Die Büchse der Pandora

DSI Tetra – Synthesizer im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Der unermüdliche Synthentwickler Dave Smith hat nach dem pfiffigen Mopho ein neues Projekt aus dem Hut gezaubert: Der Tetra ist ein vierfacher Mopho bzw. ein auf Kästchengröße eingedampfter (halber) Prophet ’08.

Wie groß das Begehren nach analoger Hardware ist, hat der kompakte Synthexpander Mopho gezeigt: Nicht nur Oldschool-Vintage-Freaks, auch die Computerkids sind süchtig nach griffiger Hardware und ebenso griffigem und durchsetzungsfähigem Sound. Der Erfolg des Mopho mit vollanalogem Signalweg bewies, dass Dave Smith, der schon Legenden wie den Prophet-5 kreiert hat, wieder mal die richtige Vision hatte; der eingeschlagene Weg wird mit einem neuen Modell von DSI konsequent weitergegangen.

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Der Tetra ist eine Art vierfach polyfoner Mopho, der zusätzlich einige Besonderheiten bietet und dessen Maße sich trotz der Mehrstimmigkeit nicht vergrößert haben. Er bietet einen analogen Signalpfad, arbeitet mit zwei Oszillatoren pro Stimme, hat ein echtes Curtis-Filter an Bord und ist pro Stimme mit einem internen Step-Sequenzer und einem Arpeggiator ausgestattet.

Äußeres

Die Farbgebung und das Design des Mopho wurden ja von der Synthgemeinde durchaus kontrovers diskutiert – nicht jedem gefiel die gelbe, leicht trashige Farbgebung. Beim Tetra, der dem Mopho ansonsten sehr ähnlich ist, wird es keinen Unmut geben: Das metallene Tetrapack ist in dezent-ernsthaftem Mattgrau und Schwarz gehalten und seitlich mit einigen Lüftungsschlitzen versehen. Ein gewisser Maschinensex ist ihm nicht abzusprechen, denn man hat ihm die mit einem silbernen Ring umkranzten Potikappen des Prophet ’08 verpasst, die auch an den großen Urahnen Prophet-5 erinnern. Die Anzahl der Regler ist gleichgeblieben: Die vier Encoder der mittleren Reihe lassen sich beliebigen Klangparametern zuweisen, die untere Reihe ist fest mit den Funktionen Pitch, Cutoff, Resonanz, Attack und Decay/Release verknüpft. Außerdem gibt es noch einen Dataregler, der u. a. der Programmanwahl dient, so – wie ein Poti für die Gesamtlautstärke.

Wer an den Knöpfen dreht, wird aber schnell einen Unterschied zum Mopho feststellen. Während bei Letzterem alle Regler bis auf den Lautstärkepoti als Endlos-Encoder mit Rasterung ausgeführt sind, bietet der Tetra zwei angenehm cremig laufende Potis für die Filtereckfrequenz und -resonanz. Das ist eine echte Verbesserung, die den Tetra-Usern neidvolle Blicke der Mopho-Gemeinde bescheren werden, denn gerade diese beiden zentralen Parameter lassen sich jetzt viel besser und gefühlvoller als mit den gerasterten Endlosreglern bedienen.


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Das Verhalten von Cutoff-und Resonanzregler lässt sich flexibel konfigurieren. Im RELATIVE-Mode wird zum bestehenden Wert geändert, und anfangs ist nur ein begrenzter Wertebereich gegeben; die volle Werteskala ist erst nach dem Erreichen des Minimal- oder Maximalwerts verfügbar. Im PASSTHRU-Modus bewirkt die Reglerbewegung erst etwas, wenn der gespeicherte Wert durchfahren wird. Beide Modi verhindern unschöne Parametersprünge. Diese werden erst in der dritten, JUMP genannten Betriebsart unvermeidlich, in der ein absoluter Wert angewählt wird. Auf das Feedback-Poti des Mopho wurde verzichtet.

Bei den Funktionstastern (Plus/Minus, Bankanwahl, Write, Parameteranwahl, Trigger) ist im Unterschied zum Mopho ein Neuzugang zu verzeichnen, der zum Editieren der gelayerten oder kombinierten Stimmen dient. Der praktische rote PUSH-IT-Taster zum Triggern des Sounds oder Starten einer Sequenz ist beim Tetra von vier LEDs umgeben, die die jeweils getriggerte Stimme anzeigen.

