Erica Synths Bassline DB-01 – Monofoner Desktopsynth im Test
Wenn Synthesizerhersteller im Falle eines erfolgreichen Portfolio Goldene Eier legen, so sind diese bei Erica Synths immer aus schwarz glänzendem Bakelit. Zumindest an jenen Stellen, wo es sich lohnt, einen Synthesizer anzufassen.
Die Geräteklasse der Basslines steht historisch auf überackerten Boden. Unzählige TB-303-Neologien von Novation Bass Station bis Avalon BassLine hat es gegeben – viele scheiterten, einige gewannen. Eine Roland TB-303 würde, wäre sie ein Lebewesen, auf jeden Fall jetzt und hier besorgt schlottern, denn die Klanggewalt der Synths aus Riga ist bekannt. Auch bekannt ist, dass eine 303 sowieso nie dazu in der Lage war, ihrer Bezeichnung als »Transistor Bassline« (TB) zu entsprechen.
Eingeschaltet guckt die BASSLINE DB-01 definitiv ein bisschen bedrohlich-keck, wie man eben durch schwer verhangene und spannungsgeladene Warehouseluft eines Undergroundraves gucken würde, hätte man die Verantwortung für die Bassbegleitung des Live-Acts zur nahenden Primetime. Rot pulsierende LEDs auf schwarz lackiertem Aluminium – tourtauglich, stabil. Die schwarz-glänzenden Bakelitpoti scheinen sagen zu wollen: »Was auch immer gleich los bricht, stell dich nicht in meinen Weg, Partner!«
(Bild: Bob Humid)Von Haus aus üppig-brachial
Die DB-01 ermöglicht trotz monofoner Ausführung eine unerwartet komplexe Klangsynthese. Dafür sorgen bereits die Wellenformen Rechteck, Sägezahn und Dreieck aus dem Oszillator, die mit einem zusätzlichen Suboszillator »untenrum« angereichert werden können. En top kann das Signal mit dem Drive-Regler per Clipping-Stufe von »subtil angedickt« über »exzessiv verzerrt « bis in heftige Charakteristiken in der Art von »grotesk zerfetzt« gefahren werden.
Das geil-ätzend-aggressiv rockende Tiefpass/Bandpass-Filter ist an Erica Synths berühmt-berüchtigte Acidbox-Schaltung angelegt, die wiederum eine Inspiration des russischen Polivoksdesigns von Vladimir Kuzmin (Formanta) ist und dann in Riga an das Produktionsniveau heutiger Technik angepasst wurde. Das charakterstarke Filterdesign, das sich für härtere Gangarten elektronischer Genres wie Acid, Industrial oder UK Grime bestens eignet, bürgt für vorpreschende Klänge, die mir schon bei Erica Synths’ Black System (siehe KEYBOARDS 03.2019) einen großen rüpelhaften Spaß bereiteten. Zusätzlich gibt es in der DB-01 einen Rauschgenerator für die Synthese perkussiven Materials oder die Anreicherung von Klang mit Atem- und Wind-artigem Noise.
(Bild: Bob Humid)Als Luxus kann man die tolle Detune-Funktion bezeichnen: Sie emuliert den Sound mehrerer verstimmter VCOs und zweier Bucket-Brigade-Delay-Lines. Im Uhrzeigersinn ab etwa 13 Uhr eingedreht wirkt das Signal deutlich dichter. Die monofone Natur des Synths erscheint dann fast schon polyfon und erinnert an Unisonos der 80er-Jahre. Extrem nach rechts gedreht, wird bei Detune alles plötzlich FM-artig, auch wenn anderswo im Gerät bereits eine reine FM-Modulation nebst Poti lebt. Der LFO ist übrigens synchronisierbar mit FM und VCF! Tipp: Einfach mal derbe reindrehen.
Gerne geht es bei Erica Synths – anders als bei üblichen Herstellern praktiziert wird – spannend zu, sobald man einen Regler im Uhrzeigersinn auf fast oder vollen Rechtsanschlag dreht. Die LFO-Rate steigt z. B. konsequent am Ende bis zur Selbstoszillation hoch, als wollte sie den FM-Regler wegen Copyrightverstößen aus der Crew ekeln. Ähnlich liebevoll-effektiv ist der Regelweg des VCA-ENV-Poti geeicht, der hauptzuständig für Release im Amplitudenverlauf ist. Einmal ganz nach rechts gedreht, friert der Release plötzlich ein, was einen amtlichen Drone-Synth zaubert. Wer sich einen Überblick über das sehr weite Klangspektrum der DB-01 verschaffen möchte, startet am besten gleich als Drone-Pilot! Besitzern eines Stereo-Tap-Delays nebst Hardware-Reverb, die diese zusätzlich im Signalweg hinter die DB-01 klemmen, garantiere ich eine höchst immersive sonische Weltraumreise, aus dessen Sogwirkung sich die meisten Menschen nur mit Betäubungsgewehren wieder herausschießen lassen.
(Bild: Bob Humid)Sequencer, Arpeggiator, Automation?
Auf sehr kleinem Raum integriert Erica Synths hier außerdem noch einen mächtigen Sequencer mit Arpeggiator, einer regelbaren Automationsfunktion für Cutoff und vielen weiteren Raffinessen wie Randomisierung von Sequencen und (!) Parameterwerten, Richtungswechsel des Sequenzlaufs via Playmode u.v.m. 64 Steps passen in ein Pattern, während 64 Presets mit dem Pattern final abgespeichert werden können.
Jeder findet sofort die 16 Drops-artigen (und aktiviert leuchtenden) Steps des Sequencers, doch nur wer ganz links über Step 01 das kleine weiße Shift-Tasterchen entdeckt, kann seinen komplexen und multifunktionalen Charakter erahnen. Statt nervigem Menü steckt hinter jedem Step-Button jeweils nur eine Funktion, die durch gleichzeitiges Halten von Shift selektiert wird. Die Hüllkurven-Intensität für Pitch, VCF und VCA kann getrennt geregelt werden!
Ungewohnt, aber praktisch ist der Record-Button: Er kann sowohl die Patterns abspeichern als auch die Filter-Cutoff-Automation in Echtzeit recorden. Steps können im DB-01 einfach bei laufendem Sequencer ein oder ausgeschaltet werden. Hält man dagegen einen der leckeren Drops etwas länger gedrückt, so wird man in die Lage versetzt, mit dem klickbaren Gate/Note-Poti sowohl die Länge wie auch die Tonhöhe einer Note zu editieren. Die Echtzeitmodulation komplexer Sequencen, das Einjammen hoch verdichteter Eventfolgen mitreißender Basslines mit Slide und Akzenten gelingen mit kürzester Einarbeitung bald so schnell und intuitiv, dass der Flow nie durch ein Kreativität-blockierendes Nachdenken ausgebremst wird.
(Bild: Bob Humid)Conclusio
Wer gerade nicht auf der Suche nach der X-ten TB-303-Variante, sondern nach einem eigenständig klingenden Bassline-Monster ist, wird die Bassline DB-01 sicher in die enge Wahl nehmen. Im Test erlebte ich ein fantastisch und versatil klingendes, mal fauchendes, dann wieder röhrendes, groovy bouncendes, drückendes und höllisch abgehendes kompaktes Desktopgerät, das mit seinen 14 Bakelitpotis die Aspekte Synthesizer, Sequencer, Arpeggiator in einer Gerätegattung vereint. Die aufgerufenen knapp 560 Euro gehen dafür vollkommen in Ordnung. Die DB-01 ist damit aktuell meine persönliche Bassline-Referenzklasse.