Clavia Nord Stage 2 – Stagepiano/ Masterkeyboard im Test
In der aktuellen Keyboards-Ausgabe 04 2017 haben wir das neue Flaggschiff Clavia Nord Stage 3 für euch getestet. Hier der alte Testbericht des Vorgängers.
Ob Nord Wave Synthesizer, Nord C2 Organ oder Nord Piano: Clavia war in den vergangenen Jahren nicht untätig und hat inzwischen alle Kernbereiche weiter entwickelt, die auch die Nord-Stage-Reihe betreffen. In der 2. Generation (Clavia Nord Stage 2) sollen deren Modelle folgerichtig nun noch flexiblere Allround-Fähigkeiten für die Bühne als bisher liefern.
Am Erfolgskonzept ihres Bühnenflaggschiffs Nord Stage (Test in KB 12.2005) haben die Schweden nicht gerüttelt: Auch das Nord Stage 2 vereint die voneinander unabhängigen „Klangerzeugungsmodule“ PIANO, ORGAN und SYNTH in sich. Dabei können jeweils zwei Sounds aus diesen Sektionen gleichzeitig wiedergegeben werden; Setups mit maximal sechs internen Klängen und drei autarken Split-Zonen liefert das Instrument als Masterkeyboard.
Umsteiger finden sich am Nord Stage 2 sofort zurecht, denn die neuen Modelle, erneut als 73-, 76- und 88-Taster erhältlich, sind lediglich in Details von ihren Vorgängern zu unterscheiden. Die seitlichen Holzleisten sind nicht mehr nach außen gewölbt – weniger optische Raffinesse zugunsten erhöhter Flightcase-Kompatibilität. Neben einem farblich frischeren und etwas mehr Übersicht stiftenden Bedienfeld-Look (anthrazit und beige anstatt grau und schwarz) beschränken sich die Neuerungen bei Tastern und Reglern vor allem auf die Synthesizer-Sektion. Geblieben ist leider auch das sehr klein geratene zweizeilige Haupt-Display.
USB-to-Device oder eine Datensicherung per Speichercard bietet das Nord Stage 2 nicht – weder können also Programmdaten oder gar Samples ohne Rechneranbindung nachgeladen werden, noch gehören USB-Song-Player-Funktionen zum Konzept – schade. Hinzugekommen ist lediglich der Anschluss MONITOR IN (Stereominiklinke): Darüber wird ein eingeschleiftes Signal wie das eines MP3-Players immerhin mit über die Kopfhörerbuchse, jedoch nicht über die Line-Outs ausgegeben.
Clavia Nord Stage 2: Stagepiano-Qualitäten
Als Bühnenpiano spielt das Stage 2 praktisch auf dem Niveau des im vergangenen Jahr erschienenen Nord Pianos. Zwar lädt auch schon das Nord Stage EX die Flügel- und Klaviersamples aus der NORD PIANO LIBRARY V. 5 (Test in KB 4.2010), dafür stehen dort aber nur 256 MB Flash-Speicher zur Verfügung, während es Nord Piano und Nord Stage 2 auf 500 MB bringen. Die Polyfonie beträgt laut Hersteller 40 Stimmen bei Stereo-, 60 bei Mono-Pianos.
Die auf DVD mitgelieferte sowie online erhältliche Sample-Library des Clavia Nord Stage 2 bietet eine Vielzahl an Grand- und Upright-Pianos, E-Pianos, Clavinets und Harpsichords. Vertreten sind ausgezeichnete Steinway-D- und Yamaha-C7-Flügel, Klaviere von Herstellern wie Schimmel oder Bösendorfer wie auch seltenere Fabrikate. Allein mit den A-Piano-Sounds deckt Clavia im Metier der Stagepianos derzeit eine wohl konkurrenzlose Bandbreite ab. Klangniveau und Dynamik überzeugen insgesamt ebenfalls.
Lediglich bei den Saitenresonanzen, im Ausklang und im manchmal etwas dünn geratenen Diskant können Nord-Instrumente noch nicht ganz mit manchem japanischen Top-Digipiano mithalten; auf der Bühne und im Bandkontext fallen solche Details aber meist weniger ins Gewicht.
