Arturia Producer Pack 49
Deutsch-französische Freundschaft. Arturia brachte in den letzten Jahren eine Vielzahl von sogenannten „Hybrid-Synthesizern“ auf den Markt. Dabei handelt es sich um Controller-Keyboards, die in Verbindung mit den hauseigenen Klangerzeuger-Plug-Ins ein bestens abgestimmtes Team bilden. So sind alle Bedienelemente der Hardware schon passend den verschiedenen Parametern der Sound-Patches zugewiesen. Wir sind also gespannt, wie der Hersteller dieses Kommunikationsprotokoll auf den Software-Sequenzer „Bitwig Studio“ ausweitet.
Der „Producer Pack“ setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen. Die Hardware-Komponente bildet ein Controller-Keyboard aus Arturias „KeyLab“-Serie, das entweder mit 25, 49 oder 61 Tasten erhältlich ist. Diesem Controller ist der virtuelle Klangerzeuger „Analog Lab“ beigelegt. Der französische Hersteller packt für dieses Bundle noch das Software-Instrument „mini V“ oben drauf.
Von deutscher Seite her steuert die Firma Bitwig ihren Software-Sequenzer namens „Bitwig Studio“ bei. Obacht bitte: Es handelt sich hier nicht um eine eingekochte Light-Version der DAW! Bitwig Studio ist hier in vollem Umfange enthalten, was schon für sich allein betrachtet eine vielseitige und leistungsfähige Software ist, mit der sich Musik aufnehmen und arrangieren lässt.
Die Berliner waren schon von Anfang an für eine hohe Kollaborationsbereitschaft mit Hardware-Herstellern bekannt, und inzwischen findet sich auf der Homepage eine Vielzahl von Skripts, die eine direkte Integration von Controllern aus dem Hause Livid, Nektar, Akai, Korg oder Novation ermöglichen.
Bitwig Studio
Was diese DAW für gerade Keyboarder interessant macht, darüber haben wir vor Kurzem bereits berichtet, daher hier nur das Wichtigste in Kurzform – mehr Infos über Bitwig findest du auf unserer Website.
Bitwig ist ein umfangreicher Audio/MIDI-Sequenzer, der auf modernen Workflow ausgerichtet ist: Audio- oder MIDI-Clips in den Clip-Launcher ziehen und Loop-basierte Grooves und Live-Arrangements zusammenbauen. Der Clou ist, dass Bitwig dieses von Ableton Live adaptierte Arbeiten mit der konventionellen Objekt-orientierten Arbeitsweise in der linearen Sequenzer-Arrangement-Darstellung sehr clever kombinieren kann. Das experimentelle Ausarbeiten von Loop-Layers und das lineare Recording sind nicht einmal „nur einen Klick“ voneinander entfernt, sondern stehen parallel zur Verfügung. Außerdem liefert Bitwig bereits ein kleines Besteck an Klangerzeugern und Effekten mit, die sich über das Container-System flexibel nutzen lassen. Mit den Track-Container z. B. ist eine für Keyboarder wichtige Funktion implementiert, die das Layern und Morphen mit bis zu vier Klangerzeugern pro InstrumentenSpur erlaubt – ein bisschen Masterkeyboard-Controller ist also schon mal eingebaut. Aber Bitwig Studio kann natürlich noch viel mehr.
Da das KeyLab 49 nicht mehr ganz brandneu ist, sehen wir uns das gute Stück im Schnelldurchlauf an. Wie von den meisten Arturia-Modellen her gewohnt, ist das Gehäuse mit einem stabilen Metallchassis und hölzernen Seitenteilen ausgestattet. Solide Verarbeitung, umfangreiche Ausstattung für die Handhabung der Arturia-Software, aber auch der DAW-Funktionen.
Vintage Park Eingebaut!
Bleiben wir vorerst noch auf französischer Seite und sehen uns den von Arturia beigesteuerten Teil des Software-Pakets an. Zum ei – nen ist dies „Analog Lab“. Die Sound-Library, die mit verschiedensten Arturia-Controllern angesteuert werden kann, ist schon seit einiger Zeit im Arturia-Programm. Das Tolle daran: Die Sounds werden von den Software-Engines der beliebten Arturia-Vintage-Clones erzeugt und klingen entsprechend gut. Die Sammlung umfasst 5.000 Patches, welche diversen Vintage-Klassikern wie CS-80, Moog Modular, Jupiter-8 oder Prophet entstammen. Es handelt sich hier nur um Presets, die sich über die Controller-Regler geringfügig editieren lassen. Möchte man die Sounds from scratch editieren, braucht man das komplette Plug-In, das gerade im Hintergrund werkelt. Mit Arturias Minimoog-Clone kann man diese Arbeitsweise gleich nachvollziehen, denn der mini V ist im Producer-Pack enthalten.
Über einen Browser und die Filter-Funktion lässt sich schnell die fast schon erschlagende Klangvielfalt für die gewünschte Produktionssituation eingrenzen: „Lead“, „Aggressive“, „Digital“ – und schon listet das Analog Lab die entsprechenden Ergebnisse.
Im Betrieb
Da Bitwig Studio neben der PC- und Mac-Plattform auch unter Linux läuft, ist ausdrücklich zu betonen, dass Arturias Software Produkte das letztgenannte Betriebssystem nicht offiziell unterstützen.
Für eine problemlose Installation ist es zwingend notwendig, Bitwig Studio auf die neuste Version zu aktualisieren. Unter „Preferences“ genügt danach ein Klick auf „Detect available Controllers“, und schon wird das Keylab 49 inklusive passendem MIDI-Eingang und -Ausgang am Mac erkannt. Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen, welche Funktionen und MIDI-Befehle den physikalischen Bedienelementen des KeyLab zugewiesen sind, hat Bitwig eine Liste erstellt, die man ebenfalls in diesem Menü einsehen darf. Ab dann kann man auch schon loslegen.
