Das 9 Kilogramm Leichtgewicht

Digitalpiano Vivo S1 von Dexibell im Test

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Dexibell Vivo S1 Digitalpiano 1(Bild: Dieter Stork)

Digitalpiano für die Reise gesucht? Soll es für den »kleinen Gig« oder für eine schnell angesetzte Probe transportfreundlich unter 9 kg wiegen? Sollen die Klänge individuell anpassbar sein? Und soll das dann auch noch gut klingen? Dann könnte das kompakte Dexibell Vivo S1 infrage kommen.

Das Stagepiano kommt ohne Lautsprecher in einem schlichten Aluminiumgehäuse daher. Bedienelemente sucht man auf der oberen Deckplatte vergebens, alles ist funktional ohne viel Schnörkel. Die 68er-Tastatur von A bis e4 bietet sieben Tasten mehr als ein 61er-Keyboard, links eine kleine und rechts eine große Terz zusätzlich. Das Bedienmodul links neben der Tastatur vermittelt optisch zunächst den Charme einer Fernbedienung − allerdings ist es sehr durchdacht gestaltet. Auf der rechten Seite des Vivo S1 befinden sich ein Volumenregler und der Power-On/Off-Knopf − fertig ist die Laube.

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Die silberglänzenden Aluseitenteile sind mit einem abstrakten Muster ziseliert, und die hellblaue Farbe der Deckplatte sieht recht stylisch aus. Alles macht einen stabilen Eindruck, und das kleine E-Piano ist erstaunlich leicht, handlich und dafür äußerst robust. Das mitgelieferte Netzteil (12Volt/2A) gehört nicht zu den praktischen Livemusiker-Accessoires: Breites Gehäuse und dünnes Stromkabel sind nur bedingt bühnentauglich. Was ich aber wirklich vermisse, ist ein Notenhalter (auch wenn es sich hier um ein Stagepiano handelt) oder zumindest eine Vorrichtung dafür. Ein mitgeliefertes Sustain-Pedal wäre auch ein willkommener Service − das kann aber als Zubehör geordert werden, ebenso wie eine Tragetasche, Switch-, Volumenpedal und Kopfhörer. Die Bedienungsanleitung ist in Englisch − aber sie ist ansprechend und übersichtlich aufbereitet.

Anschluss gesucht und gefunden: Das Vivo S1 bietet zwei 6,3-mm-Klinken-Mono-Audio-Ausgänge, drei Fußpedal/Controller-Anschlüsse, je einen USB-B-Computer-Port und einen USB-A-Memory-Port, einen 3,5-mm-Klinken-Audioeingang und erfreulicherweise zwei Kopfhörerbuchsen (3,5 mm und 6,3 mm Klinke). Durch eine Klappe an der Unterseite des Gehäuses können sechs AA-Batterien/Akkus für die Reise oder Gigs in der freien Natur eingelegt werden.

Wo sind die MIDI-Buchsen? Die fallen weg, denn Dexibell hat mit dem USB-Memory-Port die Möglichkeit geschaffen, USB-Instrumente direkt zu verbinden − einfach so. Das funktioniert z. B. mit USB-Mastertastaturen wie dem KORG Micro: Key eingestöpselt, und schon steht die Stromversorgung via USB, und man kann z. B. den Layer- oder Split-Sound von dieser kleinen Tastatur steuern. Vor allem bei Gigs »mit kleinem Besteck« ist das sehr nützlich, wenn man nur ein paar Flächen legen oder einfache Riffs spielen möchte. Auch der Kontakt zum PC verläuft mit einfachem Plug&Play. Zu guter Letzt kann das Vivo S1 über USB mithilfe seiner vier MIDI-Masterzonen auch andere Instrumente über USB beglücken, das funktioniert z. B. beim Roland GAIA problemlos, beim Yamaha MOXF nicht − dieses Feature sollte man also vorher testen. MIDI-Geräte können ggf. über einen USB-MIDI-Interface angekoppelt werden.

Sounds und Tastatur: Aus nackter Neugier geht’s ohne Bedienungsanleitung ins Soundgetümmel. Die grundsätzliche Benutzerführung sollte m. E. intuitiv möglich sein, und so ist es lobenswerterweise auch beim Vivo S1 der Fall. Die sechs Instrumenten-Kategorien sind Piano (15 Klänge), E-Piano (13), Organ (11), Ensemble (27), More (14) und User. Die Cursor-Tasten sorgen für die Navigation durch die Klanglisten − die Coupled(=Layer)- und Lower(=Split)- Symbole führen selbsterklärend zu den bekannten Klangkombinationen. Auf dem Display werden alle Einstellungen übersichtlich angezeigt.