Leider unverändert geblieben ist die relativ empfindliche Plastikmembran, die das blaue, hintergrundbeleuchtete Display mehr oder weniger schützt. Hier wäre eine stabile durchsichtige Plastikabdeckung angebrachter gewesen. Auf der Rückseite bietet der Tetra neben der Kopfhörerbuchse vier unsymmetrische Einzelausgänge; dafür wurden die beiden Eingangsbuchsen des Mopho eingespart. Wenn es ums Verarbeiten externer Audiosignale geht, haben Mopho-User also die Nase vorn. Beim Tetra lassen sich dafür alle vier Stimmen einzeln ausgeben und nachbearbeiten, was z. B. bei komplexen Combo-Sounds sehr praktisch sein kann. Auf den ersten Blick meint man, rückseitig ein MIDI-Trio zu erblicken, es handelt sich aber nur um MIDI-In und -Out, denn die dritte Buchse (POLY CHAIN OUT) ist für die Verkettung mit bis zu vier Tetras zwecks Stimmerweiterung reserviert. Auch der Mopho lässt sich übrigens für diesen Zweck nutzen, allerdings kann man ihn bei gelayerten Sounds wegen seiner Einstimmigkeit nur begrenzt einsetzen. Umgekehrt lassen sich bis zu zwei Tetras auch als Stimmerweiterung für den Prophet ’08 einsetzen.

Neben dem Anschluss für das externe Netzteil, der leider ohne Zugentlastung auskommen muss, findet sich als weiteres Novum eine USB-Buchse, die der direkten Kommunikation mit dem Computer dient. Hier hat man vermutlich auch an die vielen Laptop-Elektroniker ohne MIDI-Interface gedacht, die etwas analoge Würze in ihren digitalen Alltag (oder auf die Bühne) bringen wollen. Die USB-Schnittstelle transportiert allerdings keine Audiodaten (wie beim Access Virus).

(Bild: Dieter Stork)

Klangerzeugung

Die klassische subtraktive Stimmarchitektur des Tetra entspricht der des Mopho. Zwei Oszillatoren generieren die Wellenformen Sägezahn, Dreieck, Rechteck mit modulierbarer Pulsweite, und zwei Rechteck-Suboszillatoren liefern den nötigen Schub im Tieftonbereich; zusätzlich liefert ein Noise-Generator weißen Lärm. Die Oszillatoren lassen sich synchronisieren, haben eine Glide-Funktion und durchlaufen ein analoges, resonanzfähiges Curtis Lowpass-Filter, das wahlweise mit 24 oder 12 dB Absenkung pro Oktave arbeitet. Zur Klangformung stehen außerdem drei schnelle Hüllkurven mit ADSR-Charakteristik und eine Modulationsmatrix mit 40 Modulationsquellen bereit (darunter vier Key- und Clock-synchronisierbare, schnelle LFOs mit fünf Wellenformen inklusive Sample & Hold), und mithilfe der 20 Modulationsziele kann man den Sound kräftig durch die Mangel drehen.

Ein nicht alltägliches Feature ist die Feedback-Funktion, mit der man den Sound sehr schön aufrauen kann: Das Ausgangssignal wird dabei intern wieder in den Audioweg vor dem Filter eingespeist. Im Gegensatz zum Mopho gibt es allerdings kein Feedback-Poti.

Sequenzer

Für viel Bewegung im Klang sorgt der integrierte Sequenzer, der zu MIDI synchronisiert werden kann: Er bietet für jede der vier Stimmen jeweils vier Spuren mit 16 Steps; jeder Spur können neben der Oszillator-Tonhöhe auch beliebige Modulationsziele zugeordnet werden. Dadurch wird der Tetra zum nie versiegenden Füllhorn für ungewöhnliche und bei Bedarf auch perkussive Analog-Loops. Eine Step-Glide-Funktion wie bei der TB-303 ist allerdings nicht an Bord. Eine Shuffle-Quantisierung vermisst man ebenfalls, aber das Clock-Teiler-Menü bietet einige Swing-Quantisierungen. Wer möchte, kann alternativ zum Sequenzer auch den integrierten Arpeggiator nutzen; dieser ist allerdings sehr einfach strukturiert und verfügt noch nicht einmal über eine Hold-Funktion – ein echtes Manko, dass beim nächsten Betriebsystem-Update behoben werden sollte.

Combo

Der Tetra lässt sich vierstimmig oder duofon mit zwei gelayerten Sounds spielen. Zusätzlich gibt es noch den Combo-Mode, bei dem vier individuelle Patches unisono, parallel vom internen Sequencer oder auch extern auf vier verschiedenen MIDI-Kanälen angesteuert werden. Hier sind komplexe Groovekonstrukte möglich – da jeder der vier Step-Sequenzer einen eigenen Clock-Teiler besitzt, können diese auch jeweils in unterschiedlichen Quantisierungen laufen. Die Combo-Sounds lassen sich auf Wunsch über die vier Ausgänge ausgeben, sodass jedem Sound ein Einzelausgang zugeordnet ist. Das ist sehr praktisch, denn man kann die Sequenzen aufs Pult legen, muten, mit Effekten und EQ nachbearbeiten usw.

