Arturia SQ80 V – Software-Synthesizer im Test
Arturias V Collection ist längst die Sammlung der Wahl, wenn es um Software-Nachbildungen renommierter elektronischer Instrumente und insbesondere Synthesizer geht. Naturgemäß weckt eine solche Kollektion immer neue Begehrlichkeiten. Von daher darf man sich nun über die Emulation des Ensoniq SQ80 von 1988 freuen, die vorerst nur als Einzelinstrument zu haben ist – für Windows und macOS, lauffähig standalone und in den gängigen nativen Plug-in-Formaten.
Der SQ80 von 1988 ist ein typisches Kind seiner Zeit. Wer es erlebt hat: Im gleichen Jahr ging der DX7 in die zweite Runde, Roland hatte mit dem D-50 (1987) einen Kassenschlager und Korg mit der M1 (1988) die erste Workstation im Programm. Somit waren die Träume vieler Keyboarder in dieser Zeit eher digital. Analoge Klangsynthese war hingegen teuer und nicht unbedingt en vogue. Gleichzeitig war Sampling das große Thema, finanziell aber entweder unerreichbar, reduziert oder nicht in der gewünschten Form als spielbares Instrument zu haben. Synthesizer mit digitalen Wellenformen versprachen neue Klangfarben.
Ensoniq hatte mit dem Einsteiger-Sampler Mirage 1985 bereits einen ersten Erfolg erzielt und mit dem ESQ-1, dem Vorgänger des SQ80, seit 1987 ein digitalanaloges Hybrid-Instrument im Angebot. Der achtstimmige SQ80 selbst ist eine aufgemotzte Version des ESQ-1 mit polyfonem Aftertouch. Treibende Kraft ist der Motorola MC6809E und der 8-Bit-Chip DOC 5503 für die digitale Oszillatorsektion. Die Grundvoraussetzungen stimmten, denn das achtstimmige Instrument bot pro Stimme gleich drei digitale Oszillatoren, die um analoge Filter, üppige Modulationen und einen integrierten Sequenzer komplettiert wurden. Pech nur, dass der 16-stimmige multitimbrale, samplebasierte M1 die Forderung der meisten Keyboarder nach Imitaten realer Instrumente deutlich besser erfüllte – echte Synthesizer wie der SQ80 hatten es in dieser Zeit da vergleichsweise schwer.
Aus heutiger Sicht ist die gebotene Klangerzeugung jedoch ein begehrenswertes Konzept, das in unterschiedlichen Variationen bis heute regelmäßig aufgegriffen wird, etwa im Sequential/DSI Prophet 12 oder in den Waldorf-Modellen Quantum und M.
Klangerzeugung
Trotz Multimode und Sequenzer sollte man den SQ80 nicht als Workstation bezeichnen, da der Klangfundus klar auf synthetische Sounds abzielte. In der vorliegenden virtuellen Version greift Arturia auf die bewährte eigene komponentenbasierte Modellierung des Originals zurück (TAE) und erweitert das Resultat in einigen wichtigen Punkten: verdoppelte Polyfonie, mehr Wellenformen, interne Effekte, Unisono-Betrieb, ein Arpeggiator, erweiterte Hüllkurven, einen sogenannten Mod-Mixer und MPE-Kompatibilität.
So bietet der SQ80 in der virtuellen Version bis zu 16 Stimmen, die zudem konfigurierbar und mit regelbarer Verstimmung unisono betrieben werden können. Die drei über mehrere Oktaven stimmbaren Oszillatoren pro Stimme verfügen über eigene modulierbare VCAs – eine Funktion, die man seinerzeit mit dem Titel »Crosswaves« belgte. Ergänzend können die ersten beiden Oszillatoren miteinander synchronisiert werden. Dazu kann Oszillator 1 seinen Nachbarn in der Amplitude modulieren. Die Summe dieser Signale gelangt in das analoge, vierpolige resonanzfähige Tiefpassfilter, im Original ein CEM3379, der auch gleich die erwähnten VCAs für die Oszillatoren liefert. Und von dort wandert das Signal in einen stereofonen VCA (CEM3360 im Original), der bei Bedarf Panning-Effekte liefert.