Die Tastatur reagiert insgesamt gut auf dynamische Variationen.

Die eingebaute Feder-Tastatur trägt nicht unwesentlich zum geringen Gewicht des Vivo S1 bei − es ist also keine Hammer-Tastatur vorhanden. Sie ist jedoch so gut eingestellt, dass sie sich wesentlich ausdrucksstärker spielen lässt als eine Synthie- oder Keyboard-Tastatur. Dexibell bezeichnet die Dual-Contact-Tastatur als »leicht gewichtet«. Beim nuancierten Pianieren vermisst man daher bauartbedingt den Druckpunkt, an dem der Hammer nach oben schnellt. Die Tastatur reagiert insgesamt gut auf dynamische Variationen und eröffnet einen recht weiten dynamischen Gestaltungsspielraum. Die Tastenoberfläche fühlt sich ein wenig glatt an und vermittelt keinen Grip wie eine Tastatur mit Ebony-Feel. Ich hatte trotzdem den Eindruck, dass ich mich an diese Tastatur gewöhnen könnte, wenn es nicht gerade um pianistische Hi-End-Anforderungen geht. Für Letzteres gibt es ja die größeren Modelle von Dexibell wie z. B. das Vivo S7 mit 88 Tasten und das S3 mit 73 Tasten (10,5 kg).

 

Die voreingestellten dynamischen Kurven der Sounds fühlen sich gut an, im Menü kann man zwischen acht Anschlagskurven wählen und diese für jede der 80 speicherbaren Performances separat einstellen. Zusätzlich lassen sich sechs Favoriten bestimmen, die beim Betätigen der sechs Kategorietaster sofort zur Verfügung stehen. Mit den Volumen-, Transpose- und Octave-Schaltern ist man für schnelle Eingriffe in diese wichtigen Parameter gewappnet.

Gerade bei den wichtigen Tastensounds ist die gute Qualität der Klänge spürbar. Die verschiedenen Klaviervarianten klingen authentisch und haben eine ansprechende dynamische Bandbreite – sehr schön, dass auch eine aussagekräftige Upright-Variante dabei ist. Bei Rhodes und Wurlitzer sind die Velocity-Switches zwischen den Samples z. T. deutlich hörbar. Bei Stilen wie Funk kann das zu durchaus erwünschten Akzentuierungen führen − mir persönlich wären smoothe Velocity-Crossfades lieber gewesen. Aber in puncto Anschlagsdynamik und Feingestaltung der Sounds kann einiges nachjustiert werden. Die Clavinet-Abteilung gefällt mir sehr gut, hier lässt sich auch der neue WahWah-Effekt des neuen Betriebssystems 4.0 schön einsetzen. Die weiteren Sounds wie Orgel, Streicher, Bläser etc. decken die Brot-und-Butter-Palette gut ab, wobei der Bläserbereich leider etwas abfällt. Die Streicher- und Pad-Sounds eignen sich gut fürs Layern.

Bei den Effekten habe ich den Eindruck, dass z. B. Tremolo und Overdrive die Definiertheit der E-Piano-Sounds beeinträchtigen − da ist noch Luft nach oben. Wenn man diese Effekte allerdings sparsam einsetzt und stattdessen eher die virtuellen Soundelemente featured, entfaltet sich der Klang.

Stöbern in der Soundabteilung. Die T2L-Klangerzeugung des Dexibell Vivo S1 beruht auf der Kombination von authentischen Samples mit regelbaren virtuellen Klangsimulationen (Modelling). Durch die Verbindung dieser beiden Methoden lassen sich den authentischen Samples gezielt die benötigten Anteile von typischen Hammer- und Pedalgeräuschen hinzufügen − wie z. B. Saitenresonanz bei getretenem Fortepedal. Auch bestimmte Klangcharakteristika, wie Bell und Growl beim Rhodes oder Click und Percussion bei den Orgelsounds, erlauben eine z. T. recht dramatische Aufwertung der an sich schon guten Basis-Sounds, die auf bis zu 15 Sekunden langen Samples bei den tiefen Klaviertönen beruhen. Zudem können die Hüllkurve und die Effekte − von EQ bis Overdrive − editiert werden.

