DPA 2028 – Vocal-Mikrofon im Test
Ein neues Vocal-Mikrofon – das gibt es von DPA nicht häufig. Beim neuen 2028 haben die Dänen die wichtigsten Eigenschaften ihres Top-Modells nun in ein etwas »volksnäheres« Budget übertragen. Die Performance ist erstklassig.
»Ich sing doch nicht über ein Messmikrofon«, so empörten sich erschrockene Rock’n’Roller, wenn sie vor Jahren mit einem DPA-Mikrofon konfrontiert wurden. Oder, noch schlimmer, mit einem Mikrofon von Bruel & Kjær, den dänischen Messtechniklaboren, aus deren Wurzeln DPA als »Danish Pro Audio« ursprünglich entstand. Diese Scheu ist heute Vergangenheit – vielleicht auch, weil die Beschallungstechnik deutliche Veränderungen erlebte: Bei allem Verständnis für die guten, alten Zeiten hat sich die Audioqualität deutlich über deren Anfangsqualität verbessert. Abstrahlungscoverage und Verzerrungsarmut sind auf einem so hohen Niveau, dass man daher auch live Mikrofonqualitätsunterschiede deutlicher wahrnimmt. Oder anders herum: Ein Mikrofon kann gerne rotzen, schreien, rocken und färben. Es muss es aber nicht mehr, nur damit man die Vocals irgendwie noch im Bandmix platziert bekommt.
Ein schönes Bild ist, dass das Mikrofon vor der Sängerin oder dem Sänger „unsichtbar“ werden darf, um der Stimme selbst möglichst viel Raum zu überlassen. Dieses Ziel strebte DPA schon mit dem 4018 an – einem nicht nur sehr hochwertigen Vocal-Bühnenmikrofon, sondern auch preislich markanten Produkt. Mit dem neuen 2028 peilen die Dänen nun ein deutlich niedrigeres Preisniveau an: Während die Ansage für das 4018 fast schon vierstellig war, liegt man beim neuen 2028 eher bei der Hälfte. Alternativ ist der Kopf auch für Shure- (SL1-Adapter, auch passend für Sony und Lectrosonics) und Sennheiser-Sendestrecken (SE2- Adapter, für Serien 2000, 6000, 9000) erhältlich. Anwendungsabhängig wechselbar ist die Kapsel in der kabelgebundenen Variante nicht: Ein 2028 ist ein 2028. Es gibt auch keine unterm Korb verborgenen DIP-Switches, über deren aktuellen Schaltzustand man sich auf der Bühne Gedanken machen müsste.
Zweiter Korb gegen Plopp
Schon mechanisch zeigt sich das 2028 edel: Im Bühnenbetrieb mit einer gemischten Kollektion alternativer Modelle herumgereicht, gefiel allgemein nicht nur das sehr dezente, defensive Design direkt, sondern auch die schlanke Bauform. Das Mikrofon fasst sich wertig und solide an, ist dabei aber nicht zu schwer. Wenn man den Korb mit wenigen Drehungen abschraubt, kommt darunter noch ein zweiter Käfig zum Vorschein: Er ist eine Anleihe an das 4018, bei dem DPA das Optimum in Sachen Schutz gegen Explosivlaute umzusetzen anstrebte. Beim 2028 dient dieser innere Korb ebenfalls dem Schutz vor unerwünschten Plopps; das System erinnert ein wenig an die üblichen zweistufigen Windscreens im Studio vorm Gesangsmikrofon. Auch dieses Drahtnetz lässt sich noch einmal abschrauben, darunter kommt dann die typische DPA-Kapsel mit optischen B&K-Anleihen zum Vorschein. Das „Explosivlaut-Level“ ist je nach Künstler ja sehr unterschiedlich, eine gute Dämpfung aber immer hilfreich. Schön, wenn man den Low-Cut im Channel bevorzugt gestalterisch tunen kann und nicht nur dafür weit hochziehen muss, um erst einmal die Stimme clean zu bekommen. Für offene Mikrofone bei richtig steifer Brise auf dem Deich wäre aber sicher dennoch zusätzliche Abschirmung nötig.
Beim ersten Soundcheck gibt es dann keine weiteren Überraschungen: Das 2028 pegelt sich im Kanal in üblichen Werten ein und fällt bei der Gain-Einstellung nicht aus dem Rahmen. Nachdem man bei DPA ja schon auf eine hervorragende Historie bezüglich des Kapseldesigns zurückblicken kann, hat man sich in den letzten Jahren nochmals besonders der Elektronik angenommen. Die guten (niedrigen) Verzerrungswerte im Datenblatt und die gute Verträglichkeit mit hohen Signalpegeln des Mikrofons stammen aber nicht nur von der Elektronik allein: DPA legt Wert darauf, dass die Angaben nicht mit einem Dummy Load gemessen wurden, sondern auch mit tatsächlich angeschlossener Kapsel.