Die Transport-Buttons kümmern sich von Anfang an um die Steuerung des Sequenzers. Für die Steuerung von Bitwig sind nun zwei Modi angedacht: „Sound Mode“ und „Mix Mode“. Der erste Modus wird über den gleichnamigen Button am KeyLab aufgerufen und dient dazu, in Bitwig die sogenannten „Devices“ zu steuern. Dies geschieht mithilfe der Encoder „P1“ bis „P6“. Die meisten Devices verfügen über eine Vielzahl von Parametern. Diese werden in Bitwig sinnvoll kategorisiert und in mehreren „Pages“ organisiert: „Common Parameters“, „Envelopes“, „VCOs“ usw. Diese Pages finden sich auf den „Snapshot“- Buttons des KeyLab wieder, wodurch auch mit nur sechs Encodern eine sehr flexible und umfangreiche Steuerung möglich ist. Das klappt bei „Devices“ von Bitwig oder Arturia einwandfrei, bei Plug-Ins von Drittanbietern muss man jedoch etwas nachhelfen.
Die letzten beiden Drehregler kümmern sich stets um die allgemeine Navigation im Projekt. So lässt sich mit Encoder „P5“ schnell durch den Spur-Header des Bitwig-Projekts scrollen und die gewünschte Spur selektieren. Encoder „P10“ hingegen übernimmt die Selektion der Devices in dieser Spur – eben auf horizontaler Ebene.
Sehr schön, dass nicht nur auf Bitwigs Oberfläche das entsprechende Ziel grafisch hervorgehoben wird, sondern die aktuelle Zuweisung auch sofort auf KeyLabs LC-Display abzulesen ist. Auf gleiche Weise wird auch der jeweilige Modus sowie der Name der angewählten „Page“ angezeigt – und zusätzlich auch über Bitwigs GUI durch eine kurze Einblendung signalisiert. So behält man auch bei häufigem Wechsel die Übersicht.
„Sofort loslegen“ lautet die Devise des deutsch-französischen Freundschafts-Deals. Hier kann man Sounds nicht nur anspielen, sondern auch sofort mit dem Aufnehmen und Arrangieren anfangen.
Der Funktions-Button am KeyLab namens „Multi“ schaltet das System in den zweiten Modus: „Mix Mode“. Die ersten acht Fader übernehmen ihr Äquivalent im Software-Mixer, während Fader 9 stets den Master-Kanal anvisiert. Encoder „P1“ ist dem Panorama und „P2“ bis „P4“ sind den ersten drei Aux-Sends im selektierten Kanalzug zugewiesen. Eine simple, aber praktische Sache! Die restlichen Encoder kümmern sich um die Steuerung von Länge und Position des Loop-Bereichs sowie die Startzeit auf der Timeline. Ein recht sinnvolles Feature, um verschiedene Parts im Song linear nacheinander zu mischen.
Schade aber, dass der „Clip Launcher“, also die tabellenartige Ansicht, welche MIDI- und Audio-Loops verwaltet, vom KeyLab mit keiner dedizierten Funktionen unterstützt wird. Hier hätte sich eine Integration der Drum-Pads doch bestens angeboten. Scheiterte die Integration etwa an der nur einfarbigen Hintergrundbeleuchtung? Manch anderer Controller verfügt nämlich über eine mehrfarbige Beleuchtung und kann somit den aktuellen Status eines Clips (Wiedergabe/Stop/ Aufnahme) wunderbar mit einem roten, gelben oder grünen Drum-Pad visualisieren.
Bis auf diese Kleinigkeit funktioniert die Kommunikation zwischen Soft- und Hardware in allen anderen Bereichen absolut fehlerfrei, und nach der erstaunlich kurzen Eingewöhnungsphase ist der Spaßfaktor mit diesem Allround-Paket extrem hoch.
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Fazit
Arturias Kombipakete, bestehend aus Controller-Keyboard und dicker Sound-Library, bestachen schon bisher durch ein beinahe unschlagbares Preis/Leistungs-Verhältnis. Wenn man bedenkt, dass Arturia KeyLab 49 und Bitwig Studio alleine schon mit einem Einzelpreis von je knapp 300 Euro zu Buche schlagen, liegt bei einem Starßenpreis von rund 400,– Euro erst recht ein sehr fairer Deal auf dem Tisch – und hier gesellen sich auch noch die Plug-Ins „Analog Lab“ und „mini V“ dazu.
Die Integration ist gut gelöst, allerdings kommt das KeyLab 49 noch nicht ganz gegen Controller wie Livid Base oder Novations Launchcontrol an, deren Hardware-Konfiguration mit Blick auf Matrix-Sequenzer speziell konzipiert wurde – explizit wird beim KeyLab eine komfortable Steuerung des so essenziellen Clip Launcher vermisst. Vielleicht arbeiten die beiden Entwickler-Teams hier noch nach.
Ansonsten gibt es wenig auszusetzen, und wo bekommt man eine so ausgereifte und preiswerte Produktionsumgebung auf einen Schlag?
Hersteller/Vertrieb: Arturia
Internet: www.arturia.com
UvP/Straßenpreis: 659,— Euro / ca. 400,— Euro
+ hervorragendes Preis/Leistungs-Verhältnis
+ gute Integration der Hardware in Bitwig
+ sehr umfangreiche Sound-Auswahl
– Arturia miniV und Analog Lab offiziell nicht in Linux unterstützt
– keine direkte Steuerung des Clip-Launchers per Drum-Pads