Die Vorteile dieses offenen Systems liegen auf der Hand: Nicht nur weitere und ggf. neuere Sounds, sondern auch weitere Effekte und verbesserte globale Parameter können bei neuem Betriebssystem-Update wie unlängst bei der Version 4 verbessert werden. Da fällt dann die etwas längere Einschaltzeit von ca. 30 Sekunden des Vivo S1 nicht wirklich ins Gewicht. 320 Oszillatoren sorgen quasi für eine Polyfonie-Flatrate und liefern diese in 24Bit/48kHz-Klangqualität.

Das neue Aqua Betriebssystem-Update Viva OS 4.0 bietet als neue DSP-Effekte ein WahWah (wahlweise via Expression Pedal oder als TouchWah), einen via Expression-Pedal steuerbaren Cut-Filter mit 12/24 dB und last but not least einen Compressor, mit dem man auch die Anschlagkurven stauchen oder strecken kann.

Dexibell Vivo S1 Digitalpiano 2(Bild: Dieter Stork)

Abgesehen von den editierbaren Klängen und den dafür bereitgestellten 80 internen Speicherplätzen können die Klangschrauber unter uns auch weitere Sounds ins Vivo S1 einladen. Insgesamt steht ein 3-Gigabyte-Klangspeicher zur Verfügung, aufgeteilt in 1,5 GB Internal-Sounds und 1,5 GB User-Sounds, von denen aber nur ca. 100 MB tatsächlich in den Arbeitsspeicher geladen werden können. Die anderen Sounds stehen zum Nachladen bereit. Als User-Sounds können Klänge im Dexibell-Format mit der DXS-Endung und die oftmals frei erhältlichen Klänge im SF2- Format (SoundFont) geladen werden. Die auf einem USB-Speichermedium gespeicherten Klänge bzw. Klangbibliotheken im Vivo S1 können vorher angehört werden. Bei Gefallen lassen sie sich dann erstaunlich schnell und »unbürokratisch« importieren, was die Anwendungspalette des Instruments immens erweitert.

Getting Deeper. Die die im Display angezeigten Parameter Reverb und die beiden weiteren nutzbaren Effekt FX-A und FX-B sind mit den darunter befindlichen Funktions-Buttons direkt wählbar. Ansonsten kommt man mithilfe des Menü-Buttons in die tiefer liegenden Menüs, wo sich weitere Parameter wie z. B. die virtuellen Modelling-Parameter, Effekte wie etwa E-Piano-Tremolo, Equalizer, Flanger, Chorus, Phaser, Delay, Overdrive sowie globale Einstellungen finden.

Zu erwähnen ist noch der Song-Player (mp3, wav, aiff/aif), der vom internen oder externen Memory beschickt werden kann und auch Overdub-Aufnahmen zu einem bestehenden Audio-Song ermöglicht. Eine raffinierte virtuelle Dämpferfunktion, bei der sich die Funktion automatisch einschaltet, wenn man mehr als drei oder vier Tasten spielt, sowie eine Editor-Software fürs iPad und die Arrangier-Software X MURE runden das Paket ab.

Fazit:

Mit knapp 9 Kilogramm Lebendgewicht stellt das Dexibell Vivo S1 wohl die derzeit leichteste Piano-Alternative mit akzeptabler Tastatur dar. Das offene Sound- und Softwaresystem mit der Option auf Updates, die wirkungsvoll dynamisch spielbaren und editierbaren Basissounds im Piano- und E-Piano- Bereich sowie die Möglichkeit, weitere Sounds einzuladen, sind weitere Trumpfkarten des kleinen Pianos, das für knapp unter 1.300,− Euro zu haben ist. Wer eine Hammertastatur bevorzugt, findet sie bei gleichem Soundangebot im Vivo S3 und S7.

http://www.dexibell.com/

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Yamaha Geräte wie MOXF oder auch MX61 sind über USB nicht Classcompliant, daher kann das nicht gehen. Muß man nicht testen, sondern nur schauen, ob das Gerät, was man über USB anschließen will, Treiber für beide OS benötigt. Roland Geräte kann man meistens in den sogenannten Generic Mode umschalten.

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