Weitere Spezialität der Library und damit auch des Stage 2 ist die gelungene Reproduktion verschiedener Fender-Rhodes- und Wurlitzer-E-Pianos, außerdem überzeugen die Klassiker Yamaha CP-80 und Hohner D6 Clavinet sowie zwei hervorragende Cembali. Volle, warme FM-Pianos fehlen dagegen bislang im Repertoire.
Neu ist, dass Clavia den 76er- und 88erStage-2-Modellen eine Hammermechanik spendiert hat. Das Spielgefühl ist im Vergleich zum Stage EX dadurch nochmals spürbar aufgewertet – ein entsprechendes Stage 2 ist damit klar das insgesamt bessere Stagepiano. Verfeinert wird diese Eigenschaft darüber hinaus mit dem optional erhältlichen NORD TRIPLE PEDAL. Diese 3er-Pedaleinheit verhilft dem Nord Stage 2 beim Sustain zur Halbpedal-Erkennung sowie in Verbindung mit manchen Flügelsounds zu einer imposanten Pedalgeräusch- Simulation.
Combo-Orgel an Bord
In der vollpolyfonen Organ-Sektion des Stage 2 werkelt Technologie aus der Nord C2-Combo-Orgel. Nach wie vor gibt es die drei Grundmodelle B3, FARFISA und VOX. Im Direktvergleich mit dem Stage EX klingen alle Orgeln insgesamt etwas diffiziler, weicher und runder. In Kombination mit den Klängen aus den Piano- und Synth-Abteilungen fügt sich die Organ jetzt besser ins Klangbild ein. Einfluss auf den neuen Klangeindruck hat vor allem die verbesserte Rotary-Speaker-Simulation. Im Vergleich zum Vorgänger unterscheidet sich besonders das Schrauben am DRIVE-Parameter hörbar: Beim Verzerrungsgrad wird jetzt noch eine Schippe draufgelegt, was das Spektrum an rauen B3s erweitert. Feinheiten wie das „Harmonic Foldback“ der Tone-Wheels, den Key-Click, die Percussion oder das Andrehen der virtuellen Leslie-Rotoren leistet das Stage 2 natürlich ebenso, wie auch eine amtliche Vibrato/Chorus-Einheit geboten wird.
Die Bedienung der Orgel über die Nordtypischen Buttons und LED-Ketten klappt gewohnt gut und hat sich bereits als echte Alternative zur klassischen Zugriegelgruppe erwiesen. Spieler, für die die hochkarätige Orgelsektion des Stage 2 kaufentscheidender als die Piano-Abteilung ist, sollten unbedingt zum Modell Nord Stage 2 SW73 – auch „Compact“ genannt – greifen, das eine halb-gewichtete Waterfall-Tastatur besitzt. Orgeltypische Glissandi lassen sich an den größeren Stage-2- Modellen durch deren Hammermechanik nämlich kaum mehr zufriedenstellend umsetzen.
№4 2017
- Modular Kolumne
- FOO FIGHTER RAMI JAFFEE
- INTERVIEW MIT MATT BLACK VON COLDCUT
- OMD
- Look Mum No Computer
- Beardy Guy von Walk Off The Earth
- STAGEPIANOS: DIE NEUE EINFACHHEIT
- Ungesichert: Fusebox
- Touché! Ein sehr sensibles Brett!
- Inside Clavia: Besuch in Stockholm
- REISE ZUM URSPRUNG DER SYNTHESE
- DIE HAMMOND-STORY
- Transkription: Chilly Gonzales – Solitaire
Klassischer Synthesizer
Viele Features vom Clavia-Synth Nord Wave hat die 18-stimmige Synth-Sektion des Stage 2 erhalten – damit wird dieser Bereich gegen- über dem Stage EX am deutlichsten aufgewertet. Geblieben ist der leistungsfähige Mix aus virtuell-analoger bzw. subtraktiver, 3-OperatorenFM- sowie Wavetable-Synthese. Unter anderem besitzt der Stage 2 ausgezeichnet klingende 12- und 24-dB-Tiefpass- sowie ein HochpassFilter, die sich auch superleicht zu Bandpass oder Notch verschalten lassen. Ansonsten kommen ausgewählte und wirkungsvolle Syntheseparameter zum Einsatz, die allesamt direkt auf der Bedienoberfläche verändert werden können.
