Der Minimoog: Godfather of Synth
Sein Sound ist berüchtigt und wird heute zu Höchstpreisen gehandelt. Mit dem Minimoog Voyager und den nachfolgenden neuen Instrumenten von Moog sollte eigentlich doch genug Auswahl vorhanden sein, um an den geliebten Sound zu gelangen. Was also macht den alten Minimoog so einzigartig?
Oscillator Modulation
Schaltet die Modulation auf die Oszillatoren: klassische Tonhöhenmodulationen für Vibrato oder extreme Sci-Fi-Effektsounds. Wird der dritte Oszillator per OSC. 3 CONTROL von der Tastatur abgekoppelt, lässt er sich in Stellung LO als LFO einsetzen. Zusätzlich sollte man Oscillator 3 im Mixer abschalten, sonst knackt’s im Sound. Für schickere Modulationen ist die zweite Wellenform beim dritten Oszillator übrigens nicht als Sägezahn/Dreieck-Mischung, sondern als umgekehrter Sägezahn ausgelegt.
Oscillator Bank
Hier schlägt das Herz des Mini: Die drei Oszillatoren können jeweils sechs Wellenformen in den Fußlagen 32′, 16′, 8′, 4′ und 2′ erzeugen − eine Pulsweitenmodulation gibt’s zwar nicht, aber die fünfte und sechste Wellenform weisen engere Rechtecke auf. Auf „LO“ gestellt, werden tiefe Frequenzen im Sub-Bass-Keller erzeugt, wo nur noch Knacken zu hören ist.
Mixer
Hier werden alle Signale zusammengemischt. Zu OSC 1−3 gesellen sich hier noch der External Input und Noise, einstellbar in White und Pink Noise. Im Mixer kann das Signal bereits stark in die Saturation gefahren werden, bevor es in das Filter geht − einer der Gründe für den fetten Sound dieses Synthesizers.
Pitch & Mod
Die beiden Handräder dienen zur Steuerung der Tonhöhe/Intonation (Pitch) und der Modulation. Das Pitch Wheel ist mittengerastert und ermöglicht es, die Tonhöhe nach oben und unten um ca. ±8 Halbtöne zu beugen. Da ist für das korrekte Bedienen Feingefühl und Hinhören angesagt, ähnlich wie beim Saitenziehen an der Gitarre.
Controllers
Neben der Grundstimmung (Tune) lässt sich hier die GLIDE-Time einstellen. Eingeschaltet wird diese Funktion mit dem Schalter oberhalb der Wheels. MODULATIONMIX regelt die Balance zwischen Oszillator 3 und Noise als Modulations-Signal. Mit Noise entstehen zunehmend raue und dreckige Modulationen.
Filter Modulation
Wie für die Tonhöhe lässt sich auch die Cut-off-Frequenz des Filters modulieren. Damit lassen sich Tremolo- und Wah-Effekte erzielen, aber auch Ringmodulator-ähnliche Sounds, sofern der OSC 3 im hörbaren Frequenzbereich schwingt.
Keyboard Control
Diese beiden Schalter sorgen dafür, dass sich das Filter bei ansteigender Tonhöhe ebenfalls öffnet („Keyboard Tracking“). Ansonsten würde ein Sound, der bei den tiefen Tasten knackig klingt, nach oben hin immer dumpfer, weil die Cut-off-Frequenz ja fix eingestellt ist. Der obere Schalter erzeugt eine leichte Öffnung (1/3 Volt/Octave) des Filters, der untere eine mittlere (2/3 Volt/Octave), die sehr musikalisch klingt. Sind beide Schalter umgelegt (1 Volt/Octave), wird der Sound nach oben hin sogar heller.
Output
Hier gibt es einen separat regelbaren Kopfhörerausgang nebst regel- und abschaltbarem MAIN OUTPUT. Ein Umlegen des Schalters A-440 lässt einen Sinus-Dauerton zum manuellen Stimmen des Moogs erklingen.
Modifiers (Filter)
Mit der Begrenzung auf ein Tiefpassfilter mit 24 dB/Oktave ist der Minimoog vielleicht nicht so flexibel im Klang wie andere Synthesizer, dafür aber einfach umso fetter. Grund ist Moogs patentierte 4-Pol-Schaltung, auch „Moog-Ladder“ genannt. Einzustellen sind hier die Cut-off-Frequenz, Emphasis (Resonanz, bis zur heftigen Eigenschwingung regelbar) und Amount of Contour (Intensität des Filter Envelope).
Modifiers Envelopes
Direkt unterhalb des Filters befinden sich die Filter- und Lautstärke-Hüllkurven (Loudness Contour) jeweils mit Attack, Decay und Sustain Level. Release-Regler sucht man hier vergebens − dafür ist ebenfalls jeweils der DecayRegler zuständig. Mit dem Schalter „Decay“ über den Wheels lässt sich das Release aber auf einen fixen, kurzen Wert umschalten, der musikalisch sehr sinnvoll gewählt ist. Der fehlende eigene Regler für Release wird bei den meisten Software-Emulationen nachgereicht … und beim Moog Voyager.