Der Tetra bietet 128 Combo-Speicherplätze und vier Bänke à 128 Sound-Patches.

Die geöffnete Büchse der Pandora: Man erkennt deutlich die vier Stimmen des Tetra. (Bild: Dieter Stork)

Sound

Wie auch der Mopho gehört der Tetra in die absolute Sound-Spitzenklasse. Ob fette Basssounds, drückende Sequenzersounds, warme Lead-Sounds, die bei Bedarf aber auch schön böse sein können, oder völlig wahnsinnige Effektklänge: alles kein Problem für den Tetra. Im Unisono-Mode kann man wunderbare, machtvolle Heavy-Stacks programmieren, wobei verschiedene Detune-Modi zur Verfügung stehen. Auch gute Pad-Sounds lassen sich mit dem Tetra realisieren, obwohl er kein ausgesprochener Flächenspezialist ist. Breite Pads klingen am besten, wenn zwei Patches gelayert werden; dann ist der Tetra aber nur zweistimmig und man giert schon nach dem Zweit-Tetra zur Stimmenerweiterung.

Fantastisch sind die Möglichkeiten der Modulationsmatrix im Zusammenspiel mit dem Sequenzer: der Tetra kann nicht nur groovende Synth-Lines raushauen, er wird auch mit ein paar Reglerdrehungen zur genial-kranken Effektmaschine oder agiert als leistungsfähiger, analoger Drumcomputer. Das analoge Curtisfilter erinnert an das CEM 3372-Filter, das z. B. im Prophet-600 und im Sixtrack verbaut wurde, und greift kraftvoll ins Klanggeschehen ein. Die (digital kontrollierten) Oszillatoren sind sehr stimmstabil; auf Wunsch lässt sich aber mit dem SLOP-Parameter Oszillator-Drift erzeugen.

Praxis

Trotz der im Vergleich zum Mopho vierfachen Parameteranzahl ist es Dave Smith gelungen, die Funktionen auf der kleinen Bedienoberfläche sinnvoll zu strukturieren. Im Combo-Mode ist jedem der vier frei belegbaren Encoder eine Stimme zugeordnet; will man eine der Voices editieren, wählt man mit dem EditB/ Combo-Taster einen der vier Sounds an, und die vier Encoder werden dieser Stimme zugeordnet. Schön ist auch die Tatsache, dass ein Combo-Speicherplatz alle Parameter der vier integrierten Sounds enthält; so wird vermieden, dass man bei einer Modifizierung eines Einzel-Patches auch den Combo-Sound verändert.

Wer tiefer ins Soundprogrammieren eintauchen will, sollte auf die Tetra-Edit-Software (für Mac und PC) zurückgreifen, die bei Soundtower (www.soundtower.com/tetra/index.htm) zu finden ist. Die LE-Version ist Freeware, die kostenpflichtige Profiversion ($ 39,99) bietet einen Bankmanager und diverse Morphing-, Mix- und Random-Funktionen.

Dass die Encoder für Cutoff und Resonanz nicht gerastert sind, ist eine echte Erleichterung bei der Arbeit mit dem Tetra. Vielleicht wird ja die nächste Mopho-Generation davon profitieren. Das Testgerät mit OS-Version 1.0 lief während des Testzeitraums stabil, allerdings kam es beim Aufrufen eines Combos einmal zu einem Absturz.

Fazit

Der Tetra ist ein Hammersynth, der dank Step-Sequenzer und der Modulationsmöglichkeiten zum Soundmonster mutieren kann. Er gehört ohne Zweifel zu den Jahres-Highlights im Synthesizersegment. Alle Synthfreaks und Hardwarefans sollten den Tetra mal antesten. Der Preis ist angesichts der Features sehr fair.

 

Profil:

Konzept: analoger Synthesizer

Hersteller / Vertrieb: Dave Smith Instruments

Internet: www.davesmithinstruments.com

Maße: 20,07 × 12,7 × 6,86 cm (B x T x H) / 0,81 kg

Unverbindliche Preisempfehlung: 699,– Euro

+ guter Sound

+ vierfach polyfon

+ integrierter 16-facher Step-Sequenzer

+ optimierte Cutoff/Resonanz-Regler

– Arpeggiator ohne Hold-Funktion

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