Rückschau auf den Vorgänger des Nord Piano 3

Clavia Nord Piano 2 – Stagepiano im Test

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Nord Piano 2

Keine zwei Jahre nach der Vorstellung des ursprünglichen Nord Pianos brachte Clavia bereits einen Nachfolger in den Handel. Dieser ergänzte weitere Features aus der Nord-Stage-Serie kombiniert mit einem deutlich höheren Preis. Im folgenden könnt ihr unseren Testbericht zur Revision 2 noch einmal nachlesen. Viele Kritikpunkte des Modells wurden mittlerweile mit Erscheinen des Clavia Nord Piano 3 aus der Welt geschafft.

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Das puristische Nord Piano (Test in KB 4.2010) bietet eine samplebasierte Klangerzeugung mit einem 500 MB großen Speicher für jede Menge Grands, Uprights und E-Pianos aus der sehr guten Nord-Piano-Library. Beim neuen Nord Piano 2 hat Clavia Optik, Abmessungen und Materialien des wertig und robust verarbeiteten Vorgängers beibehalten. Es besitzt weder einen größeren Flash-ROM-Speicher für Piano-Sounds noch mehr Stimmen oder gar eine andere Tastatur. Neu aber ist eine Sample-Synthesizer-Sektion nach dem Vorbild derer des großen Bruders Nord Stage 2. Damit einhergehen Splitund Layer-Möglichkeiten, womit Clavia den Kritikpunkt des Vorgängermodells beseitigt.

Neues aus der Bibliothek

Das Nord Piano 2 lässt sich wie der Vorgänger freier als andere Stagepianos mit Sounds bestücken. Die Klänge des internen Flash-ROM entstammen der umfangreichen, über 2 GB großen Nord-Piano-Library, deren Sounds dem User auf zwei mitgelieferten DVDs oder jederzeit im Online-Angebot von Clavia zur Verfügung stehen. Die Bibliothek wird ständig vom Hersteller erweitert und bietet zurzeit (Version 5.3) allein je sieben unterschiedliche Flügel- und Klavier-Klänge. Theoretisch passen sie alle zugleich in den Flash-Speicher – allerdings dann nur in ihrer jeweils abgespecktesten Version:

Clavia stellt nämlich jedes A-Piano-Multisample in mindestens drei verschieden großen Varianten bereit. Klangdetails wie Saitenresonazen sowie das volle Sample-Mapping sind den speicherintensivsten Files vorbehalten. Die beiden Top-Flügelklänge „Bright Grand“ und „Grand Imperial“ als aktuellste Sounds der Library gibt es sogar in den vier Versionen „Extra Large“ (88-Tasten-Samples), „Large“, „Medium“ und „Small“; als XL-Sound bringt es beispielsweise das „Bright Grand“ auf 195,9 MB, in der Small-Fassung auf nunmehr 43,8 MB. Verwendet man nur jeweils die höchste Qualität, ist der Piano-Speicher mit den drei ersten Flügelklängen der Library plus drei E-Pianos schon komplett gefüllt; geht man Kompromisse bei den Klangdetails ein und wählt öfter mal „Medium“ oder „Small“ (wie für die Werksauswahl der Klänge geschehen), passt dagegen ein sehr abwechslungsreiches Piano-Sound-Arsenal ins Instrument.

Beide neuen Flügelklänge, hinter denen sich die Sounds eines Yamaha-S4-Konzertflügels und eines 2,90 Meter langen Bösendorfer Imperials verbergen, sind eine große Bereicherung für die Klangbibliothek. Sie bieten eine hohe Dynamik und leben durch einstellbare Saitenresonanzen und Pedalgeräusche auf; auch im Diskant tönen sie, vor allem in der höchsten Auflösung, keineswegs zu dünn. Außerdem unterstützen sie das Feature Long Release, das sich am Nord Piano 2 direkt auf dem Bedienfeld hinzuschalten lässt. Kleine Schwierigkeiten hat Clavia auch bei den neuen Flügelsounds noch mit dem Ausklang, der bei lange gehaltenen Akkorden weniger realistisch rüberkommt, als die Konkurrenz aus Japan ihn mittlerweile zu imitieren imstande ist.
Die Polyfonie ist bei 40 bis 60 Stimmen, abhängig vom jeweils gespielten Multisample, geblieben. Das klingt mager, allerdings kann man auch am Nord Piano 2 ohnehin keine Sounds aus der Piano-Abteilung miteinander layern, und die dynamische Stimmenzuweisung arbeitet sehr effizient. Nach wie vor werden aber liegen gelassene Klänge der monotimbral ausgelegten Piano-Sektion beim Umschalten abgeschnitten (genauso verhält es sich mit den Sounds der

