Voll Modular auf kleinstem Raum

Erica Synths – Pico System III Modular Synthesizer im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Bereits beim ersten Pico System waren die einzelnen Module gerade einmal 3 HP breit. Das neue Pico System III folgt dem Formfaktor und kommt gar mit einer Preset-Funktion.

Was kommt nach Pico? Werden wir für die Bedienung eines Femto Modular-Synthesizers kleine Nano-Bots brauchen? Zum Glück ist es noch nicht soweit, also Spaß beiseite.

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Das Pico System III von Erica Synths dürfte derzeit zu den kompaktesten analogen Komplett-Systemen am Modularmarkt gehören und das zu einem ziemlich moderaten Preis. Der Synth kommt in zwei Versionen: einmal als Eurorack-Variante und außerdem als Desktopversion – Letztere haben wir getestet. Das Gehäuse besteht hier aus zwei 2 mm dicken Stahlblechhälften mit abgerundeten Kanten, und die Bedienoberfläche ist um 9 Grad angeschrägt. Auf der Rückseite befinden sich der Anschluss für das mitgelieferte Netzteil, der Ein/Aus-Schalter sowie der Ausgang als 3,5-mm-Mono-Buchse. 20 Patchkabel, fünf Preset-Cards, fünf DIY-Preset-Cards und ein informatives Manual gehören ebenfalls zum Lieferumfang.

Alles dabei, um
sofort loszulegen
(Bild: Dieter Stork)

Systemaufbau

Linker Hand, neben dem 4-Step-Sequenzer, fällt sofort der 44-polige, blaue Steckplatz ins Auge, der an das Ext/Prog-Interface eines Buchla Music Easel erinnert – dort kann man spezielle Karten einstecken, die, mit entsprechenden Widerständen bestückt, ein Preset darstellen. Und tatsächlich ist diese Schnittstelle beim Pico System III genau dafür da. Doch dazu später mehr, wenden wir uns zunächst der restlichen Ausstattung zu.

Als klangerzeugende Elemente kommen zwei VCOs zum Einsatz. Während VCO 1 Dreiecks-Welle und Rechteck mit variabler und CV-steuerbarer Pulsweite liefert, sind es beim VCO 2 Dreieckswelle und eine „Shape“ genannte Wellenform, die sich per Regler oder CV von einer Dreieckswelle über ein Rechteck zu einem gestuften Rechteck mit sehr schmaler Pulsbreite variieren lässt. Die VCO-Sektion zwischen den beiden VCOs dient zur Steuerung von Exp FM (VCO 1) und Lin FM (VCO 2). Ein zusätzlicher VCA kann hier zur Intensitäts-Steuerung der linearen FM genutzt werden, aber auch anderen Funktionen dienen. Hier wird das am IN/LIN-FM-Eingang anliegende Signal bearbeitet.

Die mit MOD bezeichnete Sektion ist ein LFO mit Clock-Eingang, der gleichzeitig Sinus, Pulse, Random Pulse, Sample&Hold-Signale sowie Noise liefert.

Die Spannungs-gesteuerten Envelope-Generatoren können geloopt werden und haben je einen winzigen Taster, um die Hüllkurve manuell auszulösen. Zwei Lowpass-Gates mit regelbarer Resonanz können auch als reine VCAs ohne Filterwirkung betrieben werden.

Als Effekt ist ein Bucket Brigade Delay integriert, dessen Verzögerungszeiten sich per CV steuern lassen. Ein dreistufiger Schalter lässt alle Artefakte durch oder filtert die Höhen in zwei Stufen, was natürlich auf Kosten der Obertöne geht.

Im System gibt es drei gleichspannungsgekoppelte Mixer, die sowohl Audio- als auch CV-Signale verarbeiten können. Die Mixer sind nicht nur zur Addierung von Audiosignalen praktisch, sondern auch als Abschwächer für Steuerspannungen sehr willkommen. Will man etwa mit den VC-EGs die Lowpass-Gates kontrollierbar ansteuern, kommt man um einen Mixer oder einen entsprechenden Widerstand auf der Preset-Karte nicht herum.

Presets!