Neu ist beim Clavia Nord Stage 2 der Einsatz von Samples in der Synth-Sektion. Dafür gibt’s im Nord Stage 2 einen 380 MB großen Flash-Speicher, in den beliebige Klänge aus der NORD SAMPLE LIBRARY (auf DVD im Lieferumfang, Test KB 4.2010) geladen werden können. Allerdings verschreibt sich auch diese Bibliothek fast voll und ganz der Reproduktion von Sounds klassischer Tasteninstrumente: So gehören Sampleserien von etlichen Klängen der Tape-basierten Instrumente Chamberlin und seines Nachfolgers Mellotron zu den Aushängeschildern der Library; üppig vertreten sind auch Sounds von Synthi-Meilensteinen wie DX7II, Minimoog, Prophet-5 sowie auch von Clavias eigenen Nord Leads. Moderne Workstation-Sounds finden sich dagegen kaum, einzig der orchestrale Bereich wird mit guten Strings und Bläsern einigermaßen abgedeckt. Sehr durchschnittlich geraten sind die – wenigen – Klänge von Gitarren und Bässen. Chöre, Akkordeons, Kirchenorgeln und chromatische Percussion deckt die Library noch einigermaßen ab, Drums dagegen zählen (zurzeit) nicht zum Repertoire.
Eine weitere Neuerung ist der ARPEGGIATOR. Er ist auf die klassischen Up-, Down-, Up/Downund Random-Arpeggios über beliebige Oktaven beschränkt, bietet aber einen RATE-Regler oder auch die Master-Clock-Synchronisierung. Weil am Stage 2 zudem der LFO sowie verschiedene Modulationseffekte der Master-Clock gehorchen, lassen sich hier komplexe rhythmische Effekte – ganz aufeinander abgestimmt – realisieren.
Effekte fix hinzuschalten
Über ein eigenständiges Bedienfeld werden die Effektblöcke des Stage 2 auf die verschiedenen Soundsektionen verteilt. Für Letztere getrennt einstellbar sind die Blöcke EFFECT 1 (WahWah, Pan, Ringmodulator, Tremolo), EFFECT 2 (Chorus, Flanger, Phaser), DELAY, und AMP SIMULATOR/- EQUALIZER (Roland Jazz-Chorus, Wurlitzer 200A, Fender Twin Tube oder alternativ ein 3-BandEQ). Sogar der Rotary-Effekt, der in der OrganSektion untergebracht ist, lässt sich übrigens per Knopfdruck auch auf Piano- und Synth-Sounds anwenden. Systemeffekte sind ein COMPRESSOR und ein REVERB mit sechs Typen.
Die Klangqualität ist wie gewohnt sehr gut, und die Effects 1 & 2 sowie die Delays werden nochmals durch die Master-Clock-Synchronisation aufgewertet. Zu wünschen übrig lassen lediglich die etwas zu lieblosen, unrealistischen Übergänge zwischen den Slow- auf Fast-Drehgeschwindigkeiten beim Leslie – hier ist das Stage 2 nicht entscheidend besser geworden als sein Vorgänger.
Leistung auf der Bühne
Jede der drei Klangsektionen PIANO, ORGAN und SYNTH ist am Stage 2 doppelt vorhanden, sodass sich komplexe Split/Layer-Setups mit bis zu sechs Sounds erstellen lassen. Zu diesem Zweck besitzt das Instrument zwei sogenannte SLOTS A und B: Jeder verwaltet seine eigene Konfiguration aus einem Piano-, Organ- und Synth-Sound inklusive aller Effekt- und Controller-Einstellungen sowie maximal zwei Tastatursplits; zudem gibt es eine vierte Sektion EXTERN mit eigenem Bedienfeld, die Sounds per MIDI kommunizierender Klangerzeuger ins Setup einbindet.