Synth-Sektion). Was sich bereits in der Akustikpiano-Abteilung andeutet, kommt bei den E-Pianos, die ebenfalls zur Piano-Sektion gehören, noch mehr zum Tragen: Das Konzept „Simulation von Vintage-Keyboards“ geht bei den Fender-Rhodes-, Wurlitzer- und CP-80-Pianos sowie den Hohner-D6-Clavinet-Klängen voll auf. Insbesondere die Rhodes’ sind in den wesentlichen Versionen aus allen Modelljahrgängen vertreten, und im Gegensatz zu den samplebasierten Klängen vieler anderer Digitalpianos erklingen diese hier meist voll, warm und zugleich mit dem nötigen Vintage-Schmutz, der viel zu ihrem Charme beiträgt. Einige gute Cembalo-Klänge, darunter der mit 15,3 MB speicherintensivste Klang dieses Library-Bereichs, komplettieren die Auswahl. Die Tastatur ohne Aftertouch und mit in drei Anschlagkurven anpassbarer Dynamik ist die des Vorgängermodells. Mit ordentlicher Gewichtung und fühlbar zu Werke gehender Hammermechanik-Nachbildung spielt sie sich realistisch und überzeugt mit guter Repetition. Eine sehr gute Dreier-Fußpedal-Einheit mit Anti-Rutsch-Matte gehört zum Lieferumfang. Optional werden weiterhin der direkt unter das Gerät zu montierende Keyboard-Stand EX, ein Notenständer und ein Soft-Case angeboten.

Synth-Abteilung an Bord

Mit dem Nord Piano 2 hält eine samplebasierte Synthesizer-Sektion Einzug in die Serie. Klänge aus der Nord-Sample-Library (DVDs im Lieferumfang bzw. via Download; Test in KB 4.2010) können in die Sektion SAMPLE SYNTH geladen werden. Dafür stehen 128 MB an separatem Speicherplatz bereit. Die Synth-Sektion arbeitet unabhängig von der Piano-Sektion und bringt ihre eigenen 15 Stimmen mit – für Flächenklänge hätten es gern etwas mehr sein dürfen. Die zweite Nord-Bibliothek widmet sich vor allem der Reproduktion von Sounds klassischer Tasteninstrumente: Viele Klänge der Tape-basierten Instrumente Chamberlin und Mellotron sowie von Synth-Meilensteinen wie DX7II, Minimoog, Prophet-5 oder Clavias eigenen Nord Leads sind darin versammelt.

Standard-Workstation-Sounds gibt es eher sporadisch – ein paar sehr gute Natur-Strings, Chöre und Solo- wie Section-Bläser sind darunter, Gitarren und Bässe sind eher Durchschnittsware. Auch Akkordeons, sehr spezielle Transistor- und Kirchenorgeln sowie chromatische Percussion und neuerdings ein paar Synth-Drums gehören zum Angebot. Der Nord Sample Editor (Test KB 2.2008) für PC und Mac – ebenfalls im Lieferumfang – ermöglicht das Schneiden, Loopen und Mappen beliebiger anderer Samples (WAV-Format), die dann als „Sample Instruments“ ebenfalls ins Flash-ROM geladen werden können. Maximal 99 Sample-Instruments für die Synth-Gruppe passen in das Nord Piano 2.


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Klänge doppeln jetzt möglich

Der eingebaute SAMPLE SYNTH wird über ein eigenes Bedienfeld und weitere neue Buttons ins Piano integriert. So kann der jeweils aktive Sound dieser zweiten Sektion mittels der drei Knobs LEVEL, ATTACK und RELEASE sowie eigener OCTAVE-SHIFT-Buttons unabhängig von einem gleichzeitig aktiven Klang aus der Piano-Gruppe kontrolliert werden. Die Piano- und die Synth-Sektion können jeweils über einen weiteren Taster aktiv geschaltet werden – so erhält man einen Layer. Die KBD-SPLIT-Buttons liegen im zentralen Bedienfeld über dem Hauptdisplay – hier lässt sich wählen, welche der beiden Sektionen in welcher Tastaturhälfte erklingt; der Split-Punkt ist einstellbar. Splits und Layer innerhalb der Piano- oder der Synth-Sektion sind nicht möglich. Als „Wiedergutmachung“ liefert aber auch die Synth-Library einen S4-Akustikflügel sowie diverse E-Piano-Sounds, darunter FM-Artiges – allesamt bestens geeignet für Keyboard-Layer-Sounds, die man ständig gebraucht.