Laut Handbuch lassen sich mit dem Pico System III 121.000.931.215.044.250.740.178.662.400 Patch-Varianten herstellen. Von denen werden allerdings nur 0,0001 % mehr oder weniger brauchbar klingen. Um der vielen Möglichkeiten Herr zu werden und dabei mit Steckpunkten und Kabeln hauszuhalten, kommt der integrierte Preset-Slot gerade recht. So bieten die beiliegenden fünf Preset-Cards mit ihren Overlays bereits einen guten Einstieg für den Neuling in der modularen Welt. Ist die Karte eingesteckt, sind alle Kabelverbindungen, wie auf dem entsprechenden Patch-Sheet zu sehen, bereits gemacht, und man kann sich ganz den Parametern des Patches widmen.

Richtig interessant wird es mit den beiliegenden leeren Patch-Platinen. Abgesehen von kompletten Patches, die ganz ohne Kabelwald auskommen, kann man sich natürlich auch grundlegende Verbindungen, wie 1V/Oct oder Trigger-Signale, vorkonfigurieren. So spart man Kabel und Steckplätze und kommt recht einfach zu komplexen Sound-Strukturen. Dabei kann es für bestimmte Verbindungen, etwa in ungeregelten CV-Eingängen wie z. B. denen der Lowpass-Gates, sinnvoll sein, Widerstände statt Drahtbrücken einzusetzen, um die Wirkintensität der eingehenden Steuerspannung optimal anzupassen. Um hier zu experimentieren und die richtigen Werte zu finden, empfiehlt sich eine Widerstands-Dekade, die man auch einfach selbst bauen kann. Wenn man Potentiometer mit um den Faktor 10 steigenden Werten hintereinanderschaltet (10 Ω, 100 Ω. 1 kΩ, 10 kΩ, 100 kΩ, 1 MΩ), kann man jeden Wert zwischen 0 Ω und 1 MΩ einstellen.

13 Module auf engstem Raum laden zum Experimentieren ein. (Bild: Dieter Stork)

Wie klingts?

In seiner Erscheinung, mit Lowpass-Gates und loopbaren AD-Envelopes hat das Pico-System zwar einige Westcoast-Gene geerbt, klingt aber sehr eigenständig – wer hier die berühmten „Buchla Bongos“ sucht, ist auf der falschen Fährte. Das gesamte Klangbild ist etwas rauer. Dazu tragen die Grundwellenformen mit ihrem Obertongehalt ebenso bei wie das sehr rückkopplungsfreudige Verhalten der LPGs. Dort setzt jenseits der 12-Uhr-Stellung fast schlagartig Resonanz ein, sodass man diese auch als dritten Oszillator einsetzen kann.

Dabei sorgt die systembedingte Trägheit der Vactrols (Optokoppler) der LPGs für ein deutlich wahrnehmbares „Portamento“, wenn sich die Filterfrequenz schnell verändert.

Auch das BBD-Delay trägt zu dem gewissen LoFi-Charme des Pico System III bei. Bei 4.096 Stages reicht die Delay-Zeit bis ca. 200 mS, bevor sich die Sample-Clock klanglich bemerkbar macht und im filterlosen Betrieb etwas vom typischen Rauschen, das bei BBD-Delays bei langen Delay-Zeiten auftritt, zu hören ist. Die erste Filterstufe eliminiert dies, ohne die Höhen zu sehr zu beschneiden, bei der zweiten wird es deutlich dumpfer.

Nach einigen Abenden Patch-Spaß ist eines sicher: Wir brauchen mehr Patchkabel, insbesondere stapelbare Exemplare, wie es sie von Modular Addict oder Tiptop Audio gibt. Praktisch sind hier auch die sternförmigen Patch-Cable-Splitter, die als fünffach- Verteiler für mehrfach benötigte Signale wie Trigger, Note-CV oder LFO-Wellenformen dienen können.

Kaskadiert man Potentiometer mit entsprechenden Werten,
kann man eine Widerstandsdekade auch selbst bauen.