Von den Handlinggeräuschen her ist das 2028 ebenfalls unauffällig, auch wenn es hier eine defekte Mikrofonklemme (bzw. deren Quietschgeräusche beim Verstellen) offenbarte: Bei dynamischen Mikrofonen hat man es ja mit einem »schwereren« und ganz anderen mechanischen Aufbau der Kapsel selbst zu tun, den die Konstrukteure irgendwie vom Handgriff entkoppeln müssen. Dadurch »poltern« diese Mikrofone mehr als ein Kondensatormikrofon, bei dem es ja als bewegliches Teil nur die hauchdünne Membran an sich gibt. Wenn man also kräftig am Mikrofongriff hantiert, fehlt hier dieses dröhnige Rumpeln, und es bleiben nur die eher breitbandigen Handgeräusche zu vernehmen (oder eben eine Klemme, die ausgetauscht gehört).
Cleane Coverage
Ja und dann … vergisst man das Mikrofon einfach irgendwie. Es sind ja dann doch eher die Fehler in einem System, die richtig auffallen. Aber da kann man hier lange suchen: Klanglich ist das DPA 2028 oberstes Niveau, das hätte man auch kaum anders erwartet. Nach mehreren Bühneneinsätzen nochmal bewusst in ruhiger Umgebung angehört und von allen Seiten besprochen, fällt hier dann nochmal ein Aspekt auf, der ja auch im Lautsprecherbau derzeit zu deutlichen Ergebnisverbesserungen führt: Der Sound auf Achse ist eine Sache, aber was passiert eher seitlich oder gar rückwärtig – und zwar nicht nur bei ein paar isolierten Frequenzen?
Da zeigt sich das 2028 sehr, sehr ausgeglichen: Die Richtcharakteristik ist nach vorne nicht ganz super eng, sondern seitlich etwas offener. Bei etwas Bewegung seitlich vom Mikrofon weg ist man also nicht gleich im Off oder verliert Glanz. Bei seitlicher Einsprache verliert man dann Pegel, ohne dass das Mikrofon unangenehm verfärbt. Noch weiter in Richtung Stecker (oder für Segler: achterlicher als querab) fällt der Pegel dann wirklich deutlich ab. Natürlich singt man von dort hinten aus nicht ins Mikrofon. Aber vermutlich steht dort oft ein Bodenmonitor, den man möglichst dämpfen will.
Und dann fängt man sich, ob man will oder nicht, natürlich immer auch die Bühnenquellen rundum ein. Je weniger das Mikrofon diese färbt, umso besser. Meist steht ja nicht nur eins dieser Mikrofone vor und zwischen anderen Instrumenten auf der Bühne, und wenn sich dieser aufsummierende Spill schon nicht ganz vermeiden lässt – umso besser, wenn er sich wenigstens möglichst natürlich in diesen Kanal hineinmogelt. Erst ganz zum Schluss unserer mehrwöchigen Erprobung und einem bereits geformten Eindruck folgt dann ein Blick in die Polardiagramme des 2028: Diese heben sich schon einmal sehr angenehm von den sonst oft üblichen Specs ab, in denen man eher den Eindruck hat, ein Produktmanager habe dem R&D vorab mal seine theoretische Wunschvorstellung ins Grafikprogramm gemalt. Hier gibt’s dagegen höher aufgelöste Messungen, die beispielsweise die rückwärtige Keule als nur sehr, sehr schwach ausgeprägt dokumentieren. Wow, wie bekommt man solche Ergebnisse hin: Sehr breitbandig dämpft das Mikrofon seine Rückseite runter. Und so, wie sich heute beste Lautsprecher dadurch auszeichnen, wie sie nach hinten den Raum (nicht) anregen, ist dies sicher auch eins der Geheimnisse, warum sich das 2028 auf der Bühne so angenehm und kooperativ benimmt. Irgendwie doch cool, wenn Hersteller mal was mit Messgeräten zu tun hatten …
Hersteller: DPA
Internet: www.dpamicrophones.de
Straßenpreis: ca. 560, – Euro
Unsere Meinung
+ guter Klang
+ sehr neutraler Klang von allen Seiten
+ wertig verarbeitet
Richtige Reinigung
Im Manual des Mikrofons stolpert man über den Hinweis, man solle keine »Flüssigkeiten oder Sprays einsetzen, die statische Ladungen zerstören können«. Nun sind Flüssigkeiten im Mikrofon sicher nie eine gute Idee, aber DPA weist dennoch noch einmal darauf hin, dass die in vorpolarisierten Kondensatormikrofonen auf dem Elektret »eingefrorene Spannung« dadurch geschädigt oder entfernt werden könnte.
Den Schaden wirklich herbeizuführen, braucht wohl schon einiges Ungeschick. Es empfiehlt sich aber dennoch, den oder die Körbe vor der Reinigung abzunehmen und entfernt von der eigentlichen Kapsel zu reinigen, ohne antibakterielles Spray auf die Kapsel gelangen zu lassen. Man könne sich bei DPA zwar nicht daran erinnern, dass so ein Schaden je wirklich eingetreten sei, empfehle aber »better safe than sorry«.