Auch die internen Effektblöcke werden auf der Bedienoberfläche wie hinzuschaltbare Module behandelt. Vom ersten Nord Piano bekannt sind der REVERB-Block, EFFECT 1 (Tremolo, Auto- Panning, WahWah) sowie EFFECT 2 (Phaser, Flanger und Chorus), außerdem MPLIFIER/COMPRESSOR (virtuelle Amps und Speaker-Cabinets) und ein 3-BAND-EQUALIZER mit parametrischen Mitten. Neu ist eine DELAY-Einheit, zu der ein TAP-TEMPO-Taster gehört, mit dem sich dieGeschwindigkeit der Echos bequem verändern lässt.
Alle Effekte besitzen eine sehr gute Qualität, und es gibt jeweils Live-Regler für die Effekt-Intensität bzw. die EQ-Bänder. Im Gegensatz zum Vorgängermodell sind die meisten Effekte jetzt stereo ausgelegt. Neu in der AMPGruppe ist ein „Stereo Tube Compressor“, der Klänge gut zum „Braten“ bringen kann. Überhaupt arbeitet der Drive-Parameter bei den Amp-Effekten sehr überzeugend, denn die Sounds büßen beim Verzerren kaum an Volumen und Wärme ein. Der Effektblock kann entweder der Piano oder der Synth-Sektion zugewiesen werden; beides zugleich ist zwar nicht möglich, aber bei ohnehin nur zwei gleichzeitig spielbaren Sounds ist immer genug Effekte-Auswahl vorhanden.
Im Program-Modus kann man sehr viel aus dem Nord Piano 2 herausholen, selbst wenn man nur wenige hochauflösende Multisamples geladen hat. Solo-Sounds, Splits oder Layer mit Effekt-, Transpose- und Tastatureinstellungen werden als PROGRAMS gespeichert. Davon besitzt das Nord Piano 2 gleich 240 (Nord Piano: 120). Im Program kann zum Beispiel auch festgelegt werden, welche Sektion das Sustain-Pedal beeinflussen soll oder ob ein Volume-Pedal auch die Piano-Sounds oder nur die Sample-Abteilung ein- und ausblenden soll. Was dem Nord Piano 2 fehlt, ist eine Klangbearbeitung in Form der subtraktiven Synthese; einzig durch die Attack- und Release-Parameter der Synth-Abteilung kann der User Einfluss auf die Klangentwicklung nehmen. Der LIVE MODE ist schon vom Vorgänger bekannt: Wer Veränderungen an einzelnen Programs vornimmt, braucht sich erst einmal nicht um die Datensicherung zu kümmern – denn separate Live-Program-Speicher sichern die jüngsten Neueinstellungen in bis zu fünf Programs automatisch. Ist der Spieler mit einem dieser Resultate zufrieden, kann er es später als festes Program ablegen. Den NORD SOUND MANAGER für Mac und

Windows (Lieferumfang) hat Clavia in der Version 6.26 weiter verbessert. Samplesounds lassen sich in den Programs jetzt etwas leichter austauschen, und es wird eine gute Übersicht geboten, welche Multisamples in welchen Programs verwendet werden.

Nord_Piano_2_Detailkasten

Fazit

Die Stärke des Nord Piano 2 ist neben der professionellen Fertigung und der guten Tastatur bei gleichzeitiger Kompaktheit sowie eines geringen Gewichts die große Auswahl an charaktervollen Akustikpiano-Klängen, die dem Spieler durch den offenen Flash-Speicher in Verbindung mit der Nord-Piano-Library geboten wird. Mit der Synth-Abteilung an Bord wird das Soundspektrum deutlich erweitert, User-Splits und -Layer sind jetzt möglich. Einfach nur stark sind die Effektmodule, die eine große Bandbreite wichtiger Keyboard-Effekte in gehobener Live-Qualität liefern. Spielern, die auf die insgesamt recht spezielle Sample-Synth-Abteilung verzichten könnten, hätte Clavia jedoch ruhig das schnörkellosere erste Nord Piano weiterhin anbieten dürfen. Denn die Neuerungen des Nord Piano 2 bezahlt man mit einem stolzen Aufpreis (ca. 500 Euro mehr als für den Vorgänger, gemessen am Straßenpreis). Das Nord Piano 2 hat Charakter und ist anders – doch im Stagepiano-Marktsegment konkurriert es mit den in mancher Hinsicht besser ausgestatteten und teilweise noch etwas günstigeren Instrumenten Kawai MP10, Roland RD-700 NX und Yamaha CP5. Auch angesichts dessen liegt der Preis des schicken roten Schweden auf einem hohen Niveau.

Der aktuelle Gebrauchtmarktpreis des immer noch mehr als brauchbaren Nord Piano 2 liegt zur Zeit bei knapp 1.500,– Euro.

www.clavia.se

www.soundservice.de

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