Der Wellenform-Fundus des SQ80 V wurde gegenüber dem Original (75 Wellenformen) erweitert. Seit jeher sind die 32 Kurven des ESQ1 enthalten, um eine Rückwärtskompatibilität zu wahren. Ergänzend finden sich aber noch sogenannte Hidden-Kategorien für SQ80 und ESQ-1 – ungewollte und eher ungewöhnliche Wellenformen, die durch einen Fehler bei der Amplituden-Modulation in beiden Hardware-Modelle entstanden. Wichtiger aber ist die Integration der sogenannten Transwaves aus dem Folgemodell VFX von 1989. Hierbei handelt es sich um modulierbare Wellensätze, die etwa 100 Single-Cycle-Kurven hintereinander platzierten und die beim Auslesen bereits Bewegung auf Oszillatorebene generierten – ein Konzept, dass Ensoniq mit späteren Synthesizern wie dem TS-10 und dem Fizmo weiter kultivierte.
Abschließend folgt eine Effektsektion mit vier bestückbaren Slots. Zur Auswahl stehen dabei 15 Algorithmen: Delays, Reverb, Modulations- und Dynamikeffekte aber auch Filter, Overdrive, Bitcrusher und ein Autopanner – ein echter Mehrwert gegenüber dem Original, zumal sich die Parameter ebenfalls modulieren lassen.
Bei den Modulationen bietet der SQ80 V eine Vollausstattung: Es gibt drei bei Bedarf temposynchrone LFOs mit etlichen Kurvenformen, vier flexibel konfigurierbare Hüllkurven, die sich in drei Betriebsarten (Ensoniq, DADSR und Mehrsegmenthüllkurven mit Loopfunktion) nutzen lassen. Hinzu kommen ein Modulationsmixer sowie etliche MIDI- und Key-Scaling-Funktionen. Der SQ80 V ist also bestens für eine dynamische Steuerung sowie komplexe Klangverläufe geeignet. Die entsprechenden Modulatoren werden dabei einfach am Ziel aus einer Liste selektiert und individuell in der Intensität justiert.
Praxis
Das weitgehend reglerlose Bedienkonzept des Originals entsprach dem damaligen Zeitgeist, war aber durchaus passabel gelöst. Die Software ist allerdings aufgrund ihrer üppigen und Displayfläche mit Grafiken klar im Vorteil, dazu skalierbar. Man wechselt zwischen den Bereichen Instrument, Synthesis und Effects sowie dem Preset-Browser. Letzterer bietet Zugriff auf 200 kategorisierte Presets mit vier Makroreglern für den Schnellzugriff. Wer Klänge programmiert oder editiert, hält sich hingegen im Synthesis-Bereich auf, der sauber unterteilt und dazu mit animierten Wellenformen-Darstellungen und Kennzeichnungen für die Modulationsintensitäten und deren Auswirkungen aufwartet. Das funktioniert bestens und mit guter Übersicht sowie Steuerbarkeit über MIDI-Controller und möglicher Parameterautomation. Power-Anwender profitieren zusätzlich von Kopierfunktionen und Undo/Redo.
Den Pattern-Sequencer der Hardware gibt es hier nicht, da der SQ80 V auf Multitimbralität verzichtet und man diese über mehrere Instanzen im Rechner erreichen kann. Hingegen gibt es einen simplen Arpeggiator, der leider nur in der Instrumenten-Darstellung justier- und schaltbar ist.
Klang
Wie die Originale liefert der SQ-80V vor allem elektronische Sounds – eine vielfältige, spannende Mischung aus klassischen und eher groben digitalen Klangelementen, die sich variabel kombinieren, mischen und dynamisch modulieren lassen. Durch die Kombination von Klangkomponenten ergeben sich markante und oftmals bewegte Klänge, die wiederum klassisch gefiltert werden können. Der Grundklang ist roh und offen, gleichzeitig aber auch ausgewogen und nicht betont aggressiv, was sich allerdings durch Hinzunahme von Bitcrusher und Overdrive aus der Effektsektion ändern lässt. So lassen sich sowohl subtraktive als auch digitale Sounds gut umsetzen. Der SQ80 V hat dabei einen eigenen Charme, mit dem er sich von rein analogen und von »PPG-Sounds« abgrenzt.
