich eine Progrock-Band, und irgendwann hat sich mein Geschmack dann komplett geändert. In der Zeit des Studiums bin ich dann beim Pop gelandet. Ich bin eh nicht so der Solo-Spieler, sondern mag es lieber songdienlich.
Wie sieht das für so ein Projekt wie Jonathan Davis aus?
In diesem Fall habe ich die kompletten Pro-Tools-Sessions bekommen, also die ganzen Stems, weil ich zum einen die Keyboard-Songs spielen soll, zum anderen aber auch das Playback für die Band verwalte. Das Management von Jonathan Davis sehr froh, weil sie deshalb nicht noch einen extra Techniker für die Spuren, die aus dem Rechner kommen, engagieren mussten. Anhand der Multi-Track-Sessions konnte ich genau raushören, was die einzelnen Synthesizer-Sounds so spielen. Und dann überlegt man sich, welches Setup man für die Bühne nimmt.
Da ich mich für die Sessions hier in L.A. viel mit dem Programm MainStage auseinandergesetzt habe, ist meine Wahl dann auf Pro Tools und MainStage gefallen. Hier in L.A. haben wir unglaublich viele Sessions und Jam Nights, und mit MainStage kann man sich als Musiker untereinander unglaublich gut austauschen. An solchen Abenden wird vorher kurz bekanntgegeben, welche Songs gespielt werden, dann hat man Zeit, sich alles vorzulegen, um an dem Abend dann möglichst nah am Original einen Gig zu spielen. Naja, dann schickt man sich halt die MainStage-Files hin und her. Das ist mittlerweile ziemlich gewachsen und in der Studio- und Sessionmusiker-Szene sehr verbreitet, zumindest hier in L.A.
Irgendwann hat Apple das Programm aus dem Logic-Paket rausgenommen, nun kannst du es für umgerechnet 30 Dollar kaufen. Für das Geld bekommt man sozusagen ein unlimitiertes Keyboard-Live-Rack − im Prinzip hat man für kleines Geld dann alles dabei, was man braucht. Man ist auch zu allen anderen Anwendern kompatibel und kann sich mit anderen Keyboardern austauschen. In meiner Zeit damals bei t.A.T.u. war es tatsächlich so, dass, wenn ich den Virus nicht hatte, ich tatsächlich nicht spielen konnte. Jetzt brauche ich einfach nur mein Laptop und irgendeinen Controller, perfekt für Sessions oder Reisen.
Wie sieht denn dein Live-Setup bei der Jonathan-Davis-Band aus?
Auf der Bühne nutze ich zwei Laptops, auf denen die Sessions laufen. Die Keyboards kommen aus dem Yamaha Motif, für Main – Stage habe ich einen Arturia-Controller. Die ganzen sphärischen Sachen habe ich mit dem Jupiter-8 aus der Arturia-Collection nachgebaut.
Wenn ich an den Sänger von Korn denke, fällt mir direkt das Stichwort »Dudelsack« ein. Hat er auf der aktuellen Tour auch einen Dudelsack mit dabei, oder musstest du dir dafür sogar eine Library suchen?
(lacht) Nein, einen Dudelsack wie bei Korn gibt es nicht. Wir spielen tatsächlich keinen einzigen Song von Korn. Dieses Projektes soll sich bewusst von der Band abgrenzen. Bisher war das Publikum auch nicht enttäuscht, kein Fan hat bisher nach einem Korn-Song verlangt. Alle respektieren total, dass er über zehn Jahre an diesem Album gearbeitet hat. Nun sind wir mitten in der Tour, bald folgt Europa, und ich freue mich sehr, auch auf dem »Rock am Ring«-Festival spielen zu können. Das war damals eins meiner allerersten Festivals, zu denen ich als Fan gegangen bin. Das bedeutet mir sehr viel.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Dieses Session-Ding hier hat mich dazu inspiriert, MainStage-Pakete mit vorprogrammierten Sounds, die man als Cover-Musiker ständig gut gebrauchen kann, zum Verkauf anzubieten. Ich glaube, dass viele Keyboarder, die in Cover-Bands spielen, nicht unbedingt sehr programmierfreudig sind. Mit MainStage ist man unglaublich kompatibel und kann Sounds untereinander schnell austauschen.