Fazit

Wer Spaß an Experimenten hat, kommt mit dem Pico System III voll auf seine Kosten. Erica Synths sind ihrem Anspruch, kreatives Patchen zu fördern, voll gerecht geworden. Die clevere Preset-Idee ermöglicht nicht nur einen schnellen Klangwechsel ohne Kabel, sondern kann auch als kabelsparendes Normalizing für ständig benötigte Verbindungen dienen.

Das liebevoll und informative gestaltete Manual mit den Patch-Sheets hilft auch dem Einsteiger in die modularen Welten, das nötige Verständnis zu entwickeln, ohne gleich mit einem Kabelwald kämpfen zu müssen. Ob man mit den winzigen Abmessungen und den schmalen Poti-Schäften klarkommt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Also dann mal ran an die Regler, die Pico-Systeme sollten bei allen wichtigen Händlern testbereit angeschlossen sein.

(Bild: Dieter Stork)

Hersteller / Vertrieb: Erica Synths
Internet: www.ericasynths.lv

Preise
Desktop: 529,– Euro
Eurorack: 469,– Euro

Unsere Meinung:
+ kompakt und Leistungsfähig
+ Preset-System
+ liebevoll und informativ gestaltetes Manual
– keine Multiples


Der Wolf im EMS-Pelz

Das Pico-System III ist nicht das einzige neue Produkt von Erica Synths. Auf dem Dutch Modular Fest in Den Haag, konnten wir einen ersten Blick auf einen ungewöhnlichen lichtgrauen Boliden werfen und einen ersten Höreindruck gewinnen. Girts Ozolins, Visionary – wie auf seiner Visitenkarte steht, gibt uns erste Einblicke:

Girts Ozolins von Erica Synths mit seinem neuesten Baby, einem Desktop-Synth mit EMS-Architektur (Bild: Copyright: Joker Nies)

»Dieser Desktop Synthesizer ähnelt nicht von ungefähr einem EMS-Synthi. Von Anfang an haben wir bei Erica Synths immer experimentelle Musik gefördert. Ich glaube, bei elektronischen Instrumenten geht es ganz besonders um das User-Interface. Dieses Schlüsselelement entscheidet, ob du das Instrument lieben wirst oder es bereits nach einer kurzen Zeit wieder verkaufst. Wenn wir an User-Interfaces denken, ist der EMS Synthi AKS unserer Meinung nach eines der experimentellsten Instrumente, die je gebaut wurden. Unsere Idee war, ein Instrument zu schaffen, das dieselbe Funktionalität bietet, aber mit zeitgemäßen Features und modernen Bauteilen ausgestattet ist.«

»Ihr habt also nicht einfach die Schaltung des EMS kopiert?«

»Nein, wir haben uns nur vom User-Interface inspirieren lassen. Ich bin dann zur technischen Universität in Riga, wo ich zwei sehr fähige Ingenieure gefunden habe, mit denen ich die Schaltungen des Syntrx entwickelt habe. Es ist funktional beinahe das gleiche Instrument, allerdings elektronisch von Grund auf komplett neu entwickelt. Wir haben auch eine Sample&Hold-Schaltung zugefügt, die beim Original fehlt.«

»Zudem hat die berühmte Matrix ein modernes Update bekommen.«

»Ja, denn die original Steckmatrix hat ja so ihre Probleme, mit Übersprechen zum Beispiel. Wir haben in Riga einen Halbleiterhersteller, der analoge Schalt-ICs produziert. Mit diesen Chips haben wir eine Matrix entwickelt, die gepuffert ist und die rückwirkungsfreie Mischung von Signalen in drei Intensitätsstufen erlaubt. Dazu gibt es ein Patch-Memory mit 256 Speicherplätzen, das auch per MIDI bedient werden kann. Gate- Note- und CC-Befehle können ebenfalls genutzt werden.«

»Wann wird der Syntrx erhältlich sein, und was wird er kosten?«

»Wegen der aufwendigen Matrix ist der Syntrx ziemlich teuer in der Herstellung. Unser angestrebter Preis liegt bei ca. 2.500 Euro netto. Wir wollen gegen Ende des Jahres zehn Exemplare fertig haben, um den Syntrx der Fachwelt vorzustellen.« »Vielen Dank für das Gespräch!«

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