Unter den Presets finden sich so gut wie keine Naturimitate, sondern vielmehr röchelnde, hauchende und teils klassische Klänge. Der SQ80 V kann warm, metallisch, glockig und ungewöhnlich. Das ist dem Wellenform-Vorrat geschuldet, der neben subtraktiven Standards eben auch disharmonische metallische, additive und resynthetisierte Wellenformen sowie Rauschen enthält. Sync- und Amplitudenmodulation erlauben weitere Klangvariationen.
Bässe und knackige Sequenzen sind durchaus möglich, ebenso Solosounds, für die natürlich eine Portamento-Funktion bereitsteht. Die drei Oszillatoren und der mögliche Unisono-Modus sorgen für Schub, während sich die Hüllkurven präzise abgleichen und wie die LFOs für temposynchrone Modulationen nutzen lassen. Selbst moderne Unisono-Stacks für den EDM-Bereich gelingen mit dem SQ80 V. Auch geräuschhafte Klänge sind in vielfältiger Form umsetzbar, indem man auf entsprechende Wellenformen zurückgreift.
Vor allem aber liegen die Stärken dieses Synthesizers bei dessen umfassenden Modulationen und Optionen zur dynamischen Steuerung. Das gilt insbesondere für Flächen und sich entwickelnden szenischen Klängen, die oftmals düster ausfallen. Als vorteilhaft entpuppt sich immer wieder die Möglichkeit, einen andickenden Chorus zuschalten zu können. Dank der Modulationsmöglichkeiten kann man sich in diesen Kategorien bestens austoben. Schnell fällt dabei auch auf, wie wertvoll die zusätzlichen Transwaves sind, mit denen sich interessante und bewegte Klänge schon direkt auf Oszillatorebene finden lassen, bei denen das Filter eine eher untergeordnete Rolle spielt.
Apropos Filter
Es stellt für mich kein klangliches Highlight dar, sondern hilft eher, den Obertongehalt sinnvoll zu kontrollieren und bei Bedarf zu betonen.
Generell empfinde ich die gebotenen Klangfarben auch heute noch spannend und weniger verbraucht als etwa die markanten Sounds von Rolands D-Serie, deren transientenbasierte Komponentensynthese weniger zu den Stärken des SQ80 gehört. Dies gilt umso mehr, wenn man sich aufmacht, um eigene Klänge zu programmieren. Es lohnt sich.
Fazit
Mit dem SQ80 V hat Arturia einen interessanten Hybrid-Synthesizer in die virtuelle Welt portiert. Liebevoll gestaltet sowie um gleichermaßen sinnvolle und praxisgerechte Funktionen erweitert, ist dieses Instrument ein Garant für eigenständige Klänge, obwohl das Original bereits mehr als 30 Jahre auf dem Buckel hat. Arturia sorgt durch die Extras für einen erweiterten Fundus mit Fokus auf elektronischen Klängen, der stilecht in der Ensoniq-Welt verbleibt – von ESQ-1 bis VFX mit zusätzlichen Effekten. Die besonderen Stärken dieses Synthesizers liegen bei Flächen, Soundscapes und digitalen polyfonen Sounds mit 80s-Flair. Die Bedienung ist bestens gelöst, sodass der virtuelle SQ80 abseits des fehlenden Analogfilters gegenüber dem Original im Vorteil ist. Besitzer der V Collection erhalten den SQ80 V für günstige 99 Euro, als Einzelinstrument kostet das Plug-in 199 Euro. Für mich eine klare Empfehlung. Wer skeptisch ist, sollte die Demoversion ausprobieren. Weiter so, Arturia!
Hersteller/Vertrieb: Arturia
UvP: ab 99 Euro, 199 Euro (Vollversion)
Internet: www.arturia.de
Unsere Meinung:
+++ verbesserte Bedienoberfläche
+++ umfassende Modulationen
+++ ergänzende Wellenformen und Transwaves
+++ integrierte Effektsektion