Damit man beide Slots mit ihren individuellen Einstellungen jederzeit kombinieren kann, sind ihnen die eigentlichen Soundspeicher des Stage 2 – die PROGRAMS – übergeordnet: Jedes Program, von denen es 400 gibt (Stage EX: 126), organisiert also zwei Slots mit ihren individuellen Piano-, Organ-, Synth-, Effekt- und External-Einstellungen. Pro Slot stehen die gleichen drei Tastaturzonen zur Verfügung.
Die beiden Split-Punkte zwischen den Zonen LOWER, UPPER und HIGH können nicht völlig frei, aber in sinnvollen Bereichen (C und F in jeder Oktave) gesetzt werden; überlappen können sich die Zonen aber nicht. Eine Einschränkung bei der Verteilung der internen Sounds auf die Zonen (bis auf das 2er-Maximum pro Sektion) gibt es lediglich bei den Orgeln: Es kann immer nur ein Tone-Wheel-Typus (entweder B3, Farfisa oder Vox) aktiv sein.
Alle 400 Programs sind überschreibbar. Ab Werk gibt es 300 verschiedene Presets, die den Sounddesignern sehr gut gelungen sind. Neben jeder Menge amtlicher Standardklänge aus den drei Sektionen bringen die fantasie- und geschmackvollen Layer-Kombinationen – trotz des eigentlichen Vintage-Ansatzes des Stage 2 – „frischen Wind“ in die Bühnenkeyboard-Landschaft. Sehr gelungen sind die Einbindung von Arpeggien und die vielfältigen stufenlosen Modulationen an Filtern, Effekten oder gleich ganzen Oszillatoren, die der Spieler per Modulationsrad, Aftertouch oder Drehreglern vornimmt.
Insgesamt bietet das Nord Stage 2 aufgrund der vielen Echtzeitregler in den separierten Sektionen einen hohen Bedienkomfort auf logisch aufgebauter Bedienoberfläche. Manches wäre aber durch ein größeres Display inklusive einiger Funktionsbuttons einfacher geworden – zum Beispiel die umständlich gelöste CATEGORY-Sortierung der Programs oder die auf den ersten Blick nicht unbedingt ersichtliche Bestückung der Slots mit Sounds.
Fazit
Die Nord-Stage-Serie wurde in entscheidenden Punkten aufgewertet. Pianisten werden sich auf den neuen 76er- und 88er-Tastaturen und angesichts der größeren Anzahl gleichzeitig verfügbarer Flügel- und Klaviersounds am Stage 2 deutlich wohler fühlen als am Vorgänger. Während sich die Verbesserungen an der Orgel-Sektion in Grenzen halten, hat der Synthesizer-Bereich durch die neue Sample-Abteilung und den Arpeggiator ebenfalls stark profitiert. Mehr Flexibilität auf der Bühne lässt natürlich auch die erheblich gestiegene Anzahl an Programs zu.
Das Nord Stage 2 bleibt wie sein Vorgänger ein Spezialist: konzentriert auf die möglichst originalgetreue Reproduktion der Sounds spezieller akustischer Pianos, der Hammond B3 sowie ausgewählter Vintage-Synths und -Keyboards; das Ganze zusammen mit einem quasi-analogem Benutzerinterface in einem einzigen, sehr gut verarbeiteten und kompakten Gehäuse verpackt. Clavias Bühnenflaggschiff ist als Stagepiano-Organ-Synth-Kombi im Jahr 2011 ein konkurrenzloses Instrument. Freilich verlangen die Schweden dafür denn auch so viel wie die Japaner für ihre aktuellen Oberklasse-Workstations.
Plus/minus
+ einzigartiges Konzept
+ sehr leistungsfähige Klangerzeugungen
+ flexible Effekt-Sektion
+ komfortable Bedienung
+ kompakte Bauweise
– zu kleines Haupt-Display
– kein USB-to-Device