Die Rolle des Minimoog ist unbestritten sehr groß in der Entwicklung der Synthesizer. Synthesizer würden heute sicher anders aussehen und auch allgemein anders wahrgenommen, hätte dieses Gerät nicht entscheidende Akzente gesetzt. Der Minimoog wurde 1970 als Prototyp vorgestellt und in den weiteren Jahren bis zur endgültigen Version, dem Model D, weiterentwickelt. Im KEYBOARDS-Blog kannst du dir die verschiedenen Entwicklungsstufen anschauen. Das wichtigste Merkmal des Minimoog ist nicht einmal ein technisches, sondern einfach die Tatsache, dass es sich im den ersten Kompaktsynthesizer der Welt handelte. Davor waren Synthesizer monströse Modular-Systeme, teils mit Ausmaßen (und Charme) einer Telefonvermittlungsanlage.
Mit Modular-Systemen wurde die erste Synthesizermusik komponiert, das berühmteste Beispiel ist das Album Switched On Bach, das Wendy Carlos mit einem Moog-System eingespielt hat. Etlichen Sci-FiFilmen wurde mit Modular-Synthesizern das Sounddesign verpasst. Dabei waren diese Geräte nicht nur hinsichtlich ihrer Größe und ihres Gewichts unhandlich: Alle Bausteine des Systems, wie Oszillatoren, Filter, Envelopes etc., mussten mit Kabeln zusammengesteckt werden, um überhaupt einen Ton aus ihnen herauszubekommen.
Kompakt & verstehbar! Keine Frage − für Musiker waren Modular-Systeme damals in der Praxis kaum brauchbar. Bob Moogs brillante Idee war es daher, einen Synthesizer zu schaffen, den man als Musiker realistisch einsetzen konnte. Das relativ geringe Gewicht und die kompakte Bauweise erlaubten es, den Minimoog auf anderen Instrumenten zu platzieren, und er war nach dem Einschalten und Anschließen spielbereit.
„Schaltungstric“« für mehr Drive: Der Minimoog besitzt zwei Klinken-Outputs (High und Low), die gleichzeitig aktiv sind. Verbindet man den einen der beiden mit dem Input für externe Signale, wird eine über den Mixer kontrollierbare Rückkopplung des gesamten Signalwegs erzeugt und das Overload-Lämpchen im Mixer fängt an, heftig zu blinken … böse, böse, böse!
Dank seines klar strukturierten Bedienfelds, das den logischen Aufbau eines elektronisch erzeugten Klanges auf dem Bedienfeld systematisch darstellt, kann man den Minimoog spontan in intuitiv einstellen. Von links nach rechts finden wir dort Tonerzeugung (Oscillator), Mixer, Tonformung (Modifiers) – diese Grundstruktur ist die Blaupause für so ziemlich jeden Synthesizer und findet sich bis heute in selbst den komplexesten Workstations mit 128-facher Polyfonie wieder.
№5/6 2017
- Editorial
- Facts & Storys
- Modular Kolumne
- EVANESCENCE
- Im Gespräch mit Lars Eidinger
- HÄMMERN MIT DEN GRANDBROTHERS
- Reisen & Neuanfänge: Lucy Rose
- Keys4CRO: Tim Schwerdter
- Klangbastler Enik & Werkzeugmacher Gerhard Mayrhofer
- Bei Klavis in Brüssel
- BACK TO THE ROOTS: AKAI MPC X
- Dexibell Combo J7
- DICKES BRETT: POLYEND SEQ
- Mr. Hyde & Dr. Strangelove jagen Dr. No
- Visionäre: MIDI In My Head!
- DIE ELKA-STORY
- Transkription: Michael Wollny
- Impressum
- Inserenten, Händler
- Das Letzte − Kolumne
Simpel aber Phätt!
Der Minimoog weist einige Besonderheiten auf, die auch der Grund für seinen fetten Sound sind. Erst einmal darf man feststellen, dass schon Oszillatoren laut und kräftig klingen. Virtuelle Synthesizer oder Software-Instrumente werden bereits von einem Oszillator geradezu weggeblasen.
Man sollte hier nicht von lupenreinen Wellenformen ausgehen, die obertonreicheren Sorten wie Sägezahn und Rechteck klingen sehr harsch. Diese lassen sich in der Mixstufe weiterhin verarbeiten, denn selbst hier wird der Klang verändert.
Die Signale können hier in die Saturation gefahren werden, sodass der Mixer als Waveshaper fungiert.
Damit haben wir einen Wellenformmix, der dem Filter die beste Angriffsfläche bietet. Und dieses macht dann dank 24-dB/Oct-Charakteristik nochmal ordentlich Dampf. Der Grundsound allein ist kraftvoll, saftig und einfach laut. Dazu gesellen sich die zupackenden Hüllkurven, mit denen sich knackige Bass-Sounds und Synth-Percussion zaubern lassen.
Aufgrund des sehr klaren Designs ist die Handhabung des Minimoog wirklich sehr einfach. Bob Moog hat bei der Entwicklung desInstruments mit den unterschiedlichsten Musikern zusammengearbeitet – selbst weniger optimale Schaltungsdetails, ließ uns Moog Experte Rudi Linhard zu wissen,hat Bob Moog ganz bewusst so belassen, wenn sie von Musikern gut bewertet wurden. Um die musikalische Anwendung sicherer zu gestalten, wird beispeielsweise der Tiefbassbereich bei der Eigenschwingung des Filters nach untenhin sanft